07. Unzulässigkeit nach § 7 I UWG

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§ 7 UWG regelt die Unlauterkeit von Belästigungen und dient dem Schutz der Privatsphäre von Verbrauchern als Privatpersonen und dem Schutz ungestörter Betriebs- und Geschäftsabläufe von Gewerbetreibenden. Die Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung ergibt sich im Gegensatz zu den §§ 3a ff. UWG nicht i.V.m. § 3 I UWG, sondern direkt aus § 7 I UWG.

Eine Unzulässigkeit nach § 7 I UWG erfordert eine unzumutbare Belästigung, die sich ergeben kann aus den

  1. Sondertatbeständen des § 7 II Nr. 1 – 3 UWG oder sonst beim
  2. Vorliegen einer
    1. Belästigung
    2. Mutmaßlich nicht erteilter Einwilligung oder Widerspruch
    3. Unzumutbarkeit

§ 7 I 1 UWG stellt eine kleine Generalklausel dar, aus der die Unzulässigkeit einer geschäftlichen Handlung folgt, die eine unzumutbare Belästigung darstellt, wobei jedoch die Sondertatbestände des § 7 II Nr. 1 – 3 UWG vorrangig zu prüfen sind.

§ 7 I UWG | Unzumutbare Belästigungen
1Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig. 2Dies gilt insbesondere für Werbung, obwohl erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht.

A. Unzumutbare Belästigung nach § 7 II Nr. 1 – 3 UWG

Ist einer der drei Tatbestände des § 7 II Nr. 1 – 3 UWG einschlägig, liegt unmittelbar eine unzumutbare Belästigung und somit eine unlautere geschäftliche Handlung vor.

Eine eigene Prüfung der Unzumutbarkeit oder eine Interessenabwägung entfällt bei der Einschlägigkeit eines der Sondertatbestände.[1] Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung.[2]

Bis zum 27.5.2022 war in § 7 II Nr. 1 UWG a.F. die Umsetzung von Anh. I Nr. 26 UGP-RL (jetzt Nr. 26 Anhang UWG) geregelt.

1. Telefonwerbung (§ 7 II Nr. 1 UWG)

§ 7 II Nr. 1 UWG zielt darauf, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer vor der unerwünschten Telefonwerbung zu schützen, wobei die Differenzierung zwischen den Erfordernissen für die Einwilligung zu berücksichtigen ist.

§ 7 II Nr. 1 UWG | Unzumutbare Belästigungen
Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung oder gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung, […]

a. Werbung mit einem Telefonanruf

→ Hauptartikel zur Werbung: UWG-01.B.XIII. Werbung (Art. 2 a RL 2006/114/EG)

Eine Werbung erfordert

  1. eine Äußerung, somit einen Akt der Kommunikation
  2. im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit
  3. mit dem Ziel der Absatzförderung oder Erbringung von Dienstleistungen

Zusätzlich zu der von Art. 2 a RL 2006/114/EG erfassten Angebotswerbung, werden von § 7 II Nr. 1 UWG auch die

  1. Nachfragewerbung,
  2. Marktforschungsanrufe, zumindest dann, wenn mittelbar der Absatz vom Auftraggeber vertriebenen Produkts gefördert werden soll, und
  3. Kundenzufriedenheitsbefragungen erfasst.[3]

§ 7 II Nr. 1 UWG erfasst keine Anrufe mit automatischen Anrufmaschinen und schriftliche Nachrichten (SMS, MSM, E-Mails), sondern nur individuelle Anrufe.[4] Es können aber § 7 II Nr. 2, 3 UWG einschlägig sein.

b. Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern (§ 7 II Nr. 1 Alt. 1 UWG)

→ Hauptartikel zum Verbraucherbegriff: UWG-01.B.XII. Verbraucher (§ 2 II UWG)

Erfolgt Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern, somit gegenüber einer natürlichen Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder überwiegend der gewerblichen noch der selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, ist die vorherige ausdrückliche Einwilligung erforderlich.

Der Begriff der Einwilligung ist unionsrechtlich, insbesondere unter Berücksichtigung von Art. 4 Nr. 11 DSGVO auszulegen.

Eine Einwilligung i.S.d. Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine „freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist“ und stellt eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung dar.[5]

Die Einwilligung muss somit

  1. ausdrücklich, folglich nach § 307 II Nr. 1 BGB nicht verpflichtend in AGB,
  2. gegenüber dem Werbenden erfolgen, somit mangels konkreten Bezuges nicht pauschal gegenüber „Partnerunternehmer“ und
  3. muss ggbf. nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden.[6]

c. Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden (§ 7 II Nr. 1 Alt. 2 UWG)

Dahingegen muss die Einwilligung (vgl. IP-07.A.1.b) von Gewerbetreibenden zumindest mutmaßlich vorliegen.

Eine mutmaßliche Einwilligung erfordert, dass der Anrufer aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des Angerufenen vermuten kann, wobei die Beweislast der Anrufer trägt.[7]

Der Wille ist (wie bei der GoA) zunächst objektiv zu ermitteln, kann aber vom subjektiven Willen ersetzt werden. Grundvoraussetzung ist, dass der Angerufene

  1. seine Telefonnummer zur telefonischen Kontaktaufnahme bekannt gegeben hat und
  2. von einer Einwilligung in die Kontaktaufnahme, für die konkret angebotenen Waren oder Dienstleistungen ausgegangen werden darf.

2. Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post (§ 7 II Nr. 2 UWG)

§ 7 II Nr. UWG erweitert den Schutz vor Belästigungen und umfasst die Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgeräts oder der elektronischen Post, wozu E-Mail, SMS und MMS, sowie Werbung, die in der Inbox eines E-Mail-Postfachs eingeblendet wird.[8] Hiervon bestehen nach § 7 III Nr. 1 – 4 UWG eine spezielle Ausnahme (vgl. UWG-07.A.2.a. – d).

§ 7 II Nr. 2 UWG | Unzumutbare Belästigungen 
Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, […]

Der Begriff der Werbung in § 7 II Nr. 2 UWG entspricht dabei dem Begriff in § 7 II Nr. 1 UWG (vgl. UWG-07.A.1.a.) und erfasst neben der Angebotswerbung auch die Nachfragewerbung.[9]

Für eine Einwilligung in Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post gelten für Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer grundsätzlich dieselben Anforderungen. Die vorherige, ausdrückliche Einwilligung ist erforderlich.

Die Anforderungen an eine Einwilligung unionsrechtskonform auszulegen, wobei die Anforderungen der Einwilligung von Verbrauchern in die Telefonwerbung entsprechen (vgl. UWG-07.A.1.b).

Die Ausnahme des § 7 III Nr. 1 – 4 UWG ist einschlägig, wenn

  1. die elektronische Postadresse des Kunden
  2. im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung
  3. für die Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet wird,
  4. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und
  5. bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann.

a. Elektronische Postadresse eines Kunden

Die elektronische Postadresse eines Kunden ist dessen E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, wenn an diese SMS- oder MMS-Nachrichten geschickt werden können, nicht Telefonnummern, die nur Anrufe entgegennehmen können oder Faxnummern.[10]

b. Werbung im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung (§ 7 III Nr. 1 UWG)

Während die Form, in der das Unternehmen die elektronische Postadresse erhalten hat, unerheblich ist, muss ein Vertrag zustande gekommen sein und noch bestehen. Die Ausnahme des § 7 III UWG ist daher nicht einschlägig, wenn

  1. der Unternehmer anderweitig, beispielsweise durch eigene Recherche und nicht durch die Angabe des Kunden, dessen elektronische Postadresse erhalten hat,
  2. der Kunde den Vertrag ex tunc (Kündigung) oder ex nunc (Widerruf oder Rücktritt) beendet, da hierin konkludent ein Widerruf der Einwilligung liegt (str.!),
  3. der Kunde nach Eingabe der elektronischen Postadresse den Vertragsschluss abbricht.[11]

Die Beweislast, insbesondere auch in Hinblick auch darauf, dass der Kunde die elektronische Postadresse angegeben hat, trägt der Werbende.[12]

c. Verwendung für Direktwerbung für eigene ähnliche Wa­ren oder Dienstleistungen (§ 7 III Nr. 2 UWG)

Die im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erlangte elektronische Postadresse eines Kunden darf nur „zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen“ verwendet werden.

Der genaue Umfang der „ähnlichen“ Waren und Dienstleistungen ist umstritten, insbesondere ob neben austauschbaren Waren auch Ergänzungen oder Zubehör (z.B. Druckerpatronen oder Kabel) erfasst sind, in der Rechtsprechung jedoch zumeist verneint. Werbung und Gutscheine für das weitere Sortiment, insbesondere von sog. Multisortimentern und die Werbung für und Weitergabe an Partnerunternehmer ist nicht erfasst.[13]

d. Werbung ohne Widerspruch eines Kunden (§ 7 III Nr. 3, 4 UWG)

Die Verwendung der elektronischen Postadresse für Direktwerbung für eigene ähnliche Waren und Dienstleistungen ist ausgeschlossen, wenn

  1. der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und (§ 7 III Nr. 3 UWG) und
  2. klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. (§ 7 III Nr. 4 UWG).

Der Widerspruch stellt eine geschäftliche Handlung dar, die analog § 130 BGB formfrei zugehen muss. Vom Kunden kann keine vorgeschriebene Form verlangt werden. Der Hinweis auf die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit ist immer erforderlich und muss so gestaltet werden, dass der Kunde eindeutig und ohne Schwierigkeiten davon Gebrauch machen kann.[14]

3. Werbung unter der Verschleierung der Identität (§ 7 II Nr. 3 a – c UWG)

§ 7 II Nr. 3 UWG dient dem Schutz vor der Verschleierung oder Verheimlichung der Identität (Nr. 3a) und vor Verstößen gegen § 6 I TMG, somit besonderen Pflichten bei kommerzieller Kommunikation (Nr. 3b). Nach § 7 II Nr. 3c UWG muss eine gültige Adresse vorhanden sein, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann. § 7 II Nr. 3 UWG setzt Art. 13 IV RL 2002/58/EG um (neu gefasst in RL 2009/136/EG).

a. Werbung mit einer Nachricht

→ Hauptartikel zum Begriff der Nachricht: UWG-01.B.V. Nachricht (§ 2 I Nr. 5 UWG)

Eine nach § 7 II Nr. 3 a – c UWG stets unzumutbare Belästigung erfordert die „Werbung mit einer Nachricht“.

Die Nachricht i.S.d. § 2 I Nr. 5 UWG stellt eine Form der individualisierten Kommunikation dar, da sie mit einer bestimmbaren Zahl von Beteiligten ausgetauscht werden muss.

b. Verschleierung oder Verheimlichung der Identität (§ 7 II Nr. 3a UWG)

§ 7 II Nr. 3a UWG dient dem Schutz von Verbrauchern, und stellt sicher, dass die Identität des Werbenden in der Werbung nicht verschleiert oder verheimlicht wird, um insbesondere die Durchsetzung etwaiger Ansprüche gegen den Werbenden zu erleichtern.

§ 7 II Nr. 3a UWG | Unzumutbare Belästigungen
Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird […]

Die Identität des Werbenden wird verschleiert, wenn hinter dem angegebenen Namen keine oder eine andere Person steht (sog. Schein- oder Tarnadressen). Das Verheimlichen der Identität liegt vor, wenn kein Name angegeben wird und sich die Identität nicht aus den Angaben (z.B. generelle E-Mail-Adresse) ergibt.[15]

c. Verstöße gegen § 6 I TMG (§ 7 II Nr. 3b UWG)

Nach § 7 II Nr. 3b UWG liegt eine stets unzumutbare Belästigung vor, wenn gegen § 6 I TMG verstoßen wird (Alt. 1) oder der Empfänger in der Werbung aufgefordert wird, eine Website aufzurufen, die gegen diese Vorschrift verstößt (Alt. 2).

Nach § 6 I TMG müssen Diensteanbieter bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestand­teile von Telemedien sind, die folgenden Voraussetzungen beachten:

  1. die kommerzielle Kommunikation, Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke, Preisausschreiben oder Gewinnspiele mit Werbecharakter müssen als solche zu erkennen sein (Nr. 1, Nr. 3 HS. 1, Nr. 4 HS. 1),
  2. die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Angeboten müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden (Nr. 3 HS. 2),
  3. die Teilnahmebedingungen müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden (Nr. 4 HS. 2), und
  4. die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag die kommerzielle Kommunikation erfolgt, muss klar identifizierbar sein. (Nr. 2),

§ 7 II Nr. 3b UWG stellt nur bei Verstößen gegen § 6 I TMG eine stets unzumutbare Belästigung fest, jedoch kann bei einem Verstoß gegen § 6 II TMG als Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift eine Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 3a UWG vorliegen

d. Fehlen einer gültigen Adresse (§ 7 II Nr. 3c UWG)

Nach § 7 II Nr. 3c UWG ist eine gültige Adresse anzugeben, an die der Empfänger der Werbung eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann. Hierfür dürfen keine anderen als die Übermittlungskosten nach Basistarifen entstehen.

B. Unzumutbare Belästigung nach § 7 I UWG

Liegt keine stets unzumutbare Belästigung nach § 7 II UWG vor, kann sich aus der kleinen Generalklausel des § 7 I UWG eine Unzulässigkeit ergeben, wenn

  1. eine Belästigung vorliegt, die
  2. nicht von einer erteilten oder mutmaßlichen Einwilligung gedeckt ist oder ein Widerspruch vorliegt und
  3. die Belästigung unzumutbar ist.

Eine Belästigung i.S.d. § 7 I UWG ist eine geschäftliche Handlung, die dem Empfänger aufgedrängt wird und die bereits wegen ihrer Art und Weise unabhängig von ihrem Inhalt als störend empfunden wird.[16]

Unzumutbar ist eine Belästigung, wenn sie basierend auf einer Interessenabwägung eine solche Intensität erreicht, dass sie von einem großen Teil der Verbraucher als unerträglich empfunden wird, wobei der Maßstab des durchschnittlich empfindlichen Adressaten zugrunde zu legen ist.[17]

Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere

  1. die Erheblichkeit der geschäftlichen Handlung aus Sicht eines durchschnittlich empfindlichen und verständigen Adressaten,
  2. die Intensität der geschäftlichen Handlung in Hinblick auf die betroffene Sphäre (Individualsphäre, Privatsphäre und Intimsphäre im Gegensatz zu geschäftlichen Handlungen in der Öffentlichkeit oder die Störung betrieblicher Abläufe),
  3. die Möglichkeit einer schonenderen Vorgehensweise und
  4. die Ausweichmöglichkeiten des Empfängers, insbesondere die hierfür erforderliche Zeit, Arbeit und die entstehenden Kosten.[18]

Zu berücksichtigen ist auch, dass die mit einer bestimmten Werbemethode verbundene Belästigung trotz niedriger Intensität aufgrund einer Summierung der Belästigung oder Nachahmungseffekten zu einer Unzumutbarkeit führen können.[19]

Liegt eine geschäftliche Handlung in Form von Werbung (vgl. 01.B.XIII) vor, ist diese unzumutbar, wenn erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. Sonst ist an die Möglichkeit einer mutmaßlichen Einwilligung zu denken.

Einzelne Fallgruppen unzumutbarer Belästigung nach § 7 I UWG können folgendermaßen zusammengefasst werden.

FallgruppenEinordnungVoraussetzung
Brief- und Briefkastenwerbunggrundsätzlich zulässig, wenn kein Widerspruch vorliegtVorliegen einer Werbung muss sofort und unmissverständlich erkennbar sein
Haustürwerbung bzw. VertreterbesucheNach Rspr: grundsätzlich zulässig, wenn kein Widerspruch vorliegt
Nach Lit (str.): grundsätzlich verboten wegen unzumutbarem Widerspruch und Parallelen zur Telefonwerbung
Ansprechen in der Öffentlichkeitgrundsätzlich nicht erlaubt, Ausnahmen je nach Örtlichkeit (z.B. in einem Geschäft) oder bei Ausweichmöglichkeiten (erkennbarer Werbender auf Straße)

1. Unzumutbare Belästigungen bei der Brief- und Briefkastenwerbung

Ein Brief- oder Briefkastenwerbung ist grundsätzlich zulässig, sofern kein Widerspruch vorliegt und das Vorliegen einer Werbung sofort und unmissverständlich spätestens nach dem Öffnen des Briefes erkennbar ist.

BGH GRUR 2011, 747 (749, Rn. 19) – Kreditkartenübersendung
Zutreffend […] hat das BerGer. angenommen, dass diejenige Belästigung, welche darin liegt, dass das Werbeschreiben nicht bereits auf dem Briefumschlag als Werbung gekennzeichnet gewesen ist, nicht als unzumutbar zu qualifizieren ist. Durch eine entsprechende Kennzeichnung würde der Verbraucher zwar in den Stand versetzt, das Schreiben ungelesen zu entsorgen. Der Grad der Belästigung ist bei einer Werbung per Post jedoch gering. Diese Belästigung kann gegenüber den Interessen der werbenden Wirtschaft an einer gezielten Individualwerbung und in Anbetracht der Tastsache, dass viele Umworbene an einer Information durch derartige Werbeschriften ein berechtigtes Interesse haben, regelmäßig vernachlässigt werden […]. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Wer­be­charakter – wie im Streitfall – nach dem Öffnen des Briefs sofort und unmissverständlich erkennbar ist […].

Ist erst bei näherer Befassung mit dem Inhalt erkennbar, dass es sich um Werbung handelt, somit die Werbung als sog. Privatbrief getarnt ist, kann eine Unlauterkeit nach § 7 I UWG oder § 5a IV UWG vorliegen.[20]

Ein Widerspruch gegen Brief- oder Briefkastenwerbung muss unmittelbar und unmissverständlich gegenüber dem Werbenden erklärt werden. Im Fall von Briefwerbung ist auch eine Eintragung in die sog. Robinsonliste ausreichend, sowie im Fall von Briefkastenwerbung (mit Ausnahme von Werbebeilagen in abonnierten Zeitungen) ein allgemeiner Sperrvermerk am Briefkasten.[21]

2. Unzumutbare Belästigungen bei Haustürwerbung bzw. Vertreterbesuchen

Ob Werbung an der Haustür, beispielsweise in Form eines Vertreters, eine unzumutbare Belästigung darstellt, ist zwischen der Rechtsprechung und der Literatur umstritten.

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist Haustürwerbung grundsätzlich zulässig, insbesondere als eine traditionelle, von Art. 12 GG geschützte Absatzform, was zudem indirekt auch durch Nr. 25 und Nr. 32 des Anhangs des UWG bestätigt werde.[22]

Nach in der Literatur vertretenen Ansichten, soll Werbung an der Haustür grundsätzlich unzulässig sein, sofern keine vorherige Einwilligung oder zumindest mutmaßliche Einwilligung vorliege. Begründet wird dies mit einem vergleichbaren oder größeren Störungspotential im Vergleich zur Telefonwerbung, was ein grundsätzliches Verbot rechtfertige.[23]

3. Unzumutbare Belästigungen beim Ansprechen in der Öffentlichkeit

Eine unzumutbare Belästigung kann auch bei geschäftlichen Handlungen in der Öffentlichkeit vorliegen. Dabei ist das Ansprechen in der Öffentlichkeit ohne eine Einwilligung grundsätzlich unzulässig, wobei jedoch Differenzierungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände erforderlich sind.[24]

Das Ansprechen in der Öffentlichkeit ist zulässig, wenn

  1. der Werbende eindeutig erkennbar ist und daher der Angesprochene ausweichen kann oder ein Gespräch angesichts des erkennbaren Charakters beenden kann,
  2. kein gezieltes, individuelles Ansprechen vorliegt, wie bei der sog. „Marktschreierei“,
  3. eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung vorliegt oder
  4. ein Ansprechen innerhalb von Geschäftsräumen, Märkten oder Messen vorliegt, sofern dabei keine Belästigung über das Übliche vorliegt oder der Angesprochene nicht unter Druck gesetzt wird.[25]

C. Wiederholungsfragen

D. Nachweise

[1] Z.B. BGH GRUR 2016, 946 (951, Rn. 51)– Freunde finden, wonach die Erfüllung eines Sondertatbestands „stets zu einer unzumutbaren Belästigung [führt], ohne dass es einer Interessenabwägung im Einzelfall bedarf“; zusammenfassend MüKoUWG/Leible, 3. Aufl. 2020, UWG § 7 Rn. 90.

[2] So BT-Drs. 16/10145, S. 29 wörtlich, wonach § 7 II Nr. 1 UWG „lediglich auf die Rechtsfolge und nicht den Rechtsgrund des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG- E“ verweist.

[3] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 60 ff. m.w.N.

[4] Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 63.

[5] Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 67.

[6] Vgl. BeckOK UWG/Fritzsche, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 7 Rn. 86; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 69.

[7] Vgl. mit Nachweisen zur Rechtsprechung Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 77.

[8] Zur Werbung in der Inbox eines unentgeltlichen E-Mail-Postfachs BGH GRUR 2022, 995 (Leitsatz) – Inbox-Werbung II, wonach eine „wirksame Einwilligung in eine Inbox-Werbung (automatisierte Werbeeinblendung auf bestimmten dafür vorgesehenen Flächen in der E-Mail-Inbox des Nutzers), die eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post im Sinne von § 7 II Nr. 3 UWG dar-stellt, […] nicht vor[liegt], wenn der Nutzer, der eine unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante eines E-Mail-Dienstes gewählt hat, sich allgemein damit einverstanden erklärt, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen. Erforderlich ist vielmehr, dass der betroffene Nutzer vor einer Einwilligungserklärung klar und präzise über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung und insbesondere darüber informiert wird, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden“.

[9] So bereits BGH GRUR 2008, 925 (Leitsatz) – FC Troschenreuth, wonach „ein Sportverein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins [der] auf seiner Website eine E-Mail-Adresse an[gibt,] darin keine konkludente Einwilligung, gewerbliche Anfragen nach Dienstleistungen des Vereins (hier: Platzierung von Bannerwerbung auf der Website des Vereins) mittels E-Mail zu empfangen“ liegt.

[10] Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 264.

[11] Grundlegend BeckOK UWG/Fritzsche, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 7 Rn. 172 ff.; zum konkludenten Widerruf näher Decker GRUR 2011, 774 (776); a.A. z.B. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 95 m.w.N.

[12] Zu der Eingabe einer elektronischen Postadresse in ein Online-Kontaktformular z.B. KG, Urt. v. 20.06.2002 – 10 U 54/02, wonach der Werbende „deshalb dafür Sorge tragen [muss], nur mit Verbrauchern in Kontakt zu treten, die hiermit einverstanden sind. [Des Klägers] bisheriges System, bei dem Interessenten ihren Namen und ihre E-Mail-Anschrift auf seinen Internetseiten hinterlassen konnten, eignet sich wegen der naheliegenden Mißbrauchsgefahr dazu nicht. Da es jedermann möglich ist, beliebige Adressen einzutippen, kann der Beklagte nicht darauf vertrauen, daß die E-Mail-Adressen, an die der Newsletter geschickt werden soll, tatsächlich von ihrem Inhaber oder einem sonstigen Berechtigten in das System eingegeben worden ist. Zu bedenken ist auch, daß dem Mißbrauch seitens werbender Unternehmen Tür und Tor geöffnet wäre, wenn das vom Beklagten verwendete System genügte, um ein Einverständnis des Empfängers darzulegen. Auch das Unternehmen, welches E-Mail-Adressen gekauft und in sein System eingespeist hätte, könnte dann behaupten, die Adressen seien von Besuchern ihrer Internetseiten angegeben worden“.

[13] Vgl. ausführlich, mit Beispielen aus der Rechtsprechung und kritischer Würdigung BeckOK UWG/Fritzsche, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 7 Rn. 176 f.

[14] BeckOK UWG/Fritzsche, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 7 Rn. 178 f.

[15] Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 281.

[16] Vgl. mit Nachweisen zur Rechtsprechung Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 24.

[17] Vgl. mit Nachweisen zur Rechtsprechung Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 25.

[18] Vgl. ausführlich Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 33 ff; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 25.

[19] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 37; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 25.

[20] Vgl. BGH GRUR 1973, 552 (553) – Briefwerbung, welcher ausführt „daß Werbesendungen, die sich in ihrer äußeren Aufmachung völlig als Privatbriefe tarnen und deren Werbecharakter erst nach näherem Befassen erkennbar [sind], durchaus eine unzumutbare Belästigung des Adressaten darstellen können.“; für eine Unlauterkeit nach § 5a IV UWG vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 107.

[21] Zur Briefwerbung Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 109 und in Rn. 110 zum Sperrvermerk am Briefkasten als (str.) Widerruf der Briefwerbung; zum Widerruf der Briefkastenwerbung Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 33.

[22] Vgl. BeckOK UWG/Fritzsche, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 7 Rn. 58 m.w.N.

[23] Vgl. im Detail Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 42.

[24] So Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 35.

[25] Jeweils m.w.N. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 7 Rn. 36 f.

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