06. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. §§ 3a – 6 UWG

J. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 6 UWG (Vergleichende Werbung)

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Die Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 6 UWG kann nach folgendem Schema geprüft werden:

  1. Vergleichende Werbung i.S.d. § 6 I UWG
  2. Unlauterkeit durch Verstoß gegen die Zulässigkeitskriterien des § 6 II Nr. 1 – 2 UWG

1. Überblick: Interessenlage & Interessensausgleich

Interessen des Werbenden

Nutzung des Rufs & der Bekanntheit eines anderen Produkts

Interessen des Mitbewerbers

Schädigung oder Ausbeutung des Rufs

Interessen von Verbrauchern

Zutreffender, informativer Vergleich

Interessen der Allgemeinheit

Markttransparanz

Interessenausgleich durch

Verbot vergleichender
Werbung
(ehemalige Rechtsprechung)

Verbot irreführender, vergleichender Werbung
(so das US-Recht)

Verbot unverhältnismäßiger irreführender Werbung
(heutige Rechtsprechung)

2. Vergleichende Werbung i.S.d. § 6 I UWG

§ 6 I UWG | Vergleichende Werbung
Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht.

Vergleichende Werbung ist

  1. Werbung (Art 2 a RL 2006/114/EG),
  2. die unmittelbar oder mittelbar
  3. einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotene Ware
  4. erkennbar macht und einen Vergleich beinhaltet.

a. Werbung (Art. 2 a RL 2006/114/EG)

→ Hauptartikel: UWG-01.B.XIII. Werbung (Art. 2 a RL 2006/114/EG)

Eine Werbung erfordert

  1. eine Äußerung, somit einen Akt der Kommunikation
  2. im Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit
  3. mit dem Ziel der Absatzförderung oder Erbringung von Dienstleistungen

b. Mitbewerber oder die angebotene Ware eines Mitbewerbers

  !  

Der Mitbewerberbegriff des § 6 UWG ist autonom-unionsrechtlich zu bestimmen. § 4 I Nr. 4 UWG findet daher keine Anwendung, wenn sich aus der Anwendung ein engerer Mitbewerberbegriff ergibt.[1]

Der Mitbewerberbegriff des § 6 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, welches sich auf Basis der Substituierbarkeit der Waren oder Dienstleistungen, die sie auf dem Markt anbieten, ergibt.[2]

Im Gegensatz dazu liegt nach dem BGH bereits dann ein Wettbewerbsverhältnis vor, wenn zwischen den Vorteilen des einen Unternehmens und den Nachteilen des anderen eine Wechselwirkung besteht. Diese Wechselwirkung kann jedoch den Mitbewerberbegriff im Vergleich zur Substituierbarkeit einengen.

Für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist erforderlich, dass die von den Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleistungen „in einem gewissen Grad substituierbar“, somit „in gewisser Weise gleichen Bedürfnissen dienen können“.[3]

Die konkrete Beurteilung hat durch die nationalen Gerichte zu erfolgen, die auf detaillierte Vorgaben des EuGH zurückgreifen müssen. Von entscheidender Bedeutung sind

  1. die Warengattung, die konkreten Merkmale der beworbenen Produkte und das Image als Grundlage der Kaufentscheidung des Verbrauchers,
  2. der Zustand des Marktes und die Verbrauchsgewohnheiten zum Zeitpunkt der Äußerung und ihre Entwicklungsmöglichkeiten und
  3. der geografische Teil des Unionsgebiets, in dem die Werbung verbreitet wird, wobei mögliche Einflüsse durch die Verbrauchsgewohnheiten in anderen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind.[4]

c. Unmittelbares oder mittelbares Erkennbarmachen

Unmittelbares Erkennbarmachen
Direkte namentliche oder bildliche Wiedergabe und eindeutige Identifikation des Mitbewerbers oder dessen Produkts
Mittelbares Erkennbarmachen
Konkrete Identifikation des Mitbewerbers oder dessen Produkts aufgrund besonderer Umstände

Kriterien für die Beurteilung, ob ein mittelbares Erkennbarmachen vorliegt sind

  1. die Gestaltung der Werbung, vor allem der Wortlaut,
  2. die Zeichenbenutzung, Angabe und Beschreibung von Produkteigenschaften und die Bezeichnung des Produkts,
  3. der Adressat der Werbung und
  4. die Marktverhältnisse.

Auch aus der Bezugnahme auf eine Gruppe von Mitbewerbern kann sich abhängig von der Marktstruktur ein mittelbares Erkennbarmachen ergeben.

d. Erfordernis eines Vergleichs

Zusätzlich zum unmittelbaren oder mittelbaren Erkenn­barmachen des Mitbewerbers oder seiner Produkte ist nach § 6 I UWG ein Vergleich zwischen den Produkten des Werbenden oder des Mitbewerbers voraus.

  i  

Das Erfordernis eines Vergleiches ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm. Die richtlinienkonforme teleologische Reduktion ist wegen der Definition in Art. 2c Werbe-RL erforderlich.[5]

Für einen Vergleich sind Angaben über das eigene Angebot, das Angebot des Mitbewerbers und über das Verhältnis zwischen diesen beiden Angeboten erforderlich.[6]

Die Aussage über das Verhältnis kann sowohl in Form der Kritik als auch einer Gleichwertigkeitsbehauptung vorliegen. [7] Die Aussage muss sich direkt aus der Werbung und nicht nur aus den Umständen ergeben. [8]

Ein Vergleich liegt auch vor, bei

  1. dem Angebot von Ersatzteilen oder Verbrauchsmaterialien für Geräte eines anderen Herstellers und
  2. der Bezugnahme auf Modelle eines anderen Herstellers.[9]

Kein Vergleich liegt dahingegen vor, bei

  1. der Werbung für eigene Produkte,
  2. der Kritik an Waren, Leistungen, Werbemethoden oder persönlichen Eigenschaften eines Mitbewerbers ohne Gegenüberstellung eigener Produkte oder des eigenen Unternehmens,
  3. dem Angebot eines nachgeahmten Produkts und
  4. der Aufforderung zum Vergleich.[10]

3. Unlauterkeit durch Verstoß gegen die Zulässigkeitskriterien des § 6 II Nr. 1 – 6 UWG

Allein das Vorliegen einer vergleichenden Werbung führt nach der heutigen Rechtsprechung angesichts der Interessen der Allgemeinheit, von Verbrauchern und des Werbenden nicht zur Unlauterkeit der geschäftlichen Handlung. Eine Unlauterkeit ergibt sich erst bei einem Verstoß gegen die Zulässigkeitskriterien des § 6 II Nr. 1 – 6 UWG.

  !  

Eine vergleichende Werbung ist unlauter, wenn sie einen der abschließenden Verbotstatbestände des § 6 II Nr. 1 – 6 UWG erfüllt. Die Zulässigkeit bestimmt sich abschließend nach diesen Kriterien.[11]

Seit 2015 beinhaltet § 6 keine Relevanzschwelle mehr, sodass sich die Frage, ob die vergleichende Werbung geeignet ist, die Interessen der Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen, sowie ob dieses Kriterium mit dem Unionsrecht vereinbar ist, nicht mehr.

Nach den Zulässigkeitskriterien des § 6 II UWG handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich

  1. sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht, wobei hier zumeist mangels Substituierbarkeit keine vergleichende Werbung vorliegen wird,[12]
  2. nicht objektiv auf eine oder mehrere aus sich des angesprochenen Verkehrskreises wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist,
  3. im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt, wobei bereits und vorrangig nach § 5 III UWG eine Unlauterkeit vorliegen kann,
  4. den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt, wobei insbesondere § 6 II Nr. 4 Alt. 2 oft mit Nr. 5 zusammen einschlägig ist und richtlinienkonform ausgelegt werden muss,
  5. die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft, wobei § 6 II Nr. 5 UWG vorrangig vor § 4 Nr. 1 UWG geprüft werden muss, oder
  6. eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt, wobei hier bislang die Voraussetzungen der Kennzeichnung als „Imitation“ ungeklärt sind.

Nachweise

[1] Vgl. BeckOK UWG/Weiler, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 6 Rn. 90.1; Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 26.

[2] BeckOK UWG/Weiler, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 6 Rn. 91.

[3] Vgl. MüKoUWG/Menke, 3. Aufl. 2020, UWG § 6 Rn. 74 m.w.N.

[4] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 26a; BeckOK UWG/Weiler, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 6 Rn. 91 ff.

[5] So z.B. BGH GRUR 2019, 644 (645 f., Rn. 15) – Knochenzement III, wonach „[a]us Art. 4 Buchst. b der RL 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung […] folgt […], dass für den Verkehr erkennbar sein muss, dass die verglichenen konkurrierenden Produkte einen hinreichenden Grad an Austauschbarkeit aufweisen. Vergleichende Werbung iSv § 6 UWG setzt daher zwingend einen Vergleich der von konkreten Wettbewerbern angebotenen, hinreichend austauschbaren Produkte voraus“.

[6] Vgl. EuGH GRUR 2003, 533 (535, Rn. 36) – Pippig Augenoptik, wonach „[j]ede vergleichende Werbung […] die Vorteile der vom Werbenden angebotenen Waren oder Dienstleistungen gegenüber denjenigen eines Mitbewerbers herausstellen [soll]. Um dies zu erreichen, muss die Aussage notgedrungen die Unterschiede zwischen den verglichenen Waren oder Dienstleistungen hervorheben, indem sie ihre Haupteigenschaften beschreibt“.

[7] Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 36.

[8] BeckOK UWG/Weiler, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 6 Rn. 138.

[9] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 37 m.w.N.

[10] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 37 m.w.N.

[11] Hierzu, zur nationalen Umsetzung und dessen Grenzen BeckOK UWG/Weiler, 20. Ed. 1.4.2023, UWG § 6 Rn. 155 ff.

[12] Hierzu Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 6 Rn. 41.

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