A. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 3a UWG (Rechtsbruch)

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Nach § 3 I UWG i.V.m. § 3a UWG können Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Nor­men, die Marktverhaltensregelungen i.S.d. § 3a UWG sind, beispielsweise die PAngV, beim Vorliegen einer wettbewerbsrechtlichen Relevanz zu einer Unzulässigkeit der Handlung führen.

Die Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 3a UWG kann nach folgendem Schema geprüft werden:

  1. Anwendbarkeit des § 3a UWG & Verstoß gegen gesetzliche Vorschrift
  2. Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG
    1. Regelung des Marktverhaltens
    2. Regelung im Interesse der Marktteilnehmer
    3. Keine abschließende Regelung/Sanktion
  3. Spürbarkeit

§ 3a UWG | Rechtsbruch 
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

1. Anwendbarkeit des § 3a UWG & Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift

Zunächst ist das Vorliegen einer gesetzlichen Vorschrift erforderlich.

Eine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 3a UWG ist jede Rechtsnorm mit Geltung in Deutschland,[1] somit Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen von Gemeinden, aber auch primäres und sekundäres Unionsrecht und Gewohnheitsrecht.[2]

Keine gesetzliche Vorstellung stellen Gerichtsentscheidungen,[3] Verwaltungsvorschriften[4] und Verträge[5] dar.

Ein Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift erfordert, dass der Tatbestand der Norm vollständig erfüllt ist.[6]

Problematisch ist die Anwendung des § 3a UWG angesichts der Vollharmonisierung der UGP-RL

Die UGP-RL regelt die Unlauterkeit geschäftlicher Handlungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern abschließend, sodass im Anwendungsbereich der UGP-RL die Anwendung des § 3a UWG auf Informationspflichten betreffend die kommerzielle Kommunikation mit unionsrechtlicher Grundlage beschränkt und darüber hinaus ausgeschlossen ist.

  !  

Die Verletzung unionsrechtlicher Informationspflichten betreffend die kommerzielle Kommunikation ist ausschließlich nach §§ 5a, 5b IV UWG zu beurteilen.[7]

Eine wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtige Rechtsverordnung entfaltet – anders als ein zwar rechtswidriger, aber nicht nichtiger Verwaltungsakt – keine Legitimationswirkung für eine nach dem Lauterkeitsrecht zu beurteilende geschäftliche Handlung.[7a] Eine geschäftliche Handlung kann daher nach § 3a UWG unlauter sein, wenn es zwar im Einklang mit der Rechtsverordnung steht, dieses aber wegen eines Verstoßes nichtig ist. Das für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz und Auskunftserteilung erforderliche Verschulden kann jedoch angesichts des berechtigten Vertrauens auf die Rechtswirksamkeit der Rechtsverordnung fehlen.[7b]

2. Marktverhaltensregel i.S.d. § 3a UWG

Erforderlich ist eine Regelung des Marktverhaltens (a) im Interesse der Marktteilnehmer (b), ohne abschließende Regelung bzw. Sanktion des Verstoßes (c).

a. Regelung des Marktverhaltens

Ein Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf dem Markt, die objektiv (auch) der Förderung des Absatzes oder Bezugs dient und durch die ein Unternehmer auf Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt.[8]

Tätigkeiten vor oder nach einer solchen Tätigkeit stellen kein Marktverhalten dar, sodass Vorschriften über den Marktzugang (z.B. § 2 GastG zum Betreiben eines Gaststättengewerbes oder der Produktion (z.B. § 13 AMG zur Herstellung von Medikamenten) keine Marktverhaltensregeln darstellen.

Dient eine Marktzugangsregelung (z.B. § 2 I BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufs) zugleich bzw. sekundär der Regelung des Marktverhaltens, kann sie zudem eine Marktverhaltensregelung darstellen.[9]

Das Gebot der Staatsferne der Presse stellt eine Marktverhaltensregel i.S.v. § 3a UWG dar,[9a] sodass bei einem Verstoß hiergegen die Unzulässigkeit des Verhaltens aus § 3 I UWG, § 3a UWG i.V.m. dem aus Art.  5 I 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse vorliegt. Dem BGH zufolge setzt das

Gebot der Staatsferne der Presse […] der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer – insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Verbraucher an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung – enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten, sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen […].[9b]

Die Reichweite und die Grenzen spezifiziert der BGH näher:

Das Gebot der Staatsferne der Presse lässt eine Öffentlichkeits- und Informationsarbeit von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben zu. Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung […] unter dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in Art. 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 der Bayerischen Verfassung (BV) gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie als Kompetenznorm. […]
Dazu zählen Angelegenheiten, die als Aufgaben der kommunalen öffentlichen Verwaltung anzusehen sind. Die Zuständigkeit der Gemeinde ist aber nicht auf Verwaltungshandeln im bürokratisch-technischen Sin­ne reduziert. Ein Bezugspunkt für ihre Zuständigkeit kann vielmehr auch bei Angelegenheiten gegeben sein, mit denen sich die Gemeinde aufgrund eigener Betroffenheit im Vorfeld künftiger eigener Aufgabenwahrnehmung befassen darf. Allein ein lokaler oder gemeinschaftsstiftender Bezug macht dagegen eine Angelegenheit noch nicht zu einer solchen der örtlichen Gemeinschaft im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.[9c]

Hierfür sind die jeweiligen Beiträge einzeln anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung zu untersuchen. Ein Verstoß liegt dann vor, wenn „der Gesamtcharakter der kommunalen Publikation geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden“.[9d]

b. Regelung im Interesse von Marktteilnehmern

Die gesetzliche Vorschrift muss zumindest auch dazu bestimmt sein, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.

Interessen von Mitbewerbern
  1. Schutz der Freiheit der wettbewerblichen Entfaltung
  1. Interesse an Einhaltung der Vorschrift durch alle Mitbewerber bzw. gleicher Wettbewerbsbedingungen
Interessen von Verbrauchern & sonstigen Marktteilnehmern
  1. Schutz des Informationsinteresses
  2. Schutz der Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit
  3. Schutz von Interessen, Rechten und Rechtsgütern

c. Keine abschließende Regelung/Sanktion

Regelt die gesetzliche Vorschrift bereits abschließend die Folgen eines Verstoßes, bleibt für die Anwendung des § 3a UWG kein Raum.[10]

Beispiele für eine abschließende Regelung:

  1. Buchpreisbindungsgesetz
  2. Datenschutz-Grundverordnung
  3. Kartellrecht
  4. Recht des Geistigen Eigentums
  5. Sozialrecht
  6. Telekommunikationsgesetz

Keine abschließende Regelung liegt vor bei Regelungen im:

  1. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
  2. Unterlassungsklagengesetz
  3. Vergaberecht (§ 156 III GWB)

3. Spürbarkeit

Zuletzt ist erforderlich, dass der Verstoß gegen die gesetzliche Vorschrift geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen

Zu berücksichtigen ist dabei die objektive Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Verstoß in Anbetracht des Schutzzwecks der verletzten Vorschrift tatsächlich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Interessen beeinträchtigen kann.[11]

Im Rahmen der Spürbarkeit sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere, Häufigkeit und Dau­er des Verstoßes in Anbetracht des betroffenen Rechtsguts und das Vorliegen einer Nachahmungsgefahr oder Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen.

4. Nachweise

[1] BGH GRUR 2005, 960 (961) – Friedhofsruhe.

[2] Vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.52 m.w.N.

[3] OLG Stuttgart, Urt. v. 05.11.2007 – BeckRS 2007, 18244 (unter B.1.b.).

[4] So OLG Hamburg GRUR-RR 2010, 57 (58, unter II.1.a.); BGH GRUR 2009, 606 (607, Rn. 23) – Buchgeschenk vom Standesamt, wonach Verwaltungsvorschriften keine Marktverhaltensregeln darstellen.

[5] OLG Hamm GRUR-RR 2011, 218 (219, unter 2.).

[6] BGH GRUR 2008, 530 – Nachlass bei der Selbstbeteiligung.

[7] BGH GRUR 2022, 930 – Knuspermüsli II unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung.

[7a] BGH GRUR 2023, 1307 – Zweibrücken Fashion Outlet.

[7b] BGH GRUR 2023, 1307 (1311, Rn. 40) – Zweibrücken Fashion Outlet.

[8] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.62.

[9] Köhler, GRUR 2001, 777 (781), wonach: [w]er unter Verstoß gegen die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften auf einem Markt tätig wird, […] regelmäßig auch wettbewerbswidrig [handelt].

[9a] Vgl. BGH GRUR 2023, 1299 (1301, Rn. 25) – muenchen.de.

[9b] Vgl. BGH GRUR 2023, 1299 (1301, Rn. 25) – muenchen.de.

[9c] Vgl. BGH GRUR 2023, 1299 (1301, Rn. 27 f.) – muenchen.de.

[9d] Vgl. BGH GRUR 2023, 1299 (1303, Rn. 41) – muenchen.de.

[10] Vgl. zu verschiedenen abschließenden und nicht abschließenden Regelungen Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.35 ff.

[11] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 3a Rn. 1.97-1.99.

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