I. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5a IV UWG (Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks)

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§ 5a IV UWG ist ein selbstständiger Unlauterkeitstatbestand und dient dem Schutz Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer vor einer Irreführung über den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung.[1]

Die Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5a IV UWG kann nach folgendem Schema geprüft werden:

  1. Kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung
  2. Nichtkenntlichmachen
  3. Relevanz bzw. Kausalität des Nichtkenntlichmachens

Seit dem 28.05.2022 erfasst der persönliche Anwendungsbereich des § 5a IV UWG auch sonstige Marktteilnehmer und führt als Reaktion auf die medial diskutierten Kennzeichenpflichten für Influencer § 5a IV 2, 3 UWG ein.[2]

§ 5a IV 1 UWG ist richtlinienkonform (Art. 7 II UGP-RL) und grundrechtskonform (Art. 51 I 2, Art. 52 I GRCh bzw. Art. 5 I GG bei Förderung fremder Unternehmer) auszulegen[3] und innerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-RL abschließend.[4]

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Zu beachten sind darüber hinaus aus dem Anhang des UWG die Nr. 11, 21 und 22.

§ 5a IV 1 UWG | Irreführung durch Unterlassen
Unlauter handelt auch, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

1. Kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung

a. Grundsatz

Kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist der Werbecharakter, somit der zur Absatzförderung gerichtete Zweck der Handlung.[5]

Beispiele für Erscheinungsformen des kommerziellen Zwecks sind

  1. geschäftlicher Kontakt (beispielsweise kommerzieller Zweck einer Kontaktaufnahme, Meinungsumfrage oder einer Veranstaltung),
  2. Werbung (beispielsweise in redaktionellen Beiträgen oder durch Vortäuschen einer neutralen oder objektiven Berichterstattung),
  3. Schleichwerbung und Produktplatzierung sowie
  4. Sponsoring.

b. Ausnahmen nach § 5a IV 2, 3 UWG

Das Vorliegen eines kommerziellen Zwecks bei nicht unionsrechtlich geregelten geschäftliche Handlung zugunsten fremder Unternehmen wird von § 5a IV 2, 3 UWG eingeschränkt.

§ 5a IV 2, 3 UWG | Irreführung durch Unterlassen
2Ein kommerzieller Zweck liegt bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt. 3Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat.

Ziel der Ausnahme ist es, einen sicheren Rechtsrahmen für Empfehlungen von Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmer ohne Gegenleistung durch Influ­en­cern zu bieten.[6]

Auch bei einer Hoffnung auf eine Gegenleistung liegt kein kommerzieller Zweck vor, wobei das Vorliegen eines kommerziellen Zwecks nach § 5a IV 3 UWG vermutet wird. Der Handelnde muss die Vermutung des Vorliegens einer Gegenleistung in Form der Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO entkräftet.

Durch § 5a IV 2 UWG wird der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Tatbestand des § 5a IV 1 UWG bereits bzw. auch durch einen „werblichen Überschuss“ erfüllt ist, die Grundlage entzogen (str. für redaktionellen Inhalt und Werbung in der Presse) oder diese ist teleologisch zu reduzieren.[7]

2. Nichtkenntlichmachen

Der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung ist nicht kenntlich gemacht, wenn der kommerzielle Zweck nicht auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar ist, sofern sich dies nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt.[8]

Die Erkennbarkeit ist aus Sicht des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises.[9] Die Kenntlichmachung ist rechtzeitig, wenn sie zumindest unmittelbar vor der hierdurch bezweckten geschäftlichen Entscheidung erfolgt.[10]

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Angesichts der Alternativen (Kenntlichmachung und unmittelbare Erkennbarkeit) besteht keine Kenntlichmachungspflicht.[11]

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Der (sehr) strenge Maßstab der Rechtsprechung ist umstritten (bzw. sei nicht immer gerechtfertigt),[12] insbesondere da, Unternehmer in der Regel nicht altruistisch handeln und sich dieses Verhalten in der Regel aus den Umständen ergibt – wenn auch nicht unmittelbar, zweifelfrei und auf den ersten Blick.

3. Relevanz bzw. Kausalität des Nichtkenntlichmachens

Erforderlich ist, dass das „Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Erforderlich ist somit eine wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers i.S.d. § 2 I Nr. 11 UWG.

Die Relevanz liegt gegenüber (besonders schutzbedürftigen) Verbrauchern in der Regel vor, wobei alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen sind.[13]

BGH GRUR 2021, 1400 – Influencer I
Der nach § 5a VI UWG erforderliche Hinweis auf den kommerziellen Zweck […] muss so deutlich erfolgen, dass er aus der Sicht des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers, der zur angesprochenen Gruppe gehört, auf den ersten Blick und zweifelsfrei hervortritt. Der im Textteil eines in sozialen Medien veröffentlichten Beitrags erscheinende Hinweis auf den kommerziellen Zweck reicht regelmäßig nicht aus, um den kommerziellen Zweck eines auf der neben dem Text angeordneten Abbildung erscheinenden „Tap Tags“ als Werbung zu kennzeichnen.
Der kommerzielle Zweck eines [solchen] werblichen Beitrags einer Influencerin zugunsten eines Drittunternehmens ergibt sich nicht im Sinne des § 5a VI UWG unmittelbar aus dem Umstand, dass die Influencerin nicht nur zu rein privaten Zwecken, sondern auch zugunsten ihres eigenen Unternehmens handelt. Es reicht nicht aus, dass sich für die Adressaten aus den Umständen überhaupt eine kommerzielle Zweckverfolgung ergibt, sondern es muss jeder mit einem Kommunikationsakt verfolgte kommerzielle Zweck erkennbar sein.
Das Nichtkenntlichmachen des kommerziellen Zwecks eines die Verlinkung auf die Internetseite eines Drittunternehmens enthaltenden „Tap Tags“ ist regelmäßig geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung – das Anklicken des Links – zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Nachweise

[1] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.5, 4.10.

[2] BeckOK UWG/Ritlewski, 18. Ed. 1.10.2022, UWG § 5a Rn. 176.

[3] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.7, 4.8.

[4] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.16.

[5] Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, UWG § 5a Rn. 95.

[6] Vgl. BT-Drs. 19/27873, S. 34, wonach „[d]ie neue Regelung […] insbesondere einen sicheren Rechtsrahmen für Handlungen von Influencerinnen und Influencern bieten [soll], wenn diese Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen empfehlen, ohne davon selbst unmittelbar finanziell zu profitieren. Für solche Handlungen erscheint es unangemessen, eine Kennzeichnung als „kommerziell“ zu verlangen“.

[7] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.34 m.w.N.

[8] So z.B. BGH GRUR 2013, 644 (646 f., Rn. 21) – Preisrätselgewinnauslobung V zu § 4 Nr. 3 a.F., wonach es „bei der Beurteilung von redaktioneller Werbung am Maßstab des § 4 Nr. 3 UWG nicht allein darauf ankommt, ob der durchschnittliche Leser erst nach einer – analysierenden – Lektüre des Beitrags die werbliche Wirkung des Beitrags erkennt. Dies schließt es nämlich nicht aus, dass der Leser auf Grund der Zuordnung des Beitrags zum redaktionellen Teil einer Zeitschrift diesem überhaupt erst eine eingehendere Beachtung schenkt, weil er der irrigen Annahme unterliegt, es handele sich um eine unabhängige Äußerung der Redaktion. Aus diesem Grund muss für den Leser bereits auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel erkennbar sein, dass es sich der Sache nach um Werbung für den Hersteller des ausgelobten Produkts handelt. In diesem Zusammenhang genügt es nicht, dass der Verkehr die äußerst positive Beschreibung des Produkts erkennt. Er muss vielmehr sofort und zweifelsfrei erkennen, dass diese Beschreibung der Bewerbung des Produkts dient und nicht von der Redaktion verantwortet wird“.

[9] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.25.

[10] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.27.

[11] Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, UWG § 5a Rn. 96.

[12] So z.B. BeckOK UWG/Ritlewski, 18. Ed. 1.10.2022, UWG § 5a Rn. 222 f.

[13] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 5a Rn. 4.30.

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