03. Anspruch auf Schadensersatz nach § 9 UWG

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Nach § 9 UWG besteht bei fahrlässigen und vorsätzlichen unzulässigen geschäftlichen Handlungen ein Anspruch auf Schadensersatz. Mitbewerber sind nach § 9 I UWG aktivlegitimiert (A), während sich ein Anspruch von Verbrauchern nach § 9 II UWG ergeben kann (B). Nach § 9 III UWG besteht eine Haftungsbeschränkung für verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften auf eine vorsätzliche Zuwiderhandlung (C). Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch, erfordert ein Schadensersatzanspruch keine Prüfung einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr. Stattdessen sind ein Verschulden und Schaden erforderlich (vgl. A.3).

A. Schadensersatzanspruch von Mitbewerbern nach § 9 I UWG

Ein Schadensersatzanspruch von Mitbewerbern nach § 9 I UWG lässt sich nach folgendem Schema prüfen:

  1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 I Nr. 2 UWG
  2. Unzulässigkeit nach
    1. § 3 III UWG i.V.m. Anhang UWG
    2. § 3 I i.V.m. §§ 3a – 6 UWG
    3. § 7 I UWG
    4. § 3 I, II UWG
  3. Verschulden (§ 9 I 1 UWG) & kein Haftungsausschluss (§ 9 III UWG)
  4. Schaden (§§ 249 ff. BGB)
  5. Aktivlegitimation
  6. Passivlegitimation
  7. Einwendungen und Einreden (sofern Anhaltspunkte vorliegen), insb. Rechtsmissbrauch, Mitverschulden oder Verjährung (§ 11 UWG), Beweislast

1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 I Nr. 2 UWG

→ Hauptartikel: UWG-01.B.II. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 2 UWG)

Zunächst ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung notwendig, welches ein Verhalten einer natürlichen Person vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss erfordert, das zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens ist und objektiv der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient.

Probleme können sich bzgl. der richtlinienkonformen Reduktion des Begriffs der geschäftlichen Handlung im B2B-Verhältnis ergeben, sowie ggbf. dann, wenn Privatpersonen, die öffentliche Hand oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die mit Allgemeininteressen betraut sind (wie Krankenkassen), oder Influencer handeln.

Im Rahmen der objektiven Zurechnung ist zu vertraglichen Pflichtverletzungen wie Nicht- oder Schlechtleistung abzugrenzen, welche an sich keine geschäftliche Handlung darstellt, sowie ggbf. auf die Meinungsfreiheit bei Meinungsäußerungen oder redaktionellen Beiträgen einzugehen.

2. Unzulässigkeit

→ Hauptartikel: UWG-05 bis UWG-08

Weiter ist erforderlich, dass die geschäftliche Handlung unzulässig ist. Eine solche Unzulässigkeit kann sich ergeben aus:

  1. § 3 III UWG i.V.m. Anhang UWG [nur im B2C-Verhältnis],
  2. § 3 I i.V.m. §§ 3a – 6 UWG,
  3. § 7 I UWG oder
  4. § 3 I, II UWG.

3. Verschulden (§ 9 I 1 UWG) & kein Haftungsausschluss (§ 9 III UWG)

→ Hauptartikel: SchuldR-01.D. Vertretenmüssen, Verschulden & Mitverschulden (Platzhalter)

→ Hauptartikel: UWG-03.C. Haftungsausschluss nach § 9 III UWG

Der Schadensersatzanspruch erfordert vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln, somit Verschulden i.S.d. § 276 I BGB.

Probleme können in Hinblick auf die allgemeinen Voraussetzungen von Verschulden, insbesondere die Zurechnungsfähigkeit ergeben. Zudem sind Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe, sowie der Haftungsausschluss nach § 9 III UWG zu beachten.

Vorsatz ist das Wissen (sog. intellektuelles Element) und Wollen (sog. voluntatives Element) der Tatbestandsverwirklichung. Vorsätzlich handelt, wer das rechtlich geschützte Interesse eines anderen bewusst und gewollt verletzt.[1]

Fahrlässig handelt nach § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

4. Schaden & Schadensberechnung (§§ 249 ff. BGB)

Neben einem Verschulden setzt ein Schadensersatzanspruch das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens voraus. Mangels einer wettbewerbsrechtlichen Regelung der Art und Umfang des Schadensersatzes, gelten die §§ 249 ff. BGB und somit die Verpflichtung zur Wiederherstellung des Zustands beim Ausbleiben der schädigenden Handlung, die sog. Naturalrestitution (§ 249 I BGB). Der Schadensersatzanspruch umfasst nach § 252 BGB auch den Ersatz des entgangenen Gewinns.[2]

Ist die Naturalrestitution nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers ungenügend, ist nach § 251 I BGB Wertersatz in Geld geschuldet.

  !  

Die Möglichkeit der dreifachen Schadensberechnung (konkreter Schaden, angemessene Lizenzgebühr im Rahmen der sog. Lizenzanalogie oder Herausgabe des Verletzergewinns) besteht mit Ausnahme der Unlauterkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG nicht.

Die Beweislast für den Schadenseintritt und die -höhe, trägt der Anspruchssteller / Verletze, ihm kann jedoch die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugutekommen:

BGH GRUR 1993, 55 (59) – Tchibo/Rolex II
Das BerGer. hat auch zutreffend gesehen, daß das Verhältnis des für eine Erstattung in Betracht kommenden Gewinnanteils zum übrigen Gewinn nur im Wege der Schätzung ermittelt werden kann […] Es hat jedoch nicht hinreichend beachtet, daß in einem Fall der vorliegenden Art an die Voraussetzungen für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO, insbesondere auch an Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzungsgrundlagen, nur geringe Anforderungen zu stellen sind. […] Die objektiven Schadensberechnungsarten sind in der Rechtsprechung […] im Hinblick auf besondere Schutzbedürfnisse des Verletzten, insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeiten einer konkreten Schadensberechnung, entwickelt worden; sie sollen die Rechtsverfolgung des Geschädigten – auch aus Gründen der Billigkeit erleichtern. Soweit zu ihrer Ermöglichung Schätzungen gemäß § 287 ZPO erforderlich sind, gilt auch hier – und im Hinblick auf den Zweck der Berechnungsarten in erhöhtem Maße –, daß das Gericht durch diese Vorschrift hinsichtlich der Auswahl der Beweise und ihrer Würdigung freier gestellt ist und in den Grenzen eines freien Ermessens einen großen Spielraum erhält […]. Diesen Spielraum hat das BerGer. vorliegend nicht hinreichend ausgeschöpft. Steht – wie hier aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung – fest, daß der Schaden hier in der Form des herauszugebenden Verletzergewinns jedenfalls zu einem Teil durch die unlautere Nachahmung verursacht worden ist und läßt dieser Teil sich aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Geschädigten, sondern in der Natur der Sache liegen, nicht verläßlich bestimmen, so darf […] das Gericht dies nicht in vollem Maße zu Lasten des Geschädigten gehen lassen; vielmehr hat es im Wege der Schätzung jedenfalls einen Mindestschaden zu ermitteln […], sofern nicht ausnahmsweise auch für dessen Schätzung jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Ob diese [Schätzung] genau der Wirklichkeit entspricht, ist nicht maßgeblich […].

5. Aktivlegitimation

→ Hauptartikel zum Begriff des Mitbewerbers: UWG-01.B.IV. Mitbewerber (§ 2 I Nr. 4 UWG)

Aktivlegitimiert für den Schadensersatzanspruch nach § 9 I UWG ist ausschließlich der verletzte Mitbewerber, somit bei einer Unzulässigkeit nach

  1. § 4 Nr. 1 UWG der herabgesetzte Mitbewerber,
  2. § 4 Nr. 2 UWG der angeschwärzte Mitbewerber,
  3. § 4 Nr. 3 UWG der Hersteller, dessen Leistung nachgeahmt wird,
  4. § 4 Nr. 4 UWG der behinderte Mitbewerber,
  5. § 6 UWG, der Mitbewerber, mit dem verglichen wird und
  6. im sonstigen alle Mitbewerber, deren wettbewerblichen Interessen verletzt werden.[3]

  !  

Eine Aktivlegitimation für sonstige Marktteilnehmer besteht nicht, insbesondere nicht im Rahmen einer analogen Anwendung oder über den Um-weg über § 823 II BGB i.V.m. §§ 3 I, 4a, 5, 5a UWG. Ein Anspruch von Verbrauchern ergibt sich aus § 9 II UWG.[4]

6. Passivlegitimation

Passivlegitimiert und somit Schuldner des Schadensersatzanspruchs ist derjenige, der als Täter (Mit-, Nebentäter und mittelbarer Täter) oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) den Tatbestand des § 3 I oder § 7 UWG schuldhaft verwirklicht hat.

  !  

Da der Schaden bei einem „Mitbewerber“ eingetreten sein muss, ist ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Anspruchsteller / Gläubiger / Verletzter und Anspruchsgegner / Schuldner erforderlich.[5]

Juristische Personen und Personengesellschaften haften nach § 31 BGB für ihre verfassungsmäßigen Vertreter (sog. Organhaftung) und Repräsentanten, die Aufgaben der Gesellschaft selbstständig und eigenverantwortlich übernehmen (sog. Repräsentantenhaftung). Eine Haftung für Verrichtungsgehilfe besteht nur nach den allgemeinen Vorschriften des BGB.[6]

7. Einwendungen und Einreden, insb. Rechtsmissbrauch, Mitverschulden oder Verjährung (§ 11 UWG), Beweislast

→ Hauptartikel zu Einwendungen und Einreden im UWG: UWG-02.6 Einwendungen und Einreden

Der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs kann entgegenstehen

  1. eine Einwilligung,
  2. die Verjährung (§ 11 I UWG),
  3. der Einwand des Rechtsmissbrauchs, insbesondere in Form der Verwirkung des Anspruchs.

Zudem kann der Schadensersatzanspruch durch ein Mitverschulden ausgeschlossen oder gemindert sein, sofern kein vorsätzliches Handeln des Verletzers vorliegt.[7] Ein Mitverschulden in Form eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 II 1 BGB) kann vorliegen, wenn trotz Zumutbarkeit nicht abgemahnt oder aufgeklärt wird.[8]

Zu berücksichtigen ist zuletzt die Beweislastumkehr bei einer nach § 4 Nr. 2 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung.

B. Schadensersatzanspruch von Verbrauchern nach § 9 II UWG

Verbrauchern steht nach § 9 II UWG ein Schadensersatzanspruch bei fahrlässigen oder vorsätzlichen geschäftlichen Handlungen, die nach § 3 III UWG i.V.m. Anhang des UWG, mit Ausnahme der Nr. 32, § 3 I i.V.m. §§ 4a, 5, 5a UWG, § 7 I UWG oder § 3 I, II UWG unlauter sind.

Ein Schadensersatzanspruch von Verbrauchern nach § 9 II UWG lässt sich nach folgendem Schema prüfen:

  1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 I Nr. 2 UWG
  2. Unzulässigkeit nach
    1. § 3 III UWG i.V.m. Anhang UWG (ohne Nr. 32)
    2. § 3 I i.V.m. §§ 4a, 5, 5a UWG
  3. Veranlassung eines Verbrauchers zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hätte
  4. Verschulden (§ 9 I 1 UWG) & kein Haftungsausschluss (§ 9 III UWG)
  5. Schaden (§§ 249 ff. BGB)
  6. Aktivlegitimation
  7. Passivlegitimation
  8. Einwendungen und Einreden (sofern Anhaltspunkte vorliegen), insb. Rechtsmissbrauch, Mitverschulden oder Verjährung (§ 11 UWG), Beweislast

1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung i.S.d. § 2 I Nr. 2 UWG

→ Hauptartikel: UWG-01.B.II. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 2 UWG)

Zunächst ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung notwendig, welches ein Verhalten einer natürlichen Person vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss erfordert, das zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens ist und objektiv der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient.

Probleme können sich bzgl. der richtlinienkonformen Reduktion des Begriffs der geschäftlichen Handlung im B2B-Verhältnis ergeben, sowie ggbf. dann, wenn Privatpersonen, die öffentliche Hand oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die mit Allgemeininteressen betraut sind (wie Krankenkassen), oder Influencer handeln.

Im Rahmen der objektiven Zurechnung ist zu vertraglichen Pflichtverletzungen wie Nicht- oder Schlechtleistung abzugrenzen, welche an sich keine geschäftliche Handlung darstellt, sowie ggbf. auf die Meinungsfreiheit bei Meinungsäußerungen oder redaktionellen Beiträgen einzugehen.

2. Unzulässigkeit

→ Hauptartikel: UWG-05 bis UWG-06

Weiter ist erforderlich, dass die geschäftliche Handlung unzulässig ist. Eine solche Unzulässigkeit kann sich ergeben aus:

  1. § 3 III UWG i.V.m. Anhang UWG im B2C-Verhältnis mit Ausnahme der Nr. 32,
  2. § 3 I i.V.m. §§ 4a, 5, 5a UWG,

3. Veranlassung eines Verbrauchers zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls nicht getroffen hätte

→ Hauptartikel: UWG-01.B.I. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 I Nr. 1 UWG)

Erforderlich ist, dass der Verbraucher kausal und im konkreten Fall zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Beweislast der Kausalität zwischen der unlauteren Handlung und der geschäftlichen Entscheidung obliegt dem Verbraucher. Ebenfalls zwischen der geschäftlichen Entscheidung und dem Schaden muss ein Kausalitäts- und Zurechnungszusammenhang bestehen.[9]

4. Verschulden (§ 9 II 1 UWG) & kein Haftungsausschluss (§ 9 III UWG)

→ Hauptartikel: SchuldR-01.D. Vertretenmüssen, Verschulden & Mitverschulden (Platzhalter)

→ Hauptartikel: UWG-03.C. Haftungsausschluss nach § 9 III UWG

Der Schadensersatzanspruch erfordert vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln, somit Verschulden i.S.d. § 276 I BGB.

Probleme können in Hinblick auf die allgemeinen Voraussetzungen von Verschulden, insbesondere die Zurechnungsfähigkeit ergeben. Zudem sind Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründe, sowie der Haftungsausschluss nach § 9 III UWG zu beachten.

Vorsatz ist das Wissen (sog. intellektuelles Element) und Wollen (sog. voluntatives Element) der Tatbestandsverwirklichung. Vorsätzlich handelt, wer das rechtlich geschützte Interesse eines anderen bewusst und gewollt verletzt.[10]

Fahrlässig handelt nach § 276 II BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

5. Schaden & Schadensberechnung (§§ 249 ff. BGB)

Neben einem Verschulden setzt ein Schadensersatzanspruch das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens voraus. Mangels einer wettbewerbsrechtlichen Regelung der Art und Umfang des Schadensersatzes, gelten die §§ 249 ff. BGB und somit die Verpflichtung zur Wiederherstellung des Zustands beim Ausbleiben der schädigenden Handlung, die sog. Naturalrestitution (§ 249 I BGB). Der Schadensersatzanspruch umfasst nach § 252 BGB auch den Ersatz des entgangenen Gewinns.[11]

Ist die Naturalrestitution nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers ungenügend, ist nach § 251 I BGB Wertersatz in Geld geschuldet.

  !  

Die Möglichkeit der dreifachen Schadensberechnung (konkreter Schaden, angemessene Lizenzgebühr im Rahmen der sog. Lizenzanalogie oder Herausgabe des Verletzergewinns) besteht mit Ausnahme der Unlauterkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG nicht.

Die Beweislast für den Schadenseintritt und die -höhe, trägt der Anspruchssteller / Verletze, ihm kann jedoch die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugutekommen.[12]

6. Aktivlegitimation

→ Hauptartikel zum Verbraucherbegriff: UWG-01.B.XII. Verbraucher (§ 2 II UWG)

Aktivlegitimiert sind ausschließlich Verbraucher (§§ 2 II UWG i.V.m. § 13 BGB).

  !  

Eine Aktivlegitimation für sonstige Marktteilnehmer besteht nicht, insbesondere nicht im Rahmen einer analogen Anwendung oder über den Umweg über § 823 II BGB i.V.m. §§ 3 I, 4a, 5, 5a UWG.[13]

7. Passivlegitimation

Passivlegitimiert ist derjenige, der der als Täter (Mit-, Nebentäter und mittelbarer Täter) oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) den Tatbestand des § 3 III UWG i.V.m. Anhang UWG im B2C-Verhältnis, mit Ausnahme der Nr. 32 oder § 3 I i.V.m. §§ 4a, 5, 5a UWG, schuldhaft verwirklicht hat.

8. Einwendungen und Einreden, insb. Rechtsmissbrauch, Mitverschulden oder Verjährung (§ 11 UWG), Beweislast

→ Hauptartikel zu Einwendungen und Einreden im UWG: UWG-02.6 Einwendungen und Einreden

Der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs kann entgegenstehen

  1. eine Einwilligung
  2. die Verjährung (§ 11 I UWG),
  3. der Einwand des Rechtsmissbrauchs, insbesondere in Form der Verwirkung des Anspruchs

Zudem kann der Schadensersatzanspruch durch ein Mitverschulden ausgeschlossen oder gemindert sein. Zu berücksichtigen ist zuletzt die Beweislastumkehr bei einer nach § 4 Nr. 2 UWG unzulässigen geschäftlichen Handlung.

C. Haftungsausschluss nach § 9 III UWG

Nach § 9 III UWG kann ein Schadensersatzanspruch gegen „verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften […] nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden.“ Die Prüfung kann innerhalb des Prüfungspunkts „Verschulden (§ 9 I 1 UWG)“ im Rahmen des Schadensersatzanspruchs nach § 9 I und 9 II UWG erfolgen.

Ein Haftungsausschluss nach § 9 III UWG lässt sich nach folgendem Schema prüfen:

  1. Vorliegen einer periodischen Druckschrift (Privilegierte Medien)
  2. Unlautere Handlung der „verantwortlichen Person“ (Privilegierter Personenkreis & Verhalten)
  3. Keine vorsätzliche Zuwiderhandlung der verantwortlichen Person

1. Vorliegen einer periodischen Druckschrift

Für die Anwendbarkeit des Haftungsausschlusses ist zunächst das Vorliegen einer periodischen Druckschrift erforderlich.

Eine periodische Druckschrift sind Zeitungen, Zeitschriften und sonstige auf wiederkehrendes, jedoch nicht notwendig regelmäßiges Erscheinen angelegte Druckwerke,[14] die zumindest alle sechs Monate erscheinen (vgl. Art. 6 II BayPrG).

  i  

Die Privilegierung und Begrenzung auf mindestens halbjährlich erscheinende Druckschriften, liegt in dem typischerweise bestehenden zeitlichen Druck.[15]

Auf sonstige Medien findet die Haftungsbeschränkung analoge Anwendung, sofern sie vom Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 I 1 GG9 erfasst sind. Hierzu zählen beispielsweise

  1. Internetseiten,
  2. Rundfunk oder
  3. Teletext.[16]

Vom Haftungsausschluss erfasst sind neben redaktionellen Inhalten auch Anzeigen.[17]

2. Unlautere Handlung der „verantwortlichen Person“

Vom Haftungsausschluss privilegiert ist ausschließlich die „verantwortliche“ Person, somit die Person, die eine lauterkeitsrechtliche Haftung treffen kann. Hierzu zählen insbesondere

  1. Redakteure,
  2. Verleger
  3. Herausgeber
  4. Verbreiter und Drucker sowie
  5. Setzer der Druckschrift[18]

Der Gesetzgeber hat von einer Aufzählung wie in § 13 VI Nr. 1 S. 1 UWG 1909 abgesehen.

Aufgrund des Vorrangs des Wettbewerbsschutzes ist der Haftungsausschluss ausgeschlossen, wenn

  1. die verantwortliche Person aktiv den Inhalt, somit nicht nur die Gestaltung bzw. das äußere Erscheinungsbild mitgestaltet hat,
  2. die verantwortliche Person Einfluss auf den Inhalt genommen hat oder diesen provoziert haben, oder
  3. Eigenwerbung, Schleichwerbung oder getarnte Werbung vorliegt.[19]

3. Keine vorsätzliche Zuwiderhandlung der verantwortlichen Person

Der Haftungsausschluss schließt einen Schadensersatzanspruch nach § 9 I UWG und § 9 II UWG aus, sofern keine vorsätzliche Zuwiderhandlung vorliegt.

  !  

Die vorsätzliche Zuwiderhandlung liegt in der vorsätzlich unterbliebenen Kontrolle des fremden Textes auf wettbewerbswidrigen Inhalt.[20]

4. Beweislast

Die Beweislast für den Haftungsausschluss obliegt mit Ausnahme des Vorsatzes demjenigen, der sich darauf beruft.

5. Analoge Anwendung im Immaterialgüterrecht

Umstritten ist eine analoge Anwendung des Haftungsausschlusses auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Immaterialgüterrechten, insbesondere Urheber- oder Markenrechtsverletzungen in Werbeanzeigen. Während hierfür eine vergleichbare Interessenlage spricht, könnte der Ausnahmecharakter von § 9 III UWG dagegensprechen.[21]

D. Nachweise

[1] BGH NJW 2009, 681 (684 Rn. 30) – Schneeballwurf, vgl. ergänzend BeckOK BGB/Lorenz, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 276 Rn. 10 m.w.N.

[2] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 16.

[3] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 12.

[4] Ausführlich unter Bezugnahme der Intention des Gesetzgebers Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 1.0.

[5] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 1.3.

[6] Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 14 f.

[7] Ausführlich Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 21, Fezer/Büscher/Obergfell/Koos, 3. Aufl. 2016, UWG § 9 Rn. 18 f.

[8] Vgl. BGH GRUR 1979, 421 (423) – Exdirektor.

[9] Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 42 ff.

[10] BGH NJW 2009, 681 (684 Rn. 30) – Schneeballwurf, vgl. ergänzend BeckOK BGB/Lorenz, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 276 Rn. 10 m.w.N.

[11] Vgl. Ohly/Sosnitza/Ohly, 8. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 16.

[12] Vgl. BGH GRUR 1993, 55 (59) – Tchibo/Rolex II, zitiert unter UWG-03.A.4.

[13] Ausführlich unter Bezugnahme der Intention des Gesetzgebers Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 1.0.

[14] So BT-Drs. 15/1487, S. 23.

[15] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 3.13.

[16] Ausführlich zur analogen, jedoch auch einschränkenden Auslegung MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 9 Rn. 118 m.w.N.; a.A. für den Rundfunk Fezer/Büscher/Obergfell/Koos, 3. Aufl. 2016, UWG § 9 Rn. 40.

[17] Vgl. z.B. BGH GRUR 1990, 1012 (1013, unter I) – Pressehaftung, wo jedoch die Haftungsbeschränkung des § 9 III (§ 13 IV Nr. 1 S. 2 UWG 1909) aufgrund der Beschränkung auf den Irreführungstatbestand keine Anwendung fand.

[18] Vgl. z.T. die Aufzählung in § 13 VI Nr. 1 S. 2 UWG 1909, MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 9 Rn. 117.

[19] Fezer/Büscher/Obergfell/Koos, 3. Aufl. 2016, UWG § 9 Rn. 41 m.w.N.

[20] Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 9 Rn. 3.16.

[21] Für eine analoge Auslegung MüKoUWG/Fritzsche, 3. Aufl. 2022, UWG § 9 Rn. 121 m.w.N.

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