Fall 5 – Prelaunch-Activities (OLG Frankfurt a. M. GRUR-RR 2023, 139)

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beruht auf OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.08.2022 – 6 U 56/22

§ 2 I Nr. 1, 2, 4 UWG | § 3 I UWG | § 5 I UWG | § 8 I, III UWG

Unterlassungsanspruch | Geschäftliche Entscheidung | Geschäftliche Handlung | Mitbewerbereigenschaft | Abgrenzung Tun und Unterlassen | Angesprochener Verkehrskreis | Verhältnismäßigkeit einer Irreführung | Passivlegitimation | Täterschaft von Plattformbetreibern | Wettbewerbsrechtliche Verkehrspflichten

Sachverhalt

K entwickelt, produziert und vertreibt Medikamente auf dem deutschen Markt. Sie ist Inhaberin des ergänzenden Schutzzertifikates für das Medikament M mit Geltung bis zum 01.04.2022.[1]

Das Medikament M unterliegt aufgrund seiner Wirkung besonderen Vertriebsbeschränkungen und wird nur unter strengen Voraussetzungen gegen besonderes Rezept abgegeben und die Abgabe eines anderen, wirkstoffgleichen Medikaments durch Apotheker (sog. aut-idem-Abgabe) ist nur nach Rücksprache mit dem ausstellenden Arzt möglich.

S vertreibt Generika und ist Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung für das Medikament G, das geschützte Merkmale des Medikaments M erfüllt. Zwischen K und S besteht eine (wirksame) vertragliche Vereinbarung, wonach S das Generika G ab dem 01.01.2022 in den Verkehr bringen darf und wonach auch sog. „prelaunch-activities“ erlaubt sind.

B ist die gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker in der Bundesrepublik Deutschland. Sie vergibt Medikamenten die Pharmazentralnummer (PZN) und führt eine Datenbank mit wirtschaftlichen und rechtlichen Daten über Arzneimittel und apothekenübliche Waren. Diese Datenbank ist Grundlage aller deutschen Arzt- und Apotheken-Softwaresysteme, die jedoch um weitere „Module“ erweitert werden können. Dies ist insbesondere bei einer Mehrzahl der Apotheken-Softwaresysteme und teilweise bei Arzt-Softwaresystemen der Fall, die durch die (fremde) Erweiterung beispielsweise die aktuelle Verfügbarkeit oder Einnahme- und Indikationshinweise angeben können.

Am 27.10.2021 teilt B der K mit, dass sie das Generika G der S zum nächstmöglichen Datum, dem 15.11.2021 in ihrer Datenbank als „Im Vertrieb“ listen wird. B definiert „Im Vertrieb“ als:

„Ein Artikel mit Status im Vertrieb ist im Markt tatsächlich erhältlich und wird vom Anbieter vertrieben.“

Darüber hinaus besteht nach den Richtlinien der B bei „vorübergehende[n] Lieferschwierigkeiten und Liefereinstellungen kein Anlass für eine Statusmeldung außer Vertrieb“.

Mit Schreiben vom 02.11.2021 informiert K die B über den bestehenden Patentschutz und S bestätigt, dass eine Lieferung des Generika G nicht vor dem 01.01.2022 mög­lich ist und die Listung des Generika G gegen die Richtlinien der B verstoße und irreführend sei.

Nachdem B das Generika G zum 15.11.2021 als „im Vertrieb“ listet, erreicht B als Antragstellerin mit S als Streithelferin gegen B als Antragsgegnerin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Frankfurt a. M., wonach B es zu unterlassen hat, das Generika G vor dem 01.01.2022 in ihrer Datenbank als „im Vertrieb“ zu führen und/oder aufzuführen. Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch bestätigt das Landgericht durch Urteil vom 09.02.2022 (6 O 297/21) die einstweilige Verfügung.

Hiergegen wendet sich B mit ihrer Berufung und verfolgt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung und die Zurückweisung des auf den Erlass gerichteten Antrags. Zwischen ihr (B) und K bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, sodass es bereits an der Aktivlegitimation der K fehle. Selbst wenn ein solches bestehen würde, würde B nicht haften. Die Prüfung der Verkehrsfähigkeit der Artikel und der „Wahrheit“ der gemeldeten Daten, obliege nach den vertraglichen Vereinbarungen mit den Medikamentenanbietern (hier der S) diesen. B sei dazu nicht in der Lage. Auch eine Irreführung läge nicht vor, da die Mehrheit der auf dem Markt erhältlichen Endbenutzer-Software jeweils der Lagerbestand anzeigen würden und somit für den Endbenutzer erkennbar sei, dass das Medikament der S nicht lieferbar sei.

K beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hat die zulässige Berufung Aussicht auf Erfolg?

Gliederung

  1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung
  2. Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG
  3. Wiederholungsgefahr
  4. Aktivlegitimation der K
  5. Passivlegitimation der B

Lösungsvorschlag

→ Hauptartikel:  UWG-02. Unterlassungsanspruch

Die zulässige Berufung der B hat Erfolg, wenn kein Unterlassungsanspruch der K gegen die B besteht.

I. Geschäftliche Handlung

→ Hauptartikel:  UWG-01.B.II. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 2 UWG)

Für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des UWG ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung erforderlich.

Nach § 2 I Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchsetzung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.

Zunächst müsste die Listung des Generika G ein Verhalten einer natürlichen Person darstellen, somit von einem natürlichen Handlungswillen getragen sein. Vorliegend kann dem Sachverhalt nicht entnommen werden, ob die Listung als in Vertrieb durch einen Mitarbeiter der B oder automatisiert aufgrund der sog. „prelaunch-activities“ der S geschieht. Unabhängig hiervon liegt jedoch ein Verhalten einer natürlichen Person, da auch die automatisierte Listung als „in Vertrieb“ auf das Verhalten einer natürlichen Person, nämlich der Einrichtung des Automatismus zurückgeführt werden kann, die von einem natürlichen Handlungswillen getragen ist. Es liegt ein Verhalten einer natürlichen Person vor.[1]

Dieses Verhalten ist zugunsten der S, somit zugunsten eines fremden Unternehmens erfolgt.

Weiter müsste die Listung als „in Vertrieb“ im objektiven Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen stehen. Die Listung als Vertrieb zeigt erst das Generika G neben dem Produkt M an und ermöglicht objektiv und unmittelbar dessen Absatz.

Es liegt eine geschäftliche Handlung zugunsten der S vor.[3]

II. Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung nach § 3 I UWG i.V.m. 5 I UWG

→ Hauptartikel:  UWG-06.G. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG

Ein Unterlassungsanspruch nach § 8 I UWG erfordert eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung. Eine Unzulässigkeit der Listung als „in Vertrieb“ kann sich aus § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG ergeben, wenn die Listung als „in Vertrieb“ eine Angabe darstellt, die geeignet ist, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die diese andernfalls nicht getroffen hätten.[4]

1. Vorliegen einer Angabe

Bei der Listung als „im Vertrieb“ muss es sich um eine objektiv wahre oder objektiv unwahre Tatsachenbehauptung handeln. Tatsachenbehauptungen sind Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist.

Nach der Definition der Listung „im Vertrieb“ als einen „im Markt tatsächlich erhältlich[en] und […] vom Anbieter vertrieben[en]“ Artikel bezieht sich die Angabe auf den dem Wahrheitsbeweis zugänglichen Zustand des Vertriebs des Medikaments und der tatsächlichen Erhältlichkeit.

Eine Angabe liegt vor.

2. Irreführung

Eine Angabe ist irreführend i.S.d. § 5 UWG, wenn sie beim angesprochenen Verkehrskreis die Wirkung einer unzutreffenden Angabe erzeugt. Hierfür muss das Verständnis des maßgeblichen Verkehrskreises nicht mit der Realität übereinstimmen.

a. Der maßgebliche Verkehrskreis

Das Generika G wird in der Datenbank der B als „Im Vertreib“ gelistet und somit auch in den Arzt- und Apotheken-Softwaresystemen, sodass sich die Angabe grundsätzlich an Ärzte und Apotheker richtet.

Da das Generika G wie auch das Medikament M wegen seiner Wirkung besonderen Vertriebsbeschränkungen unterliegt, ist der maßgebliche Verkehrskreis möglicherweise enger zu ziehen und zwischen Ärzten und Apotheker zu differenzieren. Nur Ärzte können den Wirkstoff verschreiben, sodass sie (Teil des) maßgeblichen Verkehrskreises sind. Apotheker können zwar weder das Medikament verschreiben noch im Wege einer aut-idem-Abgabe von dem Rezept abweichen und ein anderes, wirkstoffgleiches Medikament herausgeben, sie können jedoch basierend auf den Ergebnissen in der Datenbank unter Rücksprache mit dem ausstellenden Arzt ein anderes Medikament herausgeben, sodass auch Apotheker zu dem maßgeblichen Verkehrskreis gehören.

Da potenzielle Nutzung von Erweiterungen ändert nicht den maßgeblichen Verkehrskreis, da sie die Angabe „Im Vertrieb“ nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen.[5]

b. Verständnis des durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksameren Verkehrsteilnehmers

Sowohl aus der Sicht von Ärzten als auch von Apothekern ist ein Medikament, das als „Im Vertrieb“ gelistet ist, zumindest mit Ausnahme von vorübergehenden Lieferschwierigkeiten und -einstellungen tatsächlich erhältlich.

Dieses Verständnis könnte jedoch die Angabe der aktuellen Verfügbarkeit/Lagerbestände in Form von Erweiterungen modifiziert werden. Unabhängig davon, welchem Einfluss einem Widerspruch zwischen der Angabe der B „Im Vertrieb“ und einer fehlenden Verfügbarkeit nach Dritten, zukommt, ist zu berücksichtigten, dass nach dem Sachverhalt nicht alle Ärzte und Apotheker diese Erweiterungen nutzen, sondern nur eine Mehrheit der Apotheken-Softwaresysteme und teilweise Arzt-Softwaresysteme.

Nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verkehrsteilnehmers ist ein Medikament tatsächlich und mit Ausnahme von vorübergehenden Lieferschwierigkeiten bzw. -einstellungen verfügbar.[6]

c. Kein Übereinstimmen mit der Realität

Da S ihr Generika G erst zum 01.01.2022 in den Vertrieb bringt, stimmt dieses Verständnis nicht mit der Realität überein.

3. Relevanz der Irreführung

Aufgrund des patentrechtlichen Schutzes des Medikaments ist mangels abweichender Angaben im Sachverhalt davon auszugehen, dass das Medikamente M, das einzige verfügbare Medikament mit dem Wirkstoff ist, sodass ein Arzt, der in der Datenbank auf das Generika G stößt, dieses im Vertrauen auf die Angabe „Im Vertrieb“ statt das Medikament M verschreiben könnte.

Die Listung als „Im Vertrieb“ ist daher geeignet Ärzte und Medikamente im Rahmen der Lieferung eines wirkstoffgleichen Medikaments zu einer Entscheidung zu veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.[7]

Für eine Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG ist jedoch erforderlich, dass Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden. Nach § 2 I Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Entscheidung jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen dieser ein Geschäft abschließt, eine Zahlung leistet, eine Ware oder Dienstleistung behaltet oder abgibt oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will und dies unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer tatsächlich tätig wird.

Im vorliegenden Fall treffen jedoch Verbraucher keine eigene Entscheidung, denn die Diagnose und die Verschreibung obliegt – insbesondere angesichts der Wirkweise des Medikaments M und des Generika G – dem behandelnden Arzt und nicht einmal dem Apotheker. Da dieser jedoch für den Verbraucher die Entscheidung der Nutzung, somit des Erwerbs des Medikaments trifft, liegt im Ergebnis eine geschäftliche Entscheidung des Arztes für den Verbraucher vor.[8]

Die Irreführung ist relevant.[9]

4. Zwischenergebnis

Die Listung als „Im Vertrieb“ ist nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG eine unzulässige geschäftliche Handlung.

III. Wiederholungsgefahr

→ Hauptartikel:  UWG-02.3. Wiederholungsgefahr (§ 8 I 1 Alt. 2 UWG)

Weitere Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist, dass eine Wiederholungsgefahr besteht. Diese wird widerleglich vermutet. Gegen eine Wiederholungsgefahr spricht vorliegend, dass das Generika G inzwischen tatsächlich in Vertrieb ist. Dies allein hebt jedoch die Gefahr zukünftiger gleichartiger Rechtsverletzungen nicht auf, sodass die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht widerlegt wurde.[10]

IV. Aktivlegitimation der K

→ Hauptartikel:  UWG-02.4. Aktivlegitimation (§ 8 III Nr. 1 – 4 UWG, § 8a UWG)

→ Hauptartikel zum Mitbewerberbegriff:  UWG-01.B. IV. Mitbewerber (§ 2 I Nr. 4 UWG)

Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs erfordert die Aktivlegitimation der K, die sich vorliegend lediglich aus § 8 III Nr. 1 UWG ergeben kann. Hierfür müsste B Mitbewerber der K sein.

Nach § 2 I Nr. 4 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.

Vorliegend entwickelt, produziert und vertreibt Medikamente auf dem deutschen Markt, während B (unter anderem) eine Datenbank mit wirtschaftlichen und rechtlichen Daten über Arzneimittel und apothekenüblichen Waren führt. Zwischen K und B besteht daher kein direktes Wettbewerbsverhältnis.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die geschäftliche Handlung der B den Absatz von Waren der S begünstigt und die S Generika vertreibt, sodass zwischen K und S ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. Nach der Rechtsprechung besteht ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis zu einem dritten Unternehmen, das zugunsten eines Mitbewerbers, somit einem Unternehmen mit einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Geschädigten, handelt.

Dies begründet die Aktivlegitimation der K als „Mitbewerber“ nach § 8 III Nr. 1 UWG.

V. Passivlegitimation der B

→ Hauptartikel:  UWG-02.5. Passivlegitimation

Zuletzt müsste B passivlegitimiert sein. Passiv­le­gi­ti­miert ist grundsätzlich derjenige, der die unzulässige geschäftliche Handlung begeht. Dann, wenn Angaben Dritter, hier die Verfügbarkeit von Medikamenten, wiedergegeben werden, ist das Vorliegen der Passivlegitimation problematisch und danach zu differenzieren, ob Angaben Dritter zu eigen gemacht werden oder nur wiedergegeben werden. Angaben Dritter werden zu eigen gemacht, wenn der zurechenbare Anschein erweckt wird, sich mit den fremden Inhalten zu identifizieren oder hierfür Verantwortung zu übernehmen. Vorliegend sind solche Anzeichen nicht erkennbar und es erscheint fernliegend, dass B die Verantwortung, für die in ihrer Datenbank gesammelten Informationen aller in Deutschland vertriebenen Medikamente übernimmt. Folglich hat B sich die Angaben nicht zu eigen gemacht.

Werden Angaben Dritter wiedergegeben, bestehen wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, insbesondere in Form von Überwachsungspflichten, Eingreifpflichten und Prüfungspflichten. Diese unterliegen der Gren­ze der Zumutbarkeit. Da B jedoch vorliegend vor der Vornahme der Listung als „Im Vertrieb“ sowohl von K als auch von S über die Verfügbarkeit des Medikaments informiert wurde, hat B durch die Listung als „Im Vertrieb“ ihre Prüfungspflichten verletzt und haftet für den Verstoß.[11] B ist passivlegitimiert.[12]

VI. Ergebnis

Da die K die B auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann, ist die Berufung nicht begründet und als solche zurückzuweisen.

Ergänzende Hinweise

[1] Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurde die Rolle der Parteien vereinfacht und Daten angepasst.

[2] Auf diese Aspekte geht das OLG Frankfurt a. M. nicht ein, da vermutlich das Handeln eines Mitarbeiters feststand.

[3] Im Ausgangsfall beruft sich die Beklagte darauf, dass sie keine Absicht hat den Wettbewerb der S zu fördern und daher keine geschäftliche Handlung vorliegt. Hierzu führt das OLG Frankfurt a. M. aus: „Anders als die ‚Wettbewerbshandlung‘ im UWG 2004 setzt die geschäftliche Handlung jedoch auch dann, wenn man für den ‚objektiven Zusammenhang‘ ein Ziel der Handlung zur Beeinflussung der Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer verlangt, eine Wettbewerbsförderungsabsicht nicht voraus. Der Gesetzesbegründung (Begr. RegE UWG 2008 zu § 2, BT-Drs. 16/10145, 20 f.) ist zu entnehmen, dass es auf einen ‚finalen Zurechnungszusammenhang‘ nicht mehr ankommen soll, womit offensichtlich das Erfordernis einer Wettbewerbsförderungsabsicht gemeint ist. Auch lässt sich die wesentliche Funktion dieses Kriteriums, nämlich Handlungen mit anderen als geschäftlichen Zielsetzungen aus dem Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts auszunehmen, durch objektive Kriterien gewährleisten. Daher ist für den Tatbestand der geschäftlichen Handlung eine Wettbewerbsförderungsabsicht entbehrlich“.

[4] Im Ausgangsfall verneint das OLG Frankfurt a. M. zunächst, dass der von der Antragstellerin definierte Streitgegenstand der auf § 5a UWG gestützten Entscheidung des Landgerichts nicht entgegensteht, grenzt dann zwischen Unterlassen und Tun ab, stellt fest, dass es sich hierbei um eine „reine Rechtsfrage [handelt], die der Senat zu entscheiden hat“ und prüft anschließend eine Unlauterkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG.

[5] Hierzu führt das OLG Frankfurt a. M. aus: „Angesprochene Verkehrskreise sind hier nur Fachkreise, und zwar Apotheker und Ärzte. Dass diese die Informationen aus der Clearingstelle1-Liste überwiegend nicht direkt erhalten, sondern nur die Software mit den Daten gespeist wird, ist irrelevant. Entscheidend ist, dass die Daten unverändert – unverändert – weitergereicht werden und so die Fachkreise erreichen“.

[6] Zu diesem Ergebnis kommt auch das OLG Frankfurt a. M. und geht auch darauf ein, ob auch nicht verkehrsfähige Medikamente in der Datenbank erwartet werden würde, verneint dies aber, weil dies „den Wert der Datenbank nämlich ganz erheblich reduzieren [würde], z.B. durch einen Blick in die Datenbank sicherstellen zu können, dass ein Patient mit einem dort eingetragenen Medikament auch tatsächlich versorgt werden kann“ und geht anschließend auf hier ausgeklammerte Besonderheiten der Datenbank ein.

[7] Darüber hinaus geht das OLG Frankfurt a. M. darauf ein, ob es der Eignung entgegensteht, dass das Medikament tatsächlich nicht geliefert werden kann und verneint dies in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH.

[8] Auch das OLG Frankfurt a. M. stellt eine geschäftliche Entscheidung fest, weil im „Verhältnis Patient-Arzt-Krankenkasse-Apotheke […] der Arzt durch die Verordnung die initiale Entscheidung dafür [trifft], dass eine spätere Abgabe des Medikaments überhaupt zustande kommt. Ohne seine Verschreibung kommt es zu keinem Geschäft.“

[9] Zudem prüft das Frankfurt a. M., ob Verhältnismäßigkeitsaspekte, insbesondere ob die Irreführung „für die Verbraucherentscheidung letztlich nur von geringem Gewicht ist und schutzwürdige Interessen des auf Unterlassung in Anspruch Genommenen entgegenstehen“ und verneint dies mangels Vergleichbarkeit zur Rechtsprechung des BGH. Da der Lösungsvorschlag bereits auf den patentrechtlichen Schutz, M als einzig verfügbares Medikament eingeht und die Relevanz aus Sicht eines Arztes beurteilt, geht sie nicht auf die Verhältnismäßigkeit aus Sicht von Verbrauchern ein.

[10] Hierzu führt das OLG Frankfurt a. M. aus: „Generell gilt, dass eine nur tatsächliche Veränderung der Verhältnisse die Wiederholungsgefahr nicht berührt, solange nicht auch jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist; sie entfällt nicht schon dann, wenn ein Wiedereintreten völlig gleichgearteter Umstände nicht zu erwarten ist […]. Die Beendigung eines rechtswidrigen Zustandes allein (z.B. Ablauf befristeter Verkaufsförderungsmaßnahme) lässt die Wiederholungsgefahr unberührt, weil sie allein keine Gewähr dafür bietet, dass der Schuldner nicht erneut eine gleichartige Rechts- oder Wettbewerbsverletzung begehen wird“.

[11] Das OLG Frankfurt a. M. geht ausführlich auf die wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichten angesichts des „äußerst billigenswertes Geschäftsmodell[s]“ der Antragsgegnerin B im „Interesse aller Marktteilnehmer“ ein und stellt fest, dass diese „zu einer umfassenden rechtlichen Prüfung nicht in der Lage“ ist. Der Lösungsvorschlag geht angesichts des eindeutigen Hinweises auf die Verfügbarkeit hierauf nicht ein. Zu letzterem führt das OLG Frankfurt a. M. aus: „Bei dieser Sachlage musste die Antragsgegnerin wissen, dass eine tatsächliche Lieferbarkeit des Medikaments der Streithelferin nicht vor dem [01.01.2022] bestand. Sie hatte damit ausreichende unstreitige Informationen vorliegen um beurteilen zu können, dass die Angabe ‚im Vertrieb‘ irreführend war. Damit liegt eine Verletzung der Prüfpflichten vor, die eine Haftung der Antragstellerin begründet“.

[12] Im Ausgangsfall beruft sich die Antragsgegnerin auf die „Störerhaftung“, an deren Stelle in BGH GRUR 2007, 890 die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten getreten ist.

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