Fall 4 – SCHUFA-Bonitätsauskunft (OLG Dresden GRUR-RR 2023, 94)

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beruht auf OLG Dresden, Urt. v. 15.11.2022 – 14 U 849/22

§ 2 I Nr. 2, 4 UWG | 3 I UWG | § 5 III Nr. 1 UWG | § 8 I UWG

Unterlassungsanspruch | Produktverwechslungsgefahr | Herkunftstäuschung | Vorrang des Markenrechts

Sachverhalt

B ermöglicht es auf seiner Webseite den Versand einer Aktenkopie nach Art. 15 DSGVO bei der K zu beantragen und bewirbt dies mit den Angaben „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“ und „Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“. Das hierdurch bei der K beantragte Dokument beinhaltet eine Auflistung aller von der K gespeicherten Informationen über den Besteller und dessen „Basisscore“. Der Sternchenhinweis befindet sich in der Fußzeile der Internetseite der B und beinhaltet folgende Aussage: „*Die Auskunft enthält alle Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO und ist zur privaten oder geschäftlichen Verwendung gegenüber Dritten geeignet. Wir empfehlen, Inhalte die je nach Zweck nicht weitergegeben werden sollen, zu schwärzen“. Während dem Bestellprozess folgt die Aussage „Die Auskunft enthält alle Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO“.

K selbst bietet neben der gesetzlichen Aktenkopie seit ca. 10 Jahren unter der Produktbezeichnung „SCHUFA-BonitätsAuskunft“ ein eigenes Produkt an. Abweichend von der Aktenkopie sind die Daten der „SCHUFA-BonitätsAuskunft“ für eine Fremdvorlage zweckgebunden aufbereitet und beinhalten einen Verifizierungscode zur Überprüfung in Hinblick auf die Fälschungssicherheit.

Nach einer erfolglosen Abmahnung begehrt K mit ihrer zulässigen Klage Unterlassung der Online-Bestellmöglichkeit für den Versand von Auskunftsverlangen nach Art. 15 DSGVO mit der Angabe

„SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“

und / oder

„Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“

zu bewerben.

Hat die Klage der K Aussicht auf Erfolg?

Gliederung

  1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung
  2. Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG
  3. Wiederholungsgefahr
  4. Aktivlegitimation der K
  5. Passivlegitimation des B

Lösungsvorschlag

→ Hauptartikel:  UWG-02. Unterlassungsanspruch

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, wenn der K gegen den B ein Unterlassungsanspruch zusteht, wofür erforderlich ist, dass in der Angabe des B (1.) eine geschäftliche Handlung liegt, die (2.) irreführend ist, (3.) Wiederholungsgefahr besteht und (4.) K aktiv- und (5.) B passivlegitimiert ist.

1. Vorliegen einer geschäftlichen Handlung

→ Hauptartikel:  UWG-01.B.II. Geschäftliche Handlung (§ 2 I Nr. 2 UWG)

Grundvoraussetzung ist das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung. Nach § 2 I Nr. 2 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.

Die Angaben „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“ und „Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“ bewerben die Dienstleistung des B und dienen somit unmittelbar der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen vor Geschäftsschluss zugunsten des eigenen Unternehmens.

2. Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG

→ Hauptartikel:  UWG-06.G. Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 I UWG

Erforderlich ist die Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung, die sich vorliegend aus § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG ergeben kann, wenn durch die Vermarktung der Dienstleistung des B eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Dienstleistung hervorgerufen wird.

a. Verwechslungsgefahr

Eine Verwechslungsgefahr besteht, wenn sich eine Angabe nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verkehrsteilnehmers des maßgeblichen Verkehrskreises auf ein konkretes Produkt bezieht, dieses Verständnis mit der Realität nicht übereinstimmt und diese Diskrepanz nicht aufgeklärt wird.[1]

aa. Maßgeblicher Verkehrskreis

Maßgeblicher Verkehrskreis ist derjenige Verkehrskreis, der durch die Angabe des B angesprochen wird. Die Angaben „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“ und „Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“ richten sich an alle Verbraucher, die eine Bonitätsauskunft benötigen – unabhängig davon, für welchen Zweck einer solcher erforderlich ist, sodass alle Verbraucher den maßgeblichen Verkehrskreis bilden.[2]

bb. Verständnis des durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verkehrsteilnehmers

Aus der Sicht eines durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verkehrsteilnehmers erhält dieser eine Bonitätsauskunft wie sie von der K erteilt wird. Aufgrund der Rolle der K im Rahmen aller möglichen Kredit- und Finanzierungsgeschäfte erwartet der Durchschnittsverbraucher die Angabe des „Basisscore“, die für das Geschäft erforderlichen Daten und eine Möglichkeit für den Empfänger des Bonitätsnachweises diese Daten zu legitimieren.[3]

cc. Kein Übereinstimmen mit der Realität

Die von dem B gelieferte Aktenkopie enthält alle von der K gespeicherten Daten, darunter auch den „Bassiscore“, sodass diesbezüglich das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers mit der Realität übereinstimmt.

In Hinblick auf die enthaltenen Daten enthält die Aktenkopie mehr als der Durchschnittsverbraucher erwartet, da alle von der K gespeicherten Daten und nicht nur die für das konkrete Geschäft erforderlichen Daten enthalten sind, sodass diesbezüglich das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers von der Realität abweicht. Zudem beinhaltet die Aktenkopie entgegen der Erwartung des Durchschnittsverbrauchers auch keine Möglichkeit, die Daten zu legitimieren.

dd. Keine Ausräumung durch aufklärenden Hinweis

Zwar stimmt das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers nicht mit der Realität überein, jedoch könnte der Sternchenhinweis vor und der Hinweis während der Beantragung und die unterschiedliche Bezeichnung der Produkte dies ausräumen.

(1) Sternchenhinweis

Ergänzend zu den Angaben „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“ und „Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“ befindet sind in der Fußzeile der Webseite der Hinweis „*Die Auskunft enthält alle Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO und ist zur privaten oder geschäftlichen Verwendung gegenüber Dritten geeignet. Wir empfehlen, Inhalte die je nach Zweck nicht weitergegeben werden sollen, zu schwärzen”. Ein Durchschnittsverbraucher müsste den Sternchenhinweis zunächst wahrnehmen. Hiergehen spricht bereits, dass sich das Sternchen jeweils mitten im Wort und die Aufklärung in der Fußzeile der Webseite befindet. Sucht ein Besteller nicht aktiv nach dem Sternchen, nimmt er dieses nicht wahr.[4]

(2) Hinweis während Bestellvorgang

Das Verständnis des Verbrauchers in Hinblick auf die enthaltenen Daten könnte während dem Bestellprozess mit dem Hinweis „Die Auskunft enthält alle Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO“ korrigiert werden. Ein Durchschnittsverbraucher kann jedoch nicht basierend auf der Nennung einer Norm der DSGVO den Inhalt der Bestellung schlussfolgern.[5]

(3) Unterschiedliche Schreibweise der Produkte

Eine Aufklärung darüber, dass es sich bei dem Produkt „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft“ des B und dem Produkt „SCHUFA-BonitätsAuskunft“ der K um unterschiedliche Produkte mit unterschiedlichen Daten handelt, könnte aus der unterschiedlichen Schreibweise und dem „®“ im Produktnamen des B folgen.[6]

Das Zeichen „®“ wird zur Kennzeichnung registrierter Marken verwendet. Aus der Verwendung lassen sich jedoch keine Schlüsse über die Inhaberschaft der Marke und eines Produkts schlussfolgern.

Auch aus der unterschiedlichen Schreibweise des Wortes „Bonitätsauskunft“ und „BonitätsAuskunft“ und dessen identischen Klang resultiert keine Auflösung der Verwechslungsgefahr.

ee. Zwischenergebnis

Es besteht eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Produkt des B und der K.

b. Relevanz

Die Verwechslungsgefahr muss geeignet sein, den angesprochenen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Die Relevanz ergibt sich bereits aus dem Preisunterschied zwischen dem Produkt des B und der K, die geeignet ist, Verbraucher zur Entscheidung zu veranlassen, eine Aktenkopie bei B zu bestellen.

c. Kein Ausschluss durch Vorrang des Markenrechts

Der Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG könnte ein Vorrang des Markenrechts entgegenstehen, da nach § 1 II UWG Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen des UWG vorgehen.

Vorliegend folgt jedoch die Unzulässigkeit aufgrund der Verwechslungsgefahr der Produkte, nicht der durch das Markenrecht geschützten Herkunft der Produkte.[7]

d. Zwischenergebnis

Die Angaben „SCHUFA*®-Bonitätsauskunft benötigt?“ und „Antragsassistent für kostenlose SCHUFA*®-Bo­ni­tätsauskunft“ rufen die Gefahr einer Verwechslung mit dem Produkt „SCHUFA-BonitätsAuskunft“ der B hervor und sind nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG unzulässig.

3. Wiederholungsgefahr

Die Wiederholungsgefahr wird widerleglich vermutet, Anhaltspunkte, die für den Entfall der Wiederholungsgefahr sprechen, sind nicht ersichtlich.

4. Aktivlegitimation der K

Eine Aktivlegitimation der K kann sich aus § 8 III Nr. 1 UWG ergeben, sofern es sich bei der K um einen Mitbewerber des B handelt, die Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt.

Nach § 2 I Nr. 4 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Sowohl K als auch B bieten Bonitätsnachweise an und stehen somit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis.

K ist nach § 8 III Nr. 1 UWG aktivlegimiert.

5. Passivlegitimation des B

B ist als Täter passivlegitimiert.

6. Ergebnis

Die Klage hat Aussicht auf Erfolg.[8]

Ergänzende Hinweise

[1] Nach dem OLG Dresden wird eine Fehlvorstellung durch Produktverwechslung erzeugt, „wenn der angesprochene Verkehr eine Angabe auf ein konkretes Produkt bezieht und daher erwartet, eben dieses Produkt zu erhalten, falls ihm die jeweilige Werbeangabe auf dem Markt begegnet.“

[2] Nach dem OLG Dresden besteht abweichend hiervon der „angesprochene Verkehr […] in den nach einem Bonitätsnachweis für insbesondere Vermieter oder Banken suchenden Verbrauchern, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören.“

[3] Das OLG Dresden differenziert nicht nach den im Produkt enthaltenen Daten, sondern nach dem Verständnis, welches Produkt bestellt wird und stellt fest: „Die angesprochenen Interessenten verbinden mit den beanstandeten Angaben, wenn sie ihnen nach dem Gesamteindruck der Bestellstrecke […] begegnen, die Vorstellung, eben das beworbene Produkt, die „SCHUFA®*-Bonitätsauskunft“ aus dem Hause der Klägerin, zu erhalten. […] Er gewinnt den Eindruck, das von der Klägerin so benannte und – wenn auch nicht in den konkreten Einzelheiten – bekannte Auskunftsprodukt der Klägerin zu erhalten, das aussagekräftig ist und sich nicht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Abgriff der gespeicherten Daten mit Basis-Score und Branchensore erschöpft. Auf eine genaue Vorstellung des Verkehrs von den Eigenschaften und Merkmalen kommt es dabei nicht an; auch nicht näher konkretisierte Qualitätserwartungen oder unpräzise Vorstellungen über das Erzeugnis sind geschützt“.

[4] Der Sternchenhinweis ist eine Abweichung vom Ausgangsfall, welcher dort einen Hinweis auf die Marke SCHUFA® beinhaltet. Zu einem Hinweis in der Fußzeile stellt das OLG Dresden jedoch fest, dass ein „Nutzer [diesen] nicht wahrnimmt, wenn er sich nur ‚durch die Bestellstrecke klickt‘“.

[5] Nach dem OLG Dresden „genügt die Aussage „Die Auskunft enthält alle Daten im Sinne von Art. 15 DSGVO“ nicht als Aufklärung. Sie macht nicht ausreichend klar und verständlich deutlich, dass die Beklagten ein anderes als das angegebene Produkt der Klägerin beschaffen. Die Selbstauskunft nach Art. 15 DS-GVO ist auch nicht dafür gedacht, Dritten wie Vermietern, Banken oder Arbeitgebern – evtl. teilweise geschwärzt – als Bonitätsnachweis vorgelegt zu werden“.

[6] Das OLG Dresden stellt fest: „Der Verbraucher kann dem nicht entnehmen, dass die Beklagten nicht das klanglich identische Auskunftsprodukt der Klägerin, sondern einen Versandservice für die Beantragung einer Datenkopie gemäß Art. 15 DS-GVO anbieten […]. Zudem legt das hinter dem Bestandteil „SCHUFA“ angebrachte „®“, das regel-mäßig als Hinweis auf einen geschützten Produktnamen verstanden wird, nahe, dass es sich um eine Produktkennzeichnung und somit ein ganz bestimmtes Produkt handelt“.

[7] Diesbezüglich stellt das OLG Dresden fest: „Dem Zeicheninhaber darf über das Lauterkeitsrecht keine Schutzposition eingeräumt werden, die ihm nach dem Kennzeichenrecht nicht zukommt […] Im Streitfall geht es aber nicht um eine Herkunftstäuschung, sondern eine Produktverwechslung. Verwechselt werden nicht nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 UWG n.F. Kennzeichen, sondern nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 UWG n.F. Produkte […]. Beide Produkte – das in Aussicht gestellte und das beschaffte – stammen von der Klägerin, so dass keine Irreführung über die betriebli-che Herkunft in Rede steht. […] Anderes folgt auch nicht aus der neu in das UWG eingefügten Vorschrift § 1 Abs. 2 UWG […]. Die Schutzzwecke des MarkenG sind nicht gleichartig mit denjenigen des UWG, das keine absolut geschützten Rechte begründet. § 1 Abs. 2 UWG beeinflusst daher das Verhältnis zwischen Lauterkeits- und Kennzeichenrecht nicht“.

[8] Das OLG Dresden äußert sich nicht zum Vorliegen einer geschäftlichen Handlung, der Wiederholungsgefahr, der Aktivlegitimation und Passivlegitimation. Im Ergebnis stellt es ebenfalls eine Unzulässigkeit nach § 3 I UWG i.V.m. § 5 III Nr. 1 UWG fest.

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