03. Kaufrecht

A. Grundlagen des Kaufrechts

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§ 433 BGB | Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag

  1. 1Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. 2Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
  2. Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.

I. Unionsrechtliche Grundlagen und Richtlinien

Verschiedene Aspekte des Kaufrechts sind von Richtlinien vollharmonisiert. Hervorzuheben ist insbesondere die

  1. Verbraucherrechterichtlinie
  2. Warenkaufrichtlinie
  3. Digitale-Inhalte-und-Dienstleistungen-Richtlinie

1. Die Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU)

Die Verbraucherrechterichtlinie[1] gilt in der Fassung der Pauschalreiserichtlinie[2] und regelt

  1. Informationspflichten gegenüber Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, welche in den §§ 312 ff. BGB und §§ 355 ff. BGB umgesetzt wurden,
  2. die Garantie nach § 443 BGB und
  3. den Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474 ff. BGB.

2. Die Warenkaufrichtlinie (RL (EU) 2019/771)

Die Warenkaufrichtlinie[3] hat die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie[4] ersetzt und regelt insbesondere den Begriff des Sachmangels nach § 434 BGB.

3. Digitale-Inhalte-Richtlinie (RL (EU) 2019/770)

Die Digitale-Inhalte-Richtlinie[5] ist ebenfalls ausschließlich auf Verbrauchergeschäfte über digitale Inhalte oder Dienstleistungen anzuwenden und regelt neben Verträgen über digitale Produkte (umgesetzt in den §§ 327 ff. BGB) den Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte.

II. Das Zustandekommen eines Kaufvertrags und die gegenseitigen Pflichten

Der Kaufvertrag kommt als gegenseitiger Vertrag i.S.d. §§ 320 ff. BGB durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, dem Antrag und der Annahme zustande. Die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB finden Anwendung, wobei der Kaufvertrag nur ausnahmsweise einem Formzwang unterliegt.

Verträge mit der Verpflichtung zur Übertragung oder zum Erwerb von Grundstücken und somit der Grundstückskaufvertrag bedürfen nach § 311b I 1 BGB der notariellen Beurkundung der übereinstimmenden Willenserklärungen.

Im Rahmen der Prüfung des wirksamen Zustandekommens eines Kaufvertrags ist es möglich Aspekte anderer Rechtsgebiete, wie der Stellvertretung, Geschäftsfähigkeit oder Anfechtung von Willensmängeln aus dem Allgemeinen Teil des BGB oder besondere Regelungen des Handels- und Gesellschaftsrechts, Erbrechts oder Familienrechts, in diese Prüfung einzubinden.

Aus dem Kaufvertrag resultieren zwei Hauptpflichten, die Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung der Kaufsache sowie die Pflicht des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises. Daneben kommen Sekundärpflichten i.S.d. § 241 II BGB in Betracht. Der Kaufvertrag bewirkt jedoch keine unmittelbare Übertragung des Kaufgegenstands, sondern verpflichtet den Verkäufer hierzu. Die Übertragung des Eigentums an der Kaufsache und des Geldes stellen nach dem Trennungsprinzip neben dem Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft sog. Verfügungsgeschäfte dar.

Für den Rechtskauf finden nach § 453 I 1 BGB die Vorschriften über den Kauf von Sachen entsprechende Anwendung.

III. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

Der Kaufvertrag wird durch die Verpflichtung des Verkäufers zur Übereignung der Sache geprägt, die Vertragsfreiheit (Vertragsautonomie) ermöglicht jedoch auch die Begründung andersartiger oder weiterer Pflichten. Bei der Abgrenzung des Kaufvertrags zu anderen Vertragstypen ist grundsätzlich anhand des Schwerpunkts der vertraglichen Leistungen der Vertrag dem Kaufrecht oder einem anderen Vertragstyp zuzuordnen.

Kann kein Schwerpunkt des Vertrags ermittelt werden, sind ausnahmsweise die Vorschriften anzuwenden, die im Einzelfall dem Vertragszweck und dem Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) am besten entsprechen.

Hervorzuheben ist neben der Einordnung eines Kaufvertrags als Verbrauchsgüterkaufvertrags die Abgrenzung zum

  1. Kaufvertrag mit digitalen Elementen und Verträge über digitale Produkte,
  2. Werkvertrag und Werklieferungsvertrag sowie
  3. Tauschvertrag.

1. Die Einordnung eines Kaufvertrags als Verbrauchsgüterkaufvertrag

→ Hauptartikel zum Verbraucher und Unternehmerbegriff: BGB-AT.01.B.I.1.e. Natürliche Personen als Verbraucher und Unternehmer

Die (abschließenden) Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf nach den §§ 474 ff. BGB ergänzen die allgemeinen Vorschriften des Kaufrechts und privilegieren Käufer, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Verbraucher i.S.d. § 13 BGB sind.[6]

§ 474 I BGB | Verbrauchsgüterkauf
1Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. 2Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.

Schließt daher ein Käufer als Verbraucher mit einem Unternehmer als Verkäufer einen Kaufvertrag, sind die Vorschriften der §§ 474 ff. BGB anzuwenden. Ein Verbrauchsgüterkauf bedarf als Vertragsgegenstand eine Ware i.S.d. § 241a I BGB, sodass ein Grundstückskaufvertrag kein Verbrauchsgüterkauf darstellt.

Ob ein Verbrauchsgüterkaufvertrag besteht, ist dann zu prüfen, wenn die Einordnung des Kaufvertrags als Verbrauchsgüterkaufvertrag die Prüfung beeinflusst. Daher werden die Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufvertrags jeweils im Rahmen der Darstellung des allgemeinen Kaufrechts sowie im Anschluss gesammelt dargestellt.

2. Die Abgrenzung zum Kaufvertrag mit digitalen Elementen und Verträgen über digitale Produkte

Ist Gegenstand eines Verbrauchervertrags (auch) die Bereitstellung digitaler Inhalte oder Dienstleistungen (digitaler Produkte), sind nach § 327 I 1 BGB grundsätzlich die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB anzuwenden.

Zugleich sind nach § 475a I 1 BGB auf „einen Verbrauchsgüterkaufvertrag, welcher einen körperlichen Datenträger zum Gegenstand hat, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient,“ die kaufrechtlichen Mängelrechte nicht und nach § 475 II 1 BGB auf „einen Verbrauchsgüterkaufvertrag über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann, […] im Hinblick auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen,“ die kaufrechtlichen Mängelrechte nur zum Teil anzuwenden. An die Stelle dieser Vorschriften sind für sog. Verbrauchsgüterkaufverträge über digitale Produkte die §§ 327 ff. BGB anzuwenden.

Nur dann, wenn die Ware ihre Funktion ohne die enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkte nicht erfüllen kann, somit eine Ware mit digitalen Elementen vorliegt, findet das allgemeine Kaufrecht ergänzt um die Regelungen der §§ 475b f. BGB Anwendung.

Entsprechend ist für die Anwendbarkeit des allgemeinen Kaufrechts und der §§ 475b f. BGB zu prüfen, ob

  1. ein Verbrauchsgüterkaufvertrag vorliegt
  2. die Funktion der Ware von den digitalen Inhalten objektiv abhängig ist (funktionales Kriterium) und
  3. der Unternehmer sich zur Bereitstellung verpflichtet (vertragliches Kriterium).[7]

Bei der Beurteilung, ob die Funktion der Ware von den digitalen Inhalten abhängig ist, ist umstritten, ob diese Abhängigkeit eng oder weit ausgelegt werden muss, sodass nur Grundfunktionen, Hauptfunktionen oder alle wesentliche Funktionen der Ware erfasst sind.[8]

Beurteilung der Abhängigkeit einer Ware von digitalen Inhalten anhand
GrundfunktionHauptfunktionvertraglich geschuldeter Funktionenwesentlicher Funktionen
BegründungDie §§ 327 ff. BGB bilden einheitliche und spezielle Vorschriften für digitale Inhalte, sodass das Kaufrecht nur dann anzuwenden ist, wenn die Grundfunktion der Ware von digitalen Inhalten abhängig ist.Die Hauptfunktionen einer Ware sollten einheitlich dem allgemeinen Kaufrecht und den Regelungen der §§ 475b f. BGB unterliegen.Die Abhängigkeit einer Ware von digitalen Inhalten richtet sich nach der Auslegung der vereinbarten Verwendungsmöglichkeiten.Alle wesentlichen Funktionen einer Ware mit digitalen Elementen sind einheitlich zu beurteilen.
KritikDie Differenzierung zwischen einer Grund- und Hauptfunktion bringt Rechtsunsicherheiten mit sich. Die §§ 475b f. BGB sollen gerade für Waren mit digitalen Elementen Anwendung finden.Die Anwendbarkeit des Kaufrechts oder der §§ 327 ff. BGB richtet sich im Einzelfall nach der Vereinbarung der Vertragsparteien.Einschränkung des Anwendungsbereichs der §§ 327 ff. BGB, die nur bei funktionslosen digitalen Elementen Anwendung finden würden und Rechtsunsicherheit infolge vom Einzelfall abhängiger „Wesentlichkeit“ einer Funktion.

3. Die Abgrenzung zum Werkvertrag und Werklieferungsvertrag

Der Werkvertrag zeichnet sich nach § 631 I BGB durch die Verpflichtung zur Herstellung des versprochenen Werkes aus. Überschneidungen zum Kaufrecht resultieren daraus, dass dieses Werk in der Regel auch übergeben und übereignet wird.

Zur Abgrenzung zwischen Werk- und Kaufvertrag ist auf den Schwerpunkt der vertraglichen Pflichten abzustellen und der Vertrag unterliegt einheitlich dem Werkvertragsrecht oder Kaufrecht.

Hervorzuheben ist insbesondere der Kauf mit Montageverpflichtung, für dessen Einordnung auf das Verhältnis zwischen dem Wert des Gegenstands und dem Wert der Lieferung und Montage abzustellen ist.

Hat ein Vertrag die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand (Werk­lieferungsvertrag) finden nach § 650 I 1 BGB mit Modifikationen die Vorschriften über den Kauf Anwendung.

4. Die Abgrenzung zum Tauschvertrag

Auch der Tauschvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass eine Sache übergeben und übereignet wird. Im Unterschied zum Kaufvertrag verpflichten sich jedoch beide Vertragsparteien hierzu. Nach § 480 BGB finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung.

Nachweise

[1] Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

[2] Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates.

[3] Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG.

[4] Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter.

[5] Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen.

[6] Vgl. zum relevanten Zeitpunkt BGH NJW 2018, 146 Rn. 41.

[7] Zum vertraglichen Kriterium z.B. BeckOGK/Fries, 1.5.2024, BGB § 327a Rn. 20.

[8] Ausführlich BeckOGK/Fries, 1.5.2024, BGB § 327a Rn. 15 f. m.w.N.

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