03. Anspruch auf Schadensersatz nach § 33a GWB

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Resultiert aus einem fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstoß gegen eine kartellrechtliche Vorschrift (Art. 101 I, 102 AEUV und §§ 1 bis 47I GWB) ein kausaler Schaden, besteht nach § 33a GWB ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten.

Der Unterlassungsanspruch bzw. Beseitigungsanspruch nach § 33 I GWB kann in folgenden Schritten geprüft werden

  1. Verstoß gegen eine
    1. kartellrechtliche Vorschrift
      1. Art. 101 I AEUV
      2. Art. 102 AEUV
      3. §§ 1 bis 47l GWB
    2. Verfügung einer Kartellbehörde
  2. Rechtswidrigkeit des Verstoßes
  3. Aktivlegitimation
  4. Passivlegitimation und Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)
  5. Kausaler Schaden
  6. Keine Verjährung (§ 33h GWB)

Abweichend vom Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nach § 33 GWB ist keine Wiederholungsgefahr erforderlich. Das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr begründet keinen Schadensersatzanspruch, da der Verstoß „begeht“ worden sein muss.

§ 33a I GWB | Schadensersatzpflicht
Wer einen Verstoß nach § 33 Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

1. Verstoß gegen eine kartellrechtliche Vorschrift oder Verfügung der Kartellbehörde

→ Hauptartikel: KartellR-05 bis KartellR-08

Grundvoraussetzung ist die Verletzung einer kartellrechtlichen Vorschrift (Art. 101 I, 102 AEUV, §§ 1 – 47l GWB) oder der Verfügung der Kartellbehörde.

Nach § 48 I GWB sind das Bundeskartellamt, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und die nach Landesrecht zuständigen obersten Landesbehörden Kartellbehörden, jedoch gebietet das unionsrechtliche Äquivalenzgebot eine analoge Anwendung.[1]

2. Rechtswidrigkeit des Verstoßes

Erforderlich ist die Rechtswidrigkeit des Verstoßes, der eine Einwilligung des Verletzens, Notwehr (§ 227 BGB), sowie Notstand (§ 228 BGB, § 16 OWiG) entgegenstehen kann.[2] Die Rechtswidrigkeit ist indiziert.[3]

3. Aktivlegitimation

Anspruchsberechtigt ist nach der „jedermann“-Formel des EuGH jeder, der einen dem Kartellrechtsverstoß zuzurechnenden Schaden erlitten hat.[4] Insbesondere die Betroffenheit wie nach § 33 III GWB ist nicht erforderlich.

Möglich ist zudem die materiell-rechtliche Bündelung von Ansprüchen im Wege der Abtretung.[5]

4. Passivlegitimation und Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit)

→ Hauptartikel:  KartellR-01.C. Adressaten des Kartellrechts / kartellrechtlicher Unternehmensbegriff

Passivlegitimiert ist dasjenige Unternehmen, durch dessen schuldhafte, somit fahrlässige oder vorsätzliche Zuwiderhandlung der Schaden entstanden ist. Eine Haftung natürlicher Personen besteht grundsätzlich nicht.[6]

  i  

Die KSERL[7] sieht zwar kein Verschulden als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs vor, die Mitgliedsstaaten können jedoch nach Erwägungsgrund 11 „andere Voraussetzungen“ wie „Zurechenbarkeit, Adäquanz oder Verschulden“ vorhersehen.

5. Kausaler Schaden

Nach Art. 3 I der RL 2014/104/EU besteht ein Recht auf vollständigen Schadensersatz. Dieser umfasst sowohl den Ersatz von Vermögenseinbußen als auch den entgangenen Gewinn, sofern zwischen dem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und dem Schaden des Anspruchsstellers Kausalität besteht. Es wird nach § 33a II 1 GWB widerleglich vermutet, dass ein Kartell einen Schaden verursacht hat und nach § 33a II 4 GWB widerleglich vermutet, dass Rechtsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen mit kartellbeteiligten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich eines Kartells fallen, von diesem Kartell erfasst waren.

Entsprechend fehlt es an einem kausalen Schaden, wenn sich die am Kartell beteiligten Hersteller ohne eine Absprache nicht anders hätten verhalten können. Dies ist der Fall bei einem reglementierten Markt.[7a]

Art. 3 RL 2014/104/EU | Recht auf vollständigen Schadensersatz

  1. Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass jede natürliche oder juristische Person, die einen durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, den vollständigen Ersatz dieses Schadens verlangen und erwirken kann.
  2. Der vollständige Ersatz versetzt eine Person, die einen Schaden erlitten hat, in die Lage, in der sie sich befunden hätte, wenn die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nicht begangen worden wäre. Er erfasst daher das Recht auf Ersatz der eingetretenen Vermögenseinbuße und des entgangenen Gewinns, zuzüglich der Zahlung von Zinsen.
  3. Der vollständige Ersatz im Rahmen dieser Richtlinie darf nicht zu Überkompensation führen, unabhängig davon, ob es sich dabei um Strafschadensersatz, Mehrfachentschädigung oder andere Arten von Schadensersatz handelt.

  i  

Der Richtlinie 2014/104/EU geht die Rechtsprechung des EuGH voraus,[4] wonach jeder ein Recht auf Ersatz des durch Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union verursachten Schadens hat.

Der Inhalt des Schadensersatzes richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB.[9] Die Schadensabwälzung regelt § 33c GWB.

6. Keine Verjährung (§ 33h GWB)

Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach § 33h GWB.

Nachweise

[1] Immenga/Mestmäcker/Franck, 6. Aufl. 2020, GWB § 33 Rn. 8 m.w.N.

[2] Immenga/Mestmäcker/Franck, 6. Aufl. 2020, GWB § 33 Rn. 10.

[3] LMRKM/Kersting, 4. Aufl. 2020, GWB § 33a Rn. 6.

[4] EuGH, Urt. v. 20.09.2001 – C-453/99 (ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26) – Corage/Crehan.

[5] Ausführlich zu den Voraussetzungen Immenga/Mestmäcker/Franck GWB § 33a Rn. 22 ff.

[6] Vgl. Immenga/Mestmäcker/Franck, 6. Aufl. 2020, GWB § 33a Rn. 35 ff.

[7] RL 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union.

[7a] LG Dortmund NZKartR 2023, 377 – Zuckerkartell.

[8] Vgl. EuGH, Urt. v. 20.11.2001 – C-453/99 (ECLI:EU:C:2001:465, Rn. 26) – Courage/Crehan; EuGH, Urt. v. 06.06.2013 – C-536/11 (ECLI:EU:C:2013:366, Rn. 24 ff.) – Donau Chemie.

[9] Immenga/Mestmäcker/Franck, 6. Aufl. 2020, GWB § 33a Rn. 58.

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