10. Digital Markets Act (im Überblick)

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Der Digital Markets Act (DMA) ist zum 01.11.2022 in Kraft getreten und gilt seit dem 02.05.2023.[1] Der DMA ergänzt das nationale und europäische Kartellrecht und soll gegenüber großen Digitalunternehmen anhand klarer Regeln ein schnelles und effektives Einschreiten der Kommission ermöglichen.

I. Zielsetzung

Nach Art. 1 I DMA soll die DMA zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen, indem harmonisierte Vorschriften festgelegt werden, die in der gesamten Union zum Nutzen von gewerblichen Nutzern und Endnutzern für alle Unternehmen bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor, auf denen Torwächter tätig sind, gewährleisten.

II. Adressaten des Digital Markets Acts

Nach Art. 1 II DMA gilt der DMA für zentrale Plattformdienste, die Torwächter für in der Union niedergelassene gewerbliche Nutzer oder in der Union niedergelassene oder aufhältige Endnutzer bereitstellen oder anbieten, ungeachtet des Niederlassungsorts und Standorts der Torwächter und ungeachtet des sonstigen auf die Erbringung von Dienstleistungen anwendbaren Rechts.

Bei einem zentralen Plattformdienst handelt es sich nach Art. 2 Nr. 2 DMA um Online-Vermittlungsdienste, Online-Suchmaschinen, Online-Dienste sozialer Netzwerke, Video-Sharing-Plattform-Dienste, nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste, Be­triebssysteme, Webbrowser, virtuelle Assistenten, Cloud-Computing-Dienste und Online-Werbedienste.

Torwächter ist nach Art. 2 Nr. 1 DMA das Unternehmen, das das zentrale Plattformdienst bereitstellt und nach Art. 3 DMA benannt worden ist. Somit sind nicht alle Unternehmen, die einen zentralen Plattformdienst an­bieten, Adressaten des DMA. Erforder­lich ist vielmehr die Benennung als Torwächter. Hierfür ist erforderlich, dass das Unternehmen

  1. einen erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat (Art. 3 I Nr. a DMA),
  2. einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient (Art. 3 I Nr. b DMA), und
  3. hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird (Art. 3 I Nr. b DMA).

Art. 2 II DMA beinhaltet Schwellenwerte in Hinblick auf den Jahresumsatz und die Nutzerzahl, ab denen ein Unternehmen davon „ausgegangen“ wird, dass es sich um einen Torwächter handelt.

Die Benennung von Torwächtern kann nach Art. 4 I DMA auf Antrag oder von Amts wegen überprüft, geändert oder aufgehoben werden. Ob die Anforderungen zur Benennung erfüllt sind, werden nach Art. 4 II DMA regelmäßig überprüft.

III. Verhaltenspflichten nach dem Digital Markets Act

Art. 5 bis 7 des DMA spezifische Verhaltenspflichten für Torwächter, die wie folgt zusammengefasst werden können.[2]

Art. 5 II DMA

Verbot personenbezogene Daten von Endnutzern

  1. zum Zweck des Betriebs von Online-Werbediensten zu verarbeiten,
  2. diese mit personenbezogenen Daten aus weiteren zentralen Plattformdiensten oder Daten anderer Torwärter zusammenzuführen,
  3. diese weiterzuverwenden und
  4. Endnutzer in anderen Diensten anmelden, um personenbezogene Daten zusammenzuführen,

sofern dem Endnutzer nicht die spezifische Wahl gegeben und er eingewilligt hat.

Art. 5 III DMA

Die Verpflichtung gewerbliche Nutzer nicht daran zu hindern, Produkte über andere Vertriebskanäle zu anderen Preisen oder Bedingungen anzubieten.

Art. 5 IV DMA

Die Verpflichtung gewerblichen Nutzern zu ermöglichen, Angebote kostenlos zu kommunizieren und zu bewerben – auch zu anderen Bedingungen – und mit diesen Endnutzern Verträge zu schließen.

Art. 5 V DMA

Die Verpflichtung Endnutzern zu ermöglichen, durch Nutzung der Software-Anwendung eines gewerblichen Nutzers auf Inhalte, Abonnements, Funktionen oder andere Elemente zuzugreifen und diese zu nutzen, auch wenn diese Endnutzer diese Elemente bei dem betreffenden gewerblichen Nutzer ohne Nutzung der zentralen Plattformdienste des Torwächters erworben haben.

Art. 5 VI DMA

Das Verbot Endnutzer oder gewerbliche Nutzer direkt oder indirekt daran zu hindern, Behörden eine etwaige Nichteinhaltung von Gesetzen mitzuteilen oder sie hieran einzuschränken.

Art. 5 VII DMA

Das Verbot von Endnutzern oder gewerblichen Nutzern zu verlangen, dass sie einen Identifizierungsdienst, eine Webbrowser-Engine oder einen Zahlungsdienst nutzen.

Art. 5 VIII DMA

Das Verbot von Endnutzern oder gewerblichen Nutzern das Abonnieren von oder Registrieren bei anderen zentralen Plattformdiensten zu verlangen.

Art. 5 IX, X DMA

Die Verpflichtung, kostenlos Auskunft über geschaltete Anzeigen zu geben.

Art. 6 II DMA

Das Verbot im Wettbewerb mit gewerblichen Nutzern nicht öffentliche Daten zu verwenden.

Art. 6 III, VI DMA

Die Verpflichtung es Endnutzern zu ermöglichen, Software-Anwendungen einfach zu deinstallieren und Standardeinstellungen des Betriebssystems, virtuellen Assistenten und Webbrowsers des Torwächters zu ändern.

Art. 6 IV DMA

Die Verpflichtung der Installation und Nutzung von Software-Anwendungen Dritter.

Art. 6 V DMA

Das Verbot, eigene Dienstleistungen und Produkte in Rankings zu bevorzugen.

Art. 6 VII DMA

Die Verpflichtung, Dritten Diensteanbietern kostenlos Interoperabilität über das Betriebssystem oder den virtuellen Assistenten zur Verfügung zu stellen.

Art. 6 VIII, X DMA

Die Verpflichtung, Werbetreibenden auf Antragt kostenlosen Zugang zu Instrumenten zur Leistungsmessung und der benötigten Daten zu geben.

Art. 6 IX DMA

Die Verpflichtung, kostenlos die effektive Übertragung von Daten bereitzustellen.

Art. 6 XI DMA

Die Verpflichtung, Drittunternehmen, die Online-Suchmaschinen bereitstellen, zu FRAND-Bedingungen Zugang zu Ranking-, Anfrage-, Klick- und Ansichtsdaten zu geben.

Art. 6 XII DMA

Die Verpflichtung, faire, zumutbare und diskriminierungsfreie AGB anzuwenden.

Art. 6 XIII DMA

Die Verpflichtung, keine unverhältnismäßigen Kündigungsbedingungen zu verwenden.

Art. 7 II DMA

Die Verpflichtung, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten.

Art. 7 IV, V DMA

Die Verpflichtung, technische Einzelheiten und Bedingungen für eine Interoperabilität zu veröffentlichen.

Die Einhaltung von Verhaltenspflichten nach Art. 5 bis 7 DMA kann nach Art. 9 DMA ausgesetzt werden. Nach Art. 10 DMA kann ein Torwächter von der Einhaltung dieser aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit befreit sein. Nach Art. 11 DMA besteht die Pflicht zur Berichterstattung.

IV. Durchsetzung & Verhältnis des Digital Markets Acts zum Kartellrecht

Die Durchsetzung der Verhaltungspflichten nach Art. 5 bis 7 DMA obliegen der Kommission, wobei die Kommission nach Art. 37, 38 DMA in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten und nationalen Behörden die wirk­same und komplementäre Durchsetzung der DMA gewährleistet.[3]

Nach Art. I VI DMA „berührt“ die DMA nicht die Anwendung der Art. 101 und 102 AUEV, nationaler Wettbewerbsvorschriften und der Fusionskontrolle. De lege lata scheidet jedoch die Anwendung der §§ 33 ff. GWB angesichts des eindeutigen Wortlauts aus.[4]

Nachweise

[1] VO (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.09.2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der RL (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte).

[2] Ausführlich Podszun/Bongartz/Kirk NJW 2022, 3249 ff.

[3] Ausführlich hierzu Herbers/Savary/Gröf GRUR-Prax 2023, 185 (186 ff.)

[4] Vgl. Becker ZEuP 2023, 403 (409).

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