D. Entstehung einer offenen Handelsgesellschaft (oHG)

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Nach § 105 I HGB ist die offene Handelsgesellschaft (oHG) eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist.

Die Entstehung bzw. das Bestehen einer oHG kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Wirksamer Gesellschaftsvertrag
  2. Handelsgewerbe oder Eintragung
  3. Gemeinschaftliche Firma
  4. eine Beschränkung der Gesellschafterhaftung

1. Wirksamer Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag, dessen notwendiger Inhalt nach § 105 III HGB i.V.m. § 705 I BGB zu beurteilen ist.

§ 705 I BGB | Rechtsnatur der Gesellschaft
Die Gesellschaft wird durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrags errichtet, in dem sich die Gesellschafter verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern.

Der Abschluss des Gesellschaftsvertrags richtet sich wiederum nach den §§ 145 ff. BGB und unterliegt keinen Formvorschriften, sofern keine Verpflichtung zur Einbringung eines Grundstücks vorliegt. Anwendbar sind daher die Normen des Schuldrechts, sofern nicht nach den §§ 705 ff. BGB und §§ 105 ff. HGB Sonderregeln bestehen.

Besonderheiten gelten jedoch in Hinblick auf

  1. die Anfechtung,
  2. die Anwendbarkeit der §§ 320 ff. BGB

a. Einschränkung der Anfechtung mit Rechtsfolge der ex-tunc Nichtigkeit

Grundsätzlich erfordert eine wirksame Anfechtung einen Anfechtungsgrund und die Erklärung der Anfechtung innerhalb der vorgesehenen Frist. Ist die teilweise Aufrechterhaltung des angefochtenen Gesellschaftsvertrags nicht möglich (vgl. § 139 BGB) wäre dieser als von Anfang an nichtig anzusehen (vgl. § 142 I BGB).

Hieraus folgt, dass sämtliche inneren und äußeren Geschäfte der rückwirkend nicht existierenden Gesellschaft zeitlich uneingeschränkt rückabzuwickeln sind. Der hierdurch betroffene Vertrauenstatbestand in das Bestehen der Gesellschaft sorgt nach h.M. für untragbare Ergebnisse für Rechtssicherheit und Verkehrsschutz und erfordert eine Einschränkung. Stattdessen soll im Fall der Anfechtung die sog. Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden sein.

Nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft ist erforderlich, dass

  1. der Gesellschaftsvertrag durch den Gesellschaftern zurechenbare – wenn auch fehlerhafte – Willenserklärungen zustande kam, was nicht im Fall der Vertretung ohne Vertretungsmacht der Fall ist,
  2. die Gesellschaft mit dem Willen der Gesellschafter in Vollzug gesetzt wurde, also Rechtstatsachen geschaffen wurden, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann, was vor allem dann gegeben ist, wenn die Gesellschaft im Au-ßenverhältnis handelt,
  3. der Gesellschaftsvertrag als Ganzes fehlerhaft ist, was bei eine Anfechtung der Fall ist und
  4. keine vorrangigen Interessen der Allgemeinheit oder schutzwürdige Interessen einzelner Personen an der Behandlung der Gesellschaft als wirksam entgegenstehen, was bei verbotenen oder sittenwidrigen Gesellschaftszwecken, nicht jedoch einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung i.S.d. § 123 I BGB (str.) vorliegt.[1]

Sind die Voraussetzungen erfüllt, gilt die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses nur mit Wirkung ex nunc und es besteht ein Sonderkündigungsrecht.

b. Die Anwendbarkeit der §§ 320 ff. BGB

Da ein Gesellschaftsverhältnis kein klassischer gegenseitiger Vertrag (Synallagma) ist, sondern ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird, ist die Anwendung der §§ 320 ff. BGB mit der Natur der Geschäftsverhältnisse unvereinbar und könnte zum Erliegen der Tätigkeiten führen.

2. Handelsgewerbe oder Eintragung

Der Gesellschaftszweck muss nach § 105 I HGB auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sein. Hierfür muss die Gesellschaft entweder nach § 1 II HGB ein Handelsgewerbe darstellen oder nach § 107 I 1 HGB in das Handelsregister eingetragen werden. Sind die Voraussetzungen des § 1 II HGB nicht erfüllt, kommt der Eintragung konstitutive Wirkung zu.

Hieraus folgt: Überschreitet eine (eingetragene oder nicht eingetragene) GbR die Schwelle des § 1 II HGB und betreibt ein Handelsgewerbe, handelt es sich um eine oHG und die Vorschriften der oHG, insbesondere die Eintragungspflicht nach § 106 HGB besteht.

Nach § 107 I 2 HGB ist die Eintragung in das Handelsregister auch für eine Gesellschaft möglich, deren Zweck die gemeinsame Ausübung Freier Berufe durch ihre Gesellschafter ist, soweit das anwendbare Berufsrecht die Eintragung zulässt.

3. Gemeinschaftliche Firma

Für die Prüfung der Entstehung bzw. des Bestehens ist erforderlich, dass die Gesellschaft nach außen hin als gemeinschaftliche Firma auftritt. Dies dient der Abgrenzung zur stillen Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB). Die firmenrechtliche Zulässigkeit nach den §§ 17 ff. HGB ist nicht ausschlaggebend.

4. Keine Beschränkung der Gesellschafterhaftung

Schließlich darf keine nach außen wirkende Beschränkung der Gesellschafterhaftung bestehen. Eine solche bestände bei der Einräumung, Anmeldung oder Eintragung einer Kommanditistenstellung. Eine Beschränkung im Innenverhältnis ist nach § 126 2 HGB Dritten gegenüber unwirksam und steht der Entstehung bzw. dem Bestehen der oHG nicht entgegen.

Nachweise

[1] Ausführlich zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2024, BGB § 705 Rn. 309 ff. m.w.N.

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