D. Schranken des Urheberrechts

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Die Rechte des Urhebers aus einer Urheberrechtsverletzung unterliegen gesetzlichen Schranken, insbesondere der Erschöpfung, gesetzlich erlaubten Nutzungen oder dem UrhDaG und können durch die Zustimmung des Berechtigten oder auf Basis von Nutzungsrechten gerechtfertigt sein. Eine weitere „Schranke“ stellt der Ablauf des Schutzes dar.

I. Die Rechtfertigung durch Zustimmung & Nutzungsrechterecht

Die ausdrückliche oder konkludente rechtfertigende Einwilligung (vorherige Zustimmung) oder Genehmigung (nachträgliche Zustimmung) des Berechtigten kann die Verletzung eines Urheberrechts oder eines verwandten Rechts von vornherein ausschließen bzw. der durch einen Verstoß indizierten Rechtswidrigkeit entgegenstehen. Ein vom Berechtigten erteiltes Nutzungsrecht schließt ebenfalls den Tatbestand aus.

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Zustimmungen und Nutzungsrechte mit tatbestandsausschließender Wirkung können sowohl im Rahmen der Verletzung des Rechts als auch in der Rechtswidrigkeit dieser thematisiert werden.

II. Gesetzlich erlaubte Nutzungen

Die in §§ 44a ff. UrhG normierten gesetzlich erlaubten Nutzungen stellen objektive, gesetzgeberische Abwägungen zwischen dem Schutz des Werkes und den Interessen der Allgemeinheit an einem freien Zugang zu Immaterialgütern als Ausprägung des Art. 14 II GG. Entsprechend sind die Schranken im Licht der Grundrechte auszulegen. Dem Urheber kann jedoch ein Vergütungsanspruch zustehen.

Zu den gesetzlich erlaubten Nutzungen zählen – jeweils unter weiteren Voraussetzungen – die

  1. vorübergehende Vervielfältigung nach § 44a UrhG, wozu insbesondere das Zwischenspeichern („Cachen“) der Inhalte einer Webseite oder im Arbeitsspeicher zählt,
  2. automatische Analyse digitaler oder digitalisierter Werke (Text und Data Mining) zur Extraktion von Informationen nach § 44b UrhG und die hierfür erforderliche Vervielfältigung unter dem Vorbehalt des § 44b III UrhG und nach § 60d UrhG für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung,
  3. Schranken zugunsten öffentlicher Interessen und der Meinungsfreiheit, insbesondere Verwertungen
    1. für gerichtliche und behördliche Verfahren nach § 45 UrhG,
    2. zugunsten behinderter Menschen nach § 45a UrhG und Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung nach § 45b UrhG,
    3. für den Gebrauch während religiöser Feierlichkeiten nach § 46 UrhG,
    4. für Schulfunksendungen und die Verwendung im Unterricht nach § 47 UrhG,
    5. von öffentlichen Reden über Tagesfragen nach § 48 UrhG,
    6. einzelner Rundfunkkommentare und einzelner Artikel nach § 49 UrhG,
    7. zur Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG,
    8. zum Zweck des Zitats nach § 51 UrhG,
    9. zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches nach § 51a UrhG,
    10. in Form der öffentlichen Wiedergabe, die keinen Erwerbszwecken dient nach § 52 UrhG,
    11. zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (sog. Privatkopie) nach § 53 UrhG,
  4. Vervielfältigungen durch Sendeunternehmen nach § 55 UrhG,
  5. Bearbeitung von Vervielfältigungsstück eines Datenbankwerkes nach § 55a UrhG,
  6. Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in Geschäftsbetrieben, um Kunden Geräte vorzuführen nach § 56 UrhG,
  7. Verwertung eines unwesentlichen Beiwerks nach § 57 UrhG,
  8. Werbung für zur öffentlichen Ausstellung oder zum öffentlichen Verkauf bestimmten Werken nach § 58 UrhG,
  9. Verwertung von Werken an öffentlichen Plätzen nach § 59 UrhG,
  10. Verwertung eines Bildnisses durch den Besteller nach § 60 UrhG,
  11. Schranken zugunsten Forschung und Lehre, insbesondere der
    1. Veranschaulichung im Unterricht und in der Lehre nach § 60a UrhG,
    2. Verwertung für Unterrichts- und Lehrmedien nach § 60b UrhG,
    3. nicht kommerziellen wissenschaftlichen Forschung nach § 60c UrhG, und
    4. Verwertung durch Bibliotheken nach § 60e UrhG und Archiven, Museen und Bildungseinrichtungen nach § 60f UrhG,
  12. Verwertung verwaister Werke nach § 61 ff. UrhG und nicht verfügbarer Werke nach § 61d ff. UrhG.

Besonderheiten einzelner gesetzlich erlaubten Nutzungen sind nachfolgend hervorgehoben. Ergänzende, bzw. gemeinsame Vorschriften über die Änderung von Werken, der Angabe von Quellen und gesetzlichen Vergütungsansprüchen bei einer gesetzlich erlaubten Nutzung enthalten die §§ 62 ff. UrhG.

Einer gesetzlich erlaubten Nutzung kann der sog. Drei-Stufen-Test (Art. 9 II RBÜ, Art. 10 WCT, Art. 13 TRIPS, Art. 5 VInfoSoc-RL) entgegenstehen, wonach erforderlich ist, dass die Schrankenregelungen

  1. auf bestimmte Sonderfälle beschränkt ist,
  2. weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt, noch
  3. die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzt.

1. Die Berichterstattung über Tagesereignisse nach § 50 UrhG

Nach § 50 UrhG, welcher der Umsetzung von Art. 5 III lit. c der RL InfoSoc-RL dient, ist die Berichterstattung über Tagesereignisse durch die im Gesetz aufgeführten Mittel und Wege die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf des Ereignisses wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweckgebotenen Umfang zulässig.

§ 50 UrhG | Berichterstattung über Tagesereignisse
Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Funk oder durch ähnliche technische Mittel, in Zeitungen, Zeitschriften und in anderen Druckschriften oder sonstigen Datenträgern, die im Wesentlichen Tagesinteressen Rechnung tragen, sowie im Film, ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang zulässig.

Von der Schranke erfasst sind nach der Rechtsprechung des EuGH jede Handlung, mit der Informationen über ein Tagesereignis bereitgestellt werden. Hiervon nicht erfasst ist jedoch die Berichterstattung eines Dritten.[1]

Ein Tagesgeschehen ist jedes zur Zeit des Eingriffs in das Urheberrecht oder Leistungsschutzrecht aktuelle Geschehen zu verstehen, das für die Öffentlichkeit von Interesse ist, wobei ein Geschehen so lange aktuell ist, wie ein Bericht darüber von der Öffentlichkeit noch als Gegenwartsberichterstattung empfunden wird.[2]

Ob die Berichterstattung durch den Zweck geboten ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der betroffenen Grundrechte zu beurteilen. Die Nutzung des geschützten Werkes muss zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des verfolgten Informationsziels erforderlich ist – somit verhältnismäßig sein.[3]

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Hierbei ist § 50 UrhG so auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit und die Achtung der Grundfreiheiten des Rechts auf Meinungsfreiheit und auf Pressefreiheit gewährleistet sind.[4]

Der Schrankenregelung des § 50 UrhG steht es nicht entgegen, dass vor der Wiedergabe des Werkes die Zustimmung des Berechtigten eingeholt werden könnte,[5] auch, wenn das Geschäftsmodell des Berechtigten in der Ver­gabe von Lizenzen liegt.[6] Dies ist insbesondere im Einklang mit dem Drei-Stufen-Test, wenn der Berechtigte das Werk bereits wirtschaftlich verwerten konnte und da die Schrankenregelung des § 50 UrhG nur solange greift, wie ein Tagesgeschehen, somit die erforderliche Aktualität vorliegt.[7]

2. Das Zitatrecht nach § 51 UrhG

Zugunsten der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit und dem Allgemeininteresse an freier geistiger Auseinandersetzung, an Dialog, Kritik und kultureller Entwicklung ist nach § 51 UrhG das Zitieren aus veröffentlichen Werken beschränkt auf den Zweck, als Beleg zu dienen, zustimmungs- und vergütungsfrei zulässig.[8] Nach § 51 3 UrhG erfasst das Zitatrecht auch die Nutzung einer Abbildung oder sonstiger Vervielfältigung des Werkes.

§ 51 UrhG | Zitate
1Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. 2Zulässig ist dies insbesondere, wenn

  1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
  2. Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk angeführt werden,
  3. einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik angeführt werden.

3Von der Zitierbefugnis gemäß den Sätzen 1 und 2 umfasst ist die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Die Nutzung muss zum Zweck des Zitats erfolgen, was erfordert, dass es zum Zweck der geistigen und künstlerischen Auseinandersetzung verwendet wird. Hieran fehlt es insbesondere, wenn das Zitat die Nutzung des zitierten Werkes beeinträchtigt oder ersetzt.[9] Im Einzelfall zu berücksichtigen ist der Zitatzweck, Inhalt und Umfang des entlehnten Werkes sowie Inhalt und Umfang des zitierenden Werkes.[10] Daneben ist das Änderungsverbot des § 62 UrhG und die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 UrhG zu berücksichtigen.

3. Die Karikatur, Parodie und das Pastiche nach § 51a UrhG

Das Urheberrecht gewährt Dritten nicht nur das Recht, ein Werk zum Zweck des Zitats zu verwenden, sondern nach § 51a UrhG auch zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches, somit der geistigen Auseinandersetzung im Wege der humoristischen, satirischen, parodistischen und verspottenden Bezugnahme.[11]

§ 51a UrhG | Karikatur, Parodie und Pastiche
1Zulässig ist die Vervielfältigung, die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck der Karikatur, der Parodie und des Pastiches. 2Die Befugnis nach Satz 1 umfasst die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des genutzten Werkes, auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist.

Vor der Einführung des § 51a UrhG wurde die Parodie von der Rechtsprechung als ein Fall der „freien Benutzung“ i.S.d. § 24 a.F. UrhG gehandhabt.

Von vornherein beschränkt sich § 51a UrhG auf veröffentlichte Werke. Ob dies mit Art. 5 III lit. k der InfoSoc-RL vereinbar ist, ist fraglich.[12]

§ 51a UrhG differenziert zwischen der Karikatur, Parodie und dem Pastiche, drei Erscheinungsformen, die gemeinsam haben, dass der Parodist das genutzte Werk in einer deutlich erkennbaren Form verwendet. Die genaue Abgrenzung zwischen den Formen ist häufig jedoch nicht möglich.

Nach der Deckmyn-Entscheidung des EuGH liegen die „wesentlichen Merkmale der Parodie darin […] zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare[n] Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen“.[13] Das Vorliegen dieser Kriterien ist objektiv und nicht anhand der Zielrichtung des Schöpfers zu beurteilen.[14] Nicht erforderlich ist dahingegen, dass die Parodie die Voraussetzungen des § 2 II 2 UrhG erfüllt.

Der Begriff der Karikatur ist bislang nicht vom EuGH näher präzisiert worden und kann als einen Unterfall der Parodie definiert werden. Auch für den Begriff des Pastiches besteht bislang keine „scharfe“ Definition. Ob das Pastiche als „Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand“ angesehen werden kann und „die Feststellung einer Absicht des Nutzers, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiche zu nutzen“ erfordert, hat der BGH dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.[15]

Entgegen dem Wortlaut ist auch für die Schranke des § 51a UrhG eine Interessenabwägung erforderlich. Zu berücksichtigen sind insbesondere

  1. Rechte Dritter, insbesondere Persönlichkeitsrechte,
  2. schutzwürdige Rechte des Urhebers, wozu auch gehört, nicht mit der Parodie in Verbindung gebracht zu werden, und
  3. die Meinungs- und Kunstfreiheit des Parodisten.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist im Fall einer Diskriminierung keine Interessenabwägung geboten.[16]

Grundsätzlich ist die nach § 51a UrhG erlaubte Nutzung vergütungsfrei, Diensteanbieter haben jedoch nach § 5 II 1 UrhDaG eine angemessene Vergütung zu zahlen.

4. Die Privatkopie nach § 53 UrhG

Die Zulässigkeit der Kopie zu privatem (Privatkopie) und sonstigem Gebrauch und die Kompensation des Rechteinhabers regeln die §§ 53 ff. UrhG. Hierbei regelt

  1. § 53 I UrhG die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch,
  2. § 53 II UrhG die Vervielfältigung zum sonstigen Gebrauch,
  3. § 53 IV UrhG einen Einwilligungsvorbehalt für geschützte Noten und ganze Bücher und Zeitschriften,
  4. § 53 V UrhG einen Ausschluss für elektronisch zugängliche Datenbankwerke,
  5. § 53 VI, VII UrhG das Verbot der Verbreitung und der öffentlichen Wiedergabe, Aufnahme öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werkes auf Bild- oder Tonträger und die Ausführung von Plänen,
  6. §§ 54 ff. UrhG die Vergütungspflicht für die Vervielfältigung in Form einer Geräte-, Speichermedien- und Betreiberabgabe und
  7. §§ 54e f. UrhG Melde- und Auskunftspflichten

Einer besonderen Bedeutung kommt hierbei der Privatkopie nach § 53 I UrhG zu.

§ 53 I UrhG | Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch
1Zulässig sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. 2Der zur Vervielfältigung Befugte darf die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen, sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.

Der private Gebrauch beschränkt sich hierbei auf den Gebrauch in der Privatsphäre und erfasst insbesondere keine Vervielfältigungen zu Ausbildungszwecken.[17] Die Vervielfältigung selbst hierbei auf „beliebigen Trägern“, somit auch in der Cloud vorliegen.[18]

Bislang nicht geklärt ist, ob ein Tethered Download, somit der Download von Offline-Inhalten, wie Musik oder Filmen, in einer von einem Streaming-Dienst technisch geschützten Verfahren, eine Privatkopie darstellt. Hierbei werden die vom Streaming lizenzierten Inhalte auf Grundlage des geschlossenen Vertrags zu einem Download angeboten. Die Datei selbst ist technisch insoweit gesichert, dass nur das berechtigte Gerät für einen bestimmten Zeitraum auf den heruntergeladenen Inhalt zugreifen kann. Für das Vorliegen einer Privatkopie wird angeführt, dass auf Grundlage des Entschlusses des Verbrauchers eine lokale Kopie erstellt wird. Dagegen wird eingewendet, dass der Nutzer keinerlei Einfluss auf die gespeicherte Datei hat und somit, obwohl sie auf dem Gerät des Nutzers gespeichert ist, der Kontrolle des gewerblichen Streaming-Anbieters liegt. Zudem wird angeführt, dass das heruntergeladene Werk entsprechend bereits lizenziert ist. Angesichts des bestehenden Vertragsverhältnisses wird auch bezweifelt, dass ein „privater Gebrauch“ vorliegt.[19]

5. Das unwesentliche Beiwerk nach § 57 UrhG

Die Schranke des § 57 UrhG ermöglicht es urheberrechtlich geschützte Werke auch ohne die Zustimmung des Urhebers unentgeltlich zu vervielfältigen, verbreiten, so­wie öffentlich wiederzugeben, wenn das Werk bei einer Gesamtbetrachtung nur ein unwesentliches, somit zufälliges oder beliebig austauschbares Beiwerk darstellt.

§ 57 UrhG | Unwesentliches Beiwerk
Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.

Dies liegt vor, wenn aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters das Weglassen oder Austauschen des Beiwerks die Gesamtwirkung des Werkes nicht in irgendeiner Weise beeinflusst.[20]

6. Werke an öffentlichen Plätzen – die „Panoramafreiheit“ nach § 59 I 1 UrhG

Nach § 59 I 1 UrhG ist es zulässig Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Dies beruht auf der Annahme, dass das Aufstellen eines Werkes in der Öffentlichkeit ausdrückt, dieses der Allgemeinheit zu widmen. Dies schließt die gewerbliche Verwertung mit ein.

Grundvoraussetzung ist, dass sich das Werk „an“ öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, somit von diesen aus wahrgenommen werden kann.

Wege, Straßen oder Plätze sind i.S.v. § 59 I 1 UrhG „öffentlich“, wenn sie für jedermann frei zugänglich sind, unabhängig davon, ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen.[21]

Nicht erfasst sind hiervon Werke, die sich in Innenräumen befinden – auch wenn der Raum allgemein zugänglich ist. Dahingegen muss sich das Werk nicht an einem festen Ort befinden, sondern kann diesen wechseln.[22]

Umstritten ist, ob Werke die von vornherein auf eine Dauer befristet sind, bleibende Werke i.S.d. § 59 UrhG darstellen. Aus dem Wortlaut des § 59 UrhG ergibt sich nicht, worauf diese Beurteilung stützen soll.

Nach einer Ansicht ist allein die Widmung des Verfügungsberechtigten ausschlaggeben. Unabhängig der potentiellen Herausforderung, den Willen des Berechtigten im Nachhinein herauszufinden, könnte ein Urheber durch eine gezielte Absichtserklärung die Anwendung des § 59 UrhG verhindern.[23]

Nach der Ansicht des BGH ist dahingegen auf den objektiven Zweck der öffentlichen Präsentation des Werkes abzustellen:

Für eine sachgerechte Abgrenzung kommt es vielmehr auf den Zweck an, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden ist. Der gesetzlichen Regelung, die dem Urheber im Falle einer nur vorübergehenden Aufstellung oder Errichtung seines Werkes weitergehende Rechte vorbehält als im Falle einer auf Dauer gedachten Installation, liegt die Erwägung zugrunde, daß es nicht gerechtfertigt wäre, die Befugnisse des Urhebers auch im Falle einer (vorübergehenden) Aufstellung seiner Werke an öffentlichen Orten über das im Gesetz ohnehin vorgesehene Maß hinaus (vgl. etwa §§ 50, 53, 57, 58 UrhG) einzuschränken. Auch das Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes gebietet eine solche Einschränkung der Urheberbefugnisse nicht. Dieses Interesse ist darauf gerichtet, daß öffentliche Straßen und Plätze etwa auf Postkarten, auf einem Gemälde oder einem Stich, in einem Bildband oder in einem Film wiedergegeben werden können, ohne daß hierfür – falls sich dort urheberrechtlich geschützte Werke befinden – die Zustimmung der Berechtigten eingeholt werden muß. Geht es dagegen um die Wiedergabe von Werken der bildenden Kunst, die vorübergehend auf öffentlichen Plätzen im Kontext einer Ausstellung präsentiert werden, besteht kein Anlaß zu einer entsprechenden Begrenzung urheberrechtlicher Befugnisse.
Maßgeblich ist danach, ob die mit Zustimmung des Berechtigten erfolgte Aufstellung oder Errichtung eines geschützten Werkes an einem öffentlichen Ort der Werkpräsentation im Sinne einer Ausstellung dient, wobei der gesetzlichen Regelung allerdings die Vorstellung einer zeitlich befristeten Ausstellung, nicht einer Dauerausstellung zugrunde liegt.

BGH GRUR 2002, 605 (606 f., unter II.3.d) – Verhüllter Reichstag.

Der Anwendung des § 59 UrhG kann auch die Perspektive der Vervielfältigung entgegenstehen. Nach der h.M. beschränkt sich die Schrankenregelung des § 59 UrhG nur auf die Perspektive „von“ öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, sodass beispielsweise die Perspektive von einer Leiter oder mittels Drohne aus dem Luftraum nicht erfasst sind.[24]

7. Forschung und Lehre nach § 60a ff. UrhG

Nach den §§ 60a ff. UrhG bestehen Schranken für die

  1. Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre zu nicht kommerziellen Zwecken von bis zu 15 % des Werkes nach § 60a UrhG,
  2. Herstellung von Unterrichts- und Lehrmaterialien mit bis zu 10 % eines Werkes nach § 60b UrhG,
  3. zum Zweck der nicht kommerziellen wissenschaftlichen Forschung von bis zu 15 % eines Werkes nach § 60c UrhG und der
  4. Verwendung in Bibliotheken nach § 60e UrhG und Archive, Museen und Bildungseinrichtungen nach § 60f UrhG.

Für diese Nutzungen besteht nach § 60h UrhG ein Anspruch auf angemessene Vergütung.

III. Grenzen der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern nach dem UrhDaG

Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) ergänzt das Urheberrecht und schränkt nach § 1 II 1 UrhDaG die Verantwortung von Diensteanbietern ein:

§ 1 II 1 UrhDaG | Öffentliche Wiedergabe; Verantwortlichkeit des Diensteanbieters
Erfüllt der Diensteanbieter seine Pflichten nach § 4 und den §§ 7 bis 11 nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, so ist er für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich nicht verantwortlich.

Die Definition eines Diensteanbieters richtet sich nach § 2 UrhDaG, ausnahmen hiervon wiederum § 3 UrhDaG die Verpflichtungen von Diensteanbietern aus den §§ 4 ff. UrhDaG. Hierzu gehört nach § 4 I UrhDaG insbesondere die Verpflichtung bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben.

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Der Ausschluss der „Verantwortung“ kann daher je nach den Umständen des Falls im Rahmen der Passivlegitimation als auch der Rechtswidrigkeit thematisiert werden.

Nachweise

[1] OLG Köln GRUR 2023, 56 – Berliner Runde.

[2] Vgl. BGH GRUR 2020, 853 (856, Rn. 40) – Afghanistan Papiere II.

[3] EuGH GRUR 2019, 940 (942 ff., Rn. 34, 68) – Spiegel Online/Volker Beck [Reformistischer Aufbruch].

[4] EuGH GRUR 2019, 940 (944, Rn. 53 ff.) – Spiegel Online/Volker Beck [Reformistischer Aufbruch].

[5] BGH GRUR 2020, 859 (864, Rn. 44 ff.) – Reformistischer Aufbruch II.

[6] Vgl. KG GRUR 2023, 17773 (1778, Rn. 64 ff.) – Lindner-Foto.

[7] Vgl. KG GRUR 2023, 17773 (1778, Rn. 70 ff.) – Lindner-Foto.

[8] Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 51 Rn. 1 f.

[9] Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 51 Rn. 5; Wandtke/Bullinger/Lüft, 6. Aufl. 2022, UrhG § 51 Rn. 7.

[10] Wandtke/Bullinger/Lüft, 6. Aufl. 2022, UrhG § 51 Rn. 6.

[11] Dreier/Schulze/Dreier, 7. Aufl. 2022, UrhG § 51a Rn. 1.

[12] Vgl. BeckOK UrhR/Lauber-Rönsberg, 40. Ed. 1.5.2023, UrhG § 51a Rn. 10; Holotiuk ZUM 2023, 256 (257 ff.).

[13] EuGH GRUR 2014, 972 (973, Rn. 20) – Vrijheidsfonds/Vandersteen [Deckmyn].

[14] Vgl. BGH GRUR 2016, 1157 (1160 f., Rn. 33) – auf fett getrimmt.

[15] BGH GRUR 2023, 1531 – Metall auf Metall V; vgl. ebenfalls die „Eingrenzung“ des Begriffs in Stieper GRUR 2023, 1660.

[16] EuGH GRUR 2014, 972 (974, Rn. 30 f.) – Vrijheidsfonds/Vandersteen [Deckmyn].

[17] Vgl. BGH GRUR 1984, 54 (55, unter 2.a) – Kopierläden.

[18] EuGH GRUR 2022, 558 – Austro-Mechana/Strato.

[19] Ausführlich hierzu und dagegen, dass eine Privatkopie vorliegt Jani/Vonthien ZUM 2023, 73.

[20] BGH GRUR 2019, 813 (818 f., Rn. 59) – Cordoba II m.w.N.

[21] Schricker/Loewenheim/Vogel, 6. Aufl. 2020, UrhG § 59 Rn. 17.

[22] BGH GRUR 2017, 798 (801, Rn. 27 ff.) – AIDA Kussmund.

[23] LG Hamburg GRUR 1989, 591 (592, unter 1) – Neonrevier; Müller/Katzenburg NJW 1996, 2341 (2344, unter IV.3); jeweils m.w.N.

[24] Vgl. OLG Hamm GRUR 2023, 1018 (1020 f., Rn. 37 ff.) – Drohnenaufnahme m.w.N.

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