D. Schutzbereich und die Verletzung von Kennzeichenrechten

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Kennzeichenrechtliche Ansprüche wie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche erfordern einen Eingriff in den Schutzbereich des Kennzeichenrechts. Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung liegt in der Verletzung von Marken nach § 4 MarkenG und von Unionsmarken (I) und von geschäftlichen Kennzeichen (II.), gefolgt von einem Überblick über weitere Kennzeichenrechte (III.)

I. Die Verletzung von Marken nach § 4 MarkenG und von Unionsmarken nach § 14 MarkenG und Art. 9 UMV

Eine Markenverletzung kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Benutzung in der eigenen kommerziellen Kommunikation (§ 14 III – IV MarkenG, Art. 9 III – IV UMV)
  2. ohne Zustimmung des Markeninhabers
  3. im geschäftlichen Verkehr
  4. „markenmäßige Benutzung“
  5. Kollisionstatbestand (§ 14 II MarkenG, Art. 9 II UMV)

1. Die Benutzung in der eigenen kommerziellen Kommunikation nach § 14 III – IV MarkenG und Art. 9 III – IV UMV

Grundvoraussetzung einer Markenverletzung ist die Benutzung der Marke in einer eigenen kommerziellen Kommunikation. Eine nicht abschließende Aufzählung erfasster Benutzungshandlungen enthält § 14 III MarkenG und Art. 9 III UMV, insbesondere

  1. das Anbringen auf Ware oder Verpackung,
  2. das Anbieten, Inverkehrbringen, Besitzen von Waren und Anbieten und Erbringen von Dienstleistungen unter dem Zeichen,
  3. die Ein- und Ausfuhr von Waren unter dem Zeichen,
  4. die Verwendung des Zeichens als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung bzw. als Teil davon und in Geschäftspapieren oder Werbung und
  5. die Verwendung des Zeichens in vergleichender Werbung im Widerspruch zur Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung.

Daneben erfasst § 14 IV MarkenG und Art. 9 UMV bestimmte Vorbereitungshandlungen die mittelbare Mar­kenrechtsverletzung darstellen.

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Eine Zuordnung zu einer der gesetzlich aufgezählten Benutzungshandlungen ist zwar hilfreich, aber nicht immer möglich. Insbesondere folgt nicht aus der Zuordnung die Markenverletzung, sondern aus den Kollisionstatbeständen des § 14 II MarkenG und Art. 9 II UMV.

Eine Markenverletzung erfordert die Benutzung der Mar­ke in der eigenen kommerziellen Kommunikation. Die Rechtsprechung greift hierzu die Definition nach Art. 2 lit. f der RL 2000/31/EG[1] auf:

Art. 2 lit. f RL 2000/31/EG | Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck […] „kommerzielle Kommunikation“ alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt […]

Hieran fehlt es insbesondere, wenn derjenige, der das Zeichen verwendet, nicht selbst nach außen auftritt. Dies ist der Fall

  1. bei Anbietern von Internetreferenzierungsdiensten (wie Google) die es im Rahmen des Keyword-Advertising ermöglichen ein mit der Marke identisches Zeichen als Schlüsselwort zu speichern und bei der Suche nach diesem Anzeigen zu zeigen,[2]
  2. wenn im Auftrag und nach der Anweisung Dritter Handlungen wie die Lagerung von Waren oder das Abfüllen von gestellten Flaschen vorgenommen werden,[3] oder
  3. wenn der Benutzer keine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung hat, beispielsweise weil ein unabhängiger Dritter ohne seine Zustimmung die Handlung vornimmt und der Benutzer ihn ausdrücklich aufgefordert hat dies zu beenden.[4]

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Unlautere vergleichende Werbung kann eine Markenverletzung darstellen und wird ausdrücklich in § 14 III Nr. 7 MarkenG und Art. 9 III lit. f UMV aufgeführt.

Bei Nutzungen mit Auslandsberührung ist die Territorialität des Markenrechts zu berücksichtigen, wonach erforderlich ist, dass die Verletzung zumindest teilweise im territorialen Geltungsbereich der Marke erfolgt ist. Dennoch besteht beim Transit nach § 14a MarkenG eine Markenverletzung, sofern der Benutzer nicht nach § 14a II MarkenG nachweist, „dass der Inhaber der eingetragenen Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung nicht berechtigt ist, das Inverkehrbringen der Waren im endgültigen Bestimmungsland zu untersagen.“

Besonderheiten bestehen bei Benutzungshandlungen im Internet, da diese in der Regel auch vom Inland aus aufrufbar sind und dies ansonsten

zu einer uferlosen Ausdehnung des Schutzes nationaler Kennzeichenrechte und – im Widerspruch zur Dienstleistungsfreiheit nach Art. [56 AEUV] – zu einer unangemessenen Beschränkung der Selbstdarstellung ausländischer Unternehmen führen [würde]. Damit einhergehen würde eine erhebliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten von Kennzeichenrechten im Internet, weil die Inhaber verwechslungsfähiger Kennzeichenrechte, die in verschiedenen Ländern geschützt sind, unabhängig von der Prioritätslage wechselseitig beanspruchen könnten, daß die Benutzung des Kollisionszeichens unterbleibt. Die Anwendung des Kennzeichenrechts in solchen Fällen darf nicht dazu führen, daß jedes im Inland abrufbare Angebot ausländischer Dienstleistungen im Internet bei Verwechslungsgefahr mit einem inländischen Kennzeichen kennzeichenrechtliche Ansprüche auslöst. Erforderlich ist vielmehr, daß das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug […] aufweist […].

BGH GRUR 2005, 431 (432 f., unter II.2.b) – HOTEL MARITIME.

Ob ein hinreichend wirtschaftlicher Inlandsbezug vorliegt, ist insbesondere anhand der Sprache und Domain der Webseite und der Werbe- und Belieferungsaktivitäten des Benutzers zu beurteilen.

2. Die Benutzung ohne Zustimmung des Markeninhabers

Die Zustimmung des Markeninhabers, beispielsweise in Form einer einfachen oder ausschließlichen Lizenz der einer Einwilligung steht einer Markenverletzung entgegen. Umstritten ist, ob es sich um einen Rechtfertigungsgrund oder um ein negatives Tatbestandsmerkmal han­delt.

3. Die Benutzung im geschäftlichen Verkehr

In Abgrenzung zu Handlungen, die im privaten, politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und amtlichen Bereich stattfinden, ist die Benutzung im geschäftlichen Verkehr erforderlich. Dies ist der Fall, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit erfolgt bzw. die Benutzung einem beliebigen eigenen oder fremden Geschäftszweck dient.[5] An das Vorliegen der Benutzung im geschäftlichen Verkehr sind keine hohen Anforderungen zu stellen.[6]

Nur dann, wenn die Benutzung ausschließlich privaten, wissenschaftlichen, ideellen, politischen oder ähnlichen Zwecken dient, besteht keine Benutzung im geschäftlichen Zweck. Zu berücksichtigen sind hier alle nach außen tretenden Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Person des Benutzers und die Benutzungshandlung.[7] Bei Gewerbetreibenden besteht die widerlegliche Vermutung der Benutzung im geschäftlichen Verkehr.[8] Bei der Markenbenutzung durch Verbraucher sind insbesondere die Besonderheiten bei Privatverkäufen im Internet, der privaten Einfuhr und privaten Webseiten mit Werbung zu beachten.

a. Problem: Privatverkäufe im Internet

Verkaufsplattformen im Internet ermöglichen es, mit geringem Aufwand eine große Anzahl an potenziellen Kunden zu erreichen und weisen – mit Ausnahme der handelnden Person – Parallelen zum Online-Handel auf. Bei der Beurteilung, ob eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr vorliegt, ermöglicht die Beurteilung der Benutzungshandlung selbst in der Regel keine eindeutige Abgrenzungsmöglichkeit, auch die Nutzung von AGB in Form von Haftungsausschlüssen ist bei Privatverkäufen verbreitet und kann nicht als Abgrenzungskriterium verwendet werden.

Ausschlaggebend sind daher das Verhalten und das Auftreten des Verkäufers, insbesondere die Anzahl der gleichgelagerten Angebote, die zeitliche Dimension und das Auftreten des Verkäufers, insbesondere die Einräumung von Widerrufsrechten. Handelt es sich hiernach um einen Unternehmer i.S.d. § 14 I BGB, liegt in der Regel eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr vor, wird der Verkäufer dahingegen als Verbraucher eingeordnet, in der Regel nicht.[9]

b. Problem: Die private Einfuhr

Auch bei der Einfuhr von Waren aus dem Ausland ist danach zu differenzieren, mit welcher nach außen erkennbaren Zielrichtung gehandelt wird. Neben der Person sind hierbei die Art und Anzahl der eingeführten Gegenstände und, sofern von außen erkennbar, deren Verwendungszweck zu berücksichtigen. Wird dahingegen eine markenrechtsverletzende Einfuhr durch ein Unternehmen durchgeführt, unterliegt die Ware der Zollbeschlagnahme.[10]

c. Problem: Private Webseiten mit Werbung

Auch bei der Benutzung einer Marke auf einer privaten Webseite ist nach der nauch außen auftretenden Zielrichtung zu differenzieren. Besteht ein Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit, wie bei der Verwendung von Werbe-Bannern, ist in der Regel der gesamte Internetauftritt als eine Handlung im geschäftlichen Verkehr anzusehen.[11]

4. Die „markenmäßige“ Benutzung bzw. die Verwendung als Marke

Markenrechtlicher Schutz beschränkt sich auf die Verwendung der Marke als Marke.

Eine markenmäßige Benutzung […] setzt voraus, dass die beanstandeten Bezeichnungen im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dienen.[12]

An einer markenmäßigen Benutzung kann es insbesondere fehlen, wenn ein Zeichen rein dekorativ oder beschreibend benutzt wird und nicht herkunftsverweisend verstanden wird. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls insbesondere die spezifischen Gewohnheiten der maßgeblichen Branche und des angesprochenen, maßgeblichen Verkehrs zu berücksichtigen. Ausschlaggebend ist, ob erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrskreises in der konkreten Markenbenutzung einen Herkunftshinweis sehen.[13]

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die markenmäßige Benutzung nicht als eigener Prüfungspunkt zu prüfen, sondern Teil der Prüfung, ob die von den Kollisionstatbeständen geschützten Funktionen der Marke verletzt sind. Da die Funktion einer Marke in der Regel nur dann verletzt ist, wenn das Zeichen als eine Marke verwendet wird, ergibt sich in der Regel kein Unterschied.

Sollte ein Streitentscheid über die Notwendigkeit einer markenmäßigen Benutzung zu führen sein, kann zugunsten der Ansicht des EuGH angeführt werden, dass die Kollisionstatbestände eine flexiblere und zielgerichtetere Prüfung ermöglichen.

5. Zuordnung zu einem Kollisionstatbestand nach § 14 II MarkenG und Art. 9 II UMV

Bei den Kollisionstatbeständen des § 14 II MarkenG und Art. 9 II UMV können unterschieden werden der

  1. Identitätsschutz (§ 14 II 1 Nr. 1 MarkenG, Art. 9 II lit. a UMV),
  2. Verwechslungsschutz (§ 14 II 1 Nr. 2 MarkenG, Art. 9 II lit. b UMV), und der
  3. Bekanntheitsschutz (§ 14 II 1 Nr. 3 MarkenG, Art. 9 II lit. b UMV).

a. Der Identitätsschutz nach § 14 II 1 Nr. 1 MarkenG und Art. 9 II lit. a UMV

Der Kollisionstatbestand des § 14 II 1 Nr. 1 MarkenG und Art. 9 II lit. a UMV dient dem Identitätsschutz.

§ 14 II 1 Nr. 1 MarkenG | Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke
Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zei-chen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, […]

Dies erfordert

  1. die Verwendung eines identischen Zeichens für identische Produkte (Doppelidentität) und
  2. die Beeinträchtigung einer Markenfunktion.

Erforderlich ist grundsätzlich die vollständige Übereinstimmung der kollidierenden Zeichen, nur geringfügige Unterschiede, die einem Durchschnittsverbraucher entgehen können, sind hiervon ausgenommen.[14] An der Doppelidentität fehlt es insbesondere bei

  1. Abweichungen im Zeichen, insbesondere bei zusätzlichen oder fehlenden Bestandteilen und
  2. abweichenden Warenkategorien, wobei jedoch ausreichend ist, wenn das verwendete Zeichen von dem Oberbegriff der geschützten älteren Marke erfasst wird.[15]

Besteht Doppelidentität gewährt der Identitätsschutz umfassenden Schutz, sodass neben „Pirateriefällen“ auch jede Benutzung (in der eigenen kommerziellen Kommunikation im geschäftlichen Verkehr und ohne Zustimmung des Markeninhabers) erfasst ist, sofern hierdurch eine der Markenfunktionen beeinträchtigt wird.[16]

Beeinträchtigung derHerkunftsfunktionwenn (1) eine wirtschaftliche Verbindung zwischen Zeichenverwender und Markeninhaber suggeriert wird oder (2) „ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer auf der Grundlage des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der Werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist“.[17]
Werbefunktionwenn die Möglichkeit, die Marke als Element der Verkaufsförderung oder als Instrument der Handelsstrategie einzusetzen, beeinträchtigt wird,[18] wie im Falle des Imagetransfers.
Investitions­funktionwenn die Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für identische Waren oder Dienstleistungen, Auswirkungen auf den Erwerb oder der Wahrung eines Rufes hat, der geeignet ist, Verbraucher anzuziehen und zu binden.[19]
Kommunikations­funktion – Reichweite und Inhalt bislang nicht vom EuGH näher definiert –
Qualitätsfunktion – Reichweite und Inhalt bislang nicht vom EuGH näher definiert –
aa. Die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion beim Vertrieb von Originalware

Problematisch ist, ob der Vertrieb von Originalware durch Zeichenverwender, die nicht Markeninhaber sind, eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion darstellt.

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt die Herkunftsfunktion die Hauptfunktion einer Marke dar und wird beeinträchtigt, wenn Originalware durch Dritte in den Verkehr gebracht wird. Auch unter Berücksichtigung der Systematik des Markenrechts und der Erschöpfung nach § 24 II MarkenG kann dies angenommen werden, da andernfalls mangels Verletzung der Schranke kein Anwendungsraum bleiben würde.[20]

Hiergegen kann angeführt werden, dass statt der Herkunftsfunktion eine Beeinträchtigung anderer Funktionen vorliegt, da keine Täuschung über die betriebliche Herkunft der Ware vorliegt, sondern nur über die Identität des Anbietenden.

b. Der Verwechslungsschutz nach § 14 II 1 Nr. 2 MarkenG und Art. 9 II lit. b UMV

Der Kollisionstatbestand des § 14 II 1 Nr. 2 MarkenG und Art. 9 II lit. b UMV dient dem Verwechslungsschutz.

§ 14 II 1 Nr. 2 MarkenG | Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke 
Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, […]

Dies erfordert

  1. Zeichenähnlichkeit im Rahmen des Zeichenvergleichs),
  2. Produktähnlichkeit (im Rahmen des Vergleichs der Waren und Dienstleistungen) und
  3. Kennzeichnungskraft der Marke, die im Rahmen einer
  4. Gesamtbetrachtung in einem beweglichen System zu beurteilen sind und Verwechslungsgefahr begründen und die
  5. Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist jeweils zwischen den verschiedenen Zeichen zu differenzieren, sofern sie kein zusammengesetztes Zeichen darstellen. Handelt es sich um zusammengesetzte Zeichen, somit Zeichen, die nur in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden, ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck abzustellen. Dennoch können nach der sog. Prägetheorie bestimmte Bestandteile eines Kennzeichens eine prägende bzw. dominierende Kennzeichenwirkung haben, wenn alle anderen Bestandteile zu vernachlässigen sind.[21] Dies gilt jedoch nicht, wenn das zusammengesetzte Zeichen „durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten zum einen und einer normal kennzeichnungskräftigen eingetragenen Marke zum anderen gebildet wird und letztere in dem zusammengesetzten Zeichen, ohne allein seinen Gesamteindruck zu prägen, eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält“,[22] da dies den Inhaber der älteren bzw. vom Verletzer verwendeten Mar­ke sein ausschließliches Recht „beraubt“, da sonst „der Schutz der Herkunftsfunktion der Mar­ke nicht gewährleistet [wird], obwohl diese Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung in dem zusammengesetzten Zeichen behalten hat“.[23]

aa. Zeichenähnlichkeit

Grundvoraussetzung ist eine klangliche, visuelle oder begriffliche Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem vom Verletzer verwendeten Zeichen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers.[24]

Ausreichend ist hierbei bereits eine Ähnlichkeit in einem der Bereiche, somit der Klangwirkung, der Bildwirkung oder des Sinngehalts, jedoch kann nach der Neutralisierungstheorie die Zeichenidentität ausscheiden, wenn das Zeichen entweder klanglich, visuell oder begrifflich eindeutig anders – also nicht ähnlich – aufgenommen wird.

Bei Marken in einer (für einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise) fremden Sprache, kann dem Zeichen auch kein Sinngehalt beizumessen sein.[24a]

Daneben kann sich Zeichenähnlichkeit nach der Rechtsprechung des BPatG auf Grundlage der Rechtsfigur der sog. komplexen Markenähnlichkeit ergeben. Danach bestehen eine komplexe Ähnlichkeit und Verwechslungsgefahr, wenn sich zwei Marken „klanglich, schriftbildlich und begrifflich sehr nahe kommen [und] Verwechslungen aus der Erinnerung heraus nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden“. Begründung diese – vom BGH bislang ungeklärte – Rechtsfigur damit, dass Marken fast nie gleichzeitig nebeneinander wahrgenommen werden und so Verbraucher ein ungenaues Erscheinungsbild von einer Marke haben.[24b]

bb. Produktähnlichkeit

Zwischen den Waren und Dienstleistungen, für die die Marke geschützt ist, und den Waren und Dienstleistungen, für die der Verletzer das ähnliche Zeichen verwendet muss Identität oder Ähnlichkeit bestehen. Ausgangspunkt des Vergleichs zwischen den Produkten sind bei Registermarken die eingetragenen Warenklasse und die Art und Verwendung der Waren oder Dienstleistungen.

cc. Kennzeichnungskraft der Marke

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung als ungeschriebenes Merkmal auch die Kennzeichnungskraft der Marke zu beurteilen, die sich aus der Eigenart und Bekanntheit der Marke ergibt, nicht jedoch aus der Eintragung im Register.[25]

Während die intensive Benutzung oder Werbung eine gesteigerte bzw. erhöhte Kennzeichnungskraft begründen kann, kann aus der „Nähe“ zu Schutzhindernissen nach § 8 II MarkenG eine eingeschränkte bzw. schwache Kennzeichnungskraft resultieren. Ausnahmsweise kann die Kennzeichnungskraft einer Marke durch Drittkennzeichen geschwächt werden, wenn diese im Bereich der gleichen oder eng benachbarter Waren oder Dienstleistungen in einem Umfang tatsächlich in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Zeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken.[26]

dd. Gesamtbetrachtung und Verwechslungsgefahr

Die Zeichenähnlichkeit, Produktähnlichkeit und Verwechslungsgefahr bilden ein bewegliches System. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen. In der Regel besteht bei Zeichenähnlichkeit, Produktähnlichkeit und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr.

Fehlt es an Zeichenähnlichkeit oder Produktähnlichkeit, scheidet eine Verwechslungsgefahr aus. Die Gesamtbetrachtung ermöglicht es eine geringere Ausprägung eines Merkmals durch eine stärkere Ausprägung eines anderen auszugleichen. Im Ergebnis besteht jedoch entweder Verwechslungsgefahr oder nicht.

Die Verwechslungsgefahr kann weiter unterteilt werden in die

  1. unmittelbare Verwechslungsgefahr in Form der Gefahr der Verwechslung der Produkte,
  2. mittelbare Verwechslungsgefahr in Form der Gefahr der fälschlichen Annahme der Herkunft aus demselben Unternehmen, und der
  3. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne in Form der Gefahr der Annahme vertraglicher Beziehungen zwischen dem Markeninhaber und dem Verletzer.
ee. Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion

Neben der Verwechslungsgefahr muss auch die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt werden. Dies wird durch die Verwechslungsgefahr indiziert, kannjedochauf Basis der Umstände der konkreten Zeichenverwendung – nicht dahingegen weiterer Umstände wie dem Preis oder Angaben wie Disclaimern – widerlegt werden.

c. Der Bekanntheitsschutz nach § 14 II 1 Nr. 3 MarkenG und Art. 9 II lit. c UMV

Der Kollisionstatbestand des § 14 II 1 Nr. 3 MarkenG und Art. 9 II lit. c UMV dient dem Bekanntheitsschutz und dem damit verbundenen Investitionen des Inhabers.

§ 14 II 1 Nr. 3 MarkenG | Ausschließliches Recht des Inhabers einer Marke
Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Hierfür ist erforderlich

  1. die Bekanntheit des Zeichens (im Inland)
  2. die Ähnlichkeit des Zeichens jedoch keine Zeichenähnlichkeit i.S.d. § 14 II 1 Nr. 2 MarkenG und Art. 9 II lit. b UMV,
  3. die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft
  4. ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise.
aa. Bekanntheit eines Zeichens

Grundvoraussetzung ist die Bekanntheit der Marke.

Eine Marke ist bekannt, wenn sie einem bedeutenden Teil des Publikums, welches von den Waren und Dienstleistungen, die von der Marke umfasst sind, betroffen ist bekannt ist.[2]

Hierbei sind zu berücksichtigen

  1. der Marktanteil der Marke,
  2. die geografische Ausdehnung der Verwendung,
  3. die Dauer, Intensität und der Umfang der Investitionen.[28]

Zur Ermittlung der Bekanntheit eines Zeichens werden in der Regel Verkehrsbefragungen durchgeführt und von der Bekanntheit des Zeichens kann in der Regel bei einem Bekanntheitsgrad von mehr als 30 % ausgegangen werden. Ausreichend ist für eine Unionsmarke die Bekanntheit in einem wesentlichen Teil des Unionsgebietes, somit auch im Gebiet eines einzelnen Mitgliedstaates.[28a]

Von der Bekanntheit einer Marke i.S.d. § 14 II 1 Nr. 3 MarkenG zu unterscheiden sind die Kennzeichnungskraft (§ 14 II 1 Nr. 2 MarkenG), Verkehrsgeltung (§ 4 Nr. 2 MarkenG), notorische Bekanntheit (§ 4 Nr. 3 MarkenG) und die Verkehrsdurchsetzung (§ 8 III MarkenG)

bb. Ähnlichkeit eines Zeichens

Auch nach § 14 II Nr. 3 MarkenG und Art. 9 II lit. c UMV ist es erforderlich, dass ein identisches oder ähnliches Zeichen vorliegt. Da jedoch keine Verwechslungsgefahr erforderlich ist, ist bereits – im Gegensatz zum Verwechslungsschutz – eine geringe Zeichenähnlichkeit ausreichend. Nur bei Zeichenunähnlichkeit, scheidet auch Bekanntheitsschutz aus.[28b]

Ausreichend ist vielmehr bereits, wenn der angesprochene Verkehr das verwendete Zeichen mit der bekannten Marke gedanklich in Verbindung bringt.[29]

cc. Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft

Weitere Voraussetzung ist die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft.

Hierbei ist die Ausnutzung der Wertschätzung oder der Unterscheidungskraft aus der Sicht vom Verletzer angesprochenen Verkehrs zu bestimmen, während die Beeinträchtigung der Wertschätzung oder Unterscheidungskraft aus der Sicht, der von der bekannten Marke angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen ist.

Der EuGH differenziert nicht wie der BGH und die Darstellung hier zwischen vier verschiedenen Eingriffstatbeständen, sondern fasst die Ausnutzung der Wertschätzung und Unterscheidungskraft zusammen.

(1) Die Wertschätzung einer Marke

Aus der Bekanntheit einer Marke kann nicht auf das Vorliegen von Wertschätzung geschlussfolgert werden. Erfasst werden jede positive Assoziation, die der Verkehr mit der Marke verbindet. Hierzu zählen insbesondere

  1. die mit der Marke verbundenen Qualitätsvorstellungen,
  2. der Markterfolg des Produkts,
  3. Luxus-, Exklusivitäts- und Prestigevorstellung und
  4. Größe, Alter, Tradition, Erfolg und Leistungsfähigkeit des herstellenden bzw. vertreibenden Unternehmens.[30]
(2) Die Ausnutzung der Unterscheidungskraft bei der Parodie einer Marke

Auch bei der Parodie einer bekannten Marke liegt eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft vor, da gerade die durch die bekannte Marke gewonnene Aufmerksamkeit für die eigenen Waren genutzt wird.

dd. Ausnutzung oder Beeinträchtigung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise

Zuletzt muss die Ausnutzung oder Beeinträchtigung ohne rechtfertigenden Grund und in unlauterer Weise erfolgen.

In Rahmen eines Gutachtens bietet es sich an, rechtfertigende Gründe und die Unlauterkeit in zwei Prüfungsschritten zu prüfen, da die Unlauterkeit auch dann fehlen kann, wenn keine rechtfertigenden Gründe bestehen.

Bei der Prüfung von rechtfertigenden Gründen zu berücksichtigen sind

  1. die Schranken der §§ 23, 24 MarkenG,
  2. Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit (GRCh) und
  3. gesetzliche Regelungen und Wertungen wie des § 6 II UWG für vergleichende Werbung.

In der anschließenden Prüfung der Unlauterkeit sind die entgegenstehenden Interessen, insbesondere

  1. der Grad der Beeinträchtigten Interessen des Markeninhabers,
  2. die Interessen des Verletzers und
  3. die Interessen der Allgemeinheit, Traditionen und Erwartungen des Verkehrs zu berücksichtigen.

Nachweise

[1] Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnen-markt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“)

[2] Vgl. EuGH GRUR 2010, 445 (447, Rn. 56) – Google France.

[3] Vgl. EuGH GRUR 2012, 268 – Winters/Red Bull.

[4] Vgl. EuGH GRUR 2016, 375 – Daimler/Együd Garage.

[5] Vgl. EuGH GRUR 445 (447, Rn. 50) – Google France; BGH GRUR 2004, 241 (242, unter II.1) – GeDIOS; BGH GRUR 2019, 79 (80, Rn. 19) – Tork.

[6] BGH GRUR 2009, 871 (872, Rn. 23) – Ohrclips.

[7] BGH GRUR 2002, 622 (624, unter II.1.b) – shell.de.

[8] Vgl. BGH GRUR 1993, 761 (762, unter II.2) – Makler-Privatangebot.

[9] Vgl. BeckOK MarkenR/Mielke, 36. Ed. 1.1.2024, MarkenG § 14 Rn. 74 m.w.N., wo zusätzlich noch zwischen dem Angebot von Neuware und Gebrauchtware differenziert wird und die Verwendung von AGB berücksichtigt wird.

[10] BeckOK MarkenR/Mielke, 36. Ed. 1.1.2024, MarkenG § 14 Rn. 82 m.w.N.

[11] BeckOK MarkenR/Mielke, 36. Ed. 1.1.2024, MarkenG § 14 Rn. 86 m.w.N.

[12] BGH GRUR 2017, 730 (732, Rn. 21) – Sierpinski-Dreieck; ausführlich Wagner GRUR 2023, 772; jeweils m.w.N.

[13] Vgl. OLG Hamburg GRUR 2023, 491 (496, Rn. 103 ff.) – VW Bulli m.w.N. zur Rechtsprechung des BGH.

[14] EuGH GRUR 2003, 422 (425, Rn. 50 ff.) – Arthur/Arthur et Félicie.

[15] Vgl. BGH GRUR 2009, 1055 (1059, Rn. 64) – airdsl.

[16] Hierzu und zu den Markenfunktionen EuGH GRUR 2009, 756 (761, Rn. 58) – L’Oréal/Bellure.

[17] EuGH GRUR 2010, 445 (449, Rn. 89 f.) – Google France.

[18] EuGH GRUR 2010, 445 (449, Rn. 92) – Google France.

[19] EuGH GRUR 2011, 1124 (1128, Rn. 62 f.) – Interflora.

[20] Hierzu EuGH GRUR 2015, 897 (899, Rn. 47 ff.) – TOP Logistics ua/Bacardi.

[21] Vgl. EuGH GRUR 2007, 700 (702, Rn. 42) – HABM/Shaker Limoncello; EuGH GRUR 2016, 80 (82, Rn. 37 ff.) – BGW/Scholz m.w.N.

[22] EuGH GRUR 2005, 1042 (1044, Rn. 37) – THOMSON LIFE.

[23] EuGH GRUR 2005, 1042 (1044, Rn. 33 ff.) – THOMSON LIFE.

[24] Zu den Wirkungen EuGH GRUR 2006, 413 (414, Rn. 19) – ZIRH/SIR; zum Durchschnittsverbraucher EuGH GRUR 2005, 1042 (1044, Rn. 28) – THOMSON LIFE; BGH GRUR 2015, 1009 (1011, Rn. 24) – BMW-Emblem.

[24a] EuG GRUR-RR 2023, 487 (490, 41) – KAUFDAS ONLINE.

[24b] So z.B. BPatG, Beschl. v. 26.07.2022 – 26 W (pat) 38/17 (unter II.5.b ff.); BPatG GRUR 2023, 1541 (1547 f., Rn. 92 ff.) – Power Horse/Black Horse; jeweils m.w.N.; zur Unterlassenen (gebotenen) Zulassung der Rechtsbeschwerde und der mangelnden rechtlichen Überprüfung durch den BGH vgl. BGH GRUR 2023, 1293 (1295, Rn. 17) – Silver Horse/Power Horse.

[25] BPatG GRUR 2023, 639 (641, Rn. 30) – sanans/fluctus sanans.

[26] Vgl. BGH GRUR 2009, 766 (769, Rn. 32) – Stofffähnchen; BGH GRUR 2012, 930 (934, Rn 40) – Bogner B/Barbie B; jeweils m.w.N.

[27] Vgl. EuGH GRUR 2019, 621 (624, Rn. 47) – ÖKO-Test Verlag/Dr. Liebe m.w.N.

[28] BeckOK MarkenR/Mielke, 36. Ed. 1.1.2024, MarkenG § 14 Rn. 537; EuGH GRUR 2009, 1158 (1159, Rn. 25) – PAGO.

[28a] EuGH GRUR 2015, 1002 (1003, Rn. 19) – Iron & Smith/Unilever m.w.N.

[28b] BGH GRUR 2020, 401 (403, Rn. 28) – ÖKO-TEST I m.w.N.

[29] Vgl. BGH GRUR 2004, 779 (783, unter B.I.2) – Zwilling/Zweibrüder; BGH GRUR 2009, 772 (777 f., Rn. 71) – Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 2020, 401 (403, Rn. 28) – ÖKO-TEST I m.w.N.

[30] Vgl. Ingerl/Rohnke/Nordemann/Nordemann-Schiffel, 4. Aufl. 2023, MarkenG § 14 Rn. 1366.

[31] TEXT.

[32] TEXT.

[33] TEXT.

[34] TEXT.

[35] TEXT.

[36] TEXT.

[37] TEXT.

[38] TEXT.

[39] TEXT.

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D. Schutzbereich und die Verletzung von Kennzeichenrechten

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