E. Schranken des Kennzeichen­schutzes

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Kennzeichenrechtlichen Ansprüchen können nach den §§ 20 ff. MarkenG und nach Art. 127 III UMV ausgeschlossen sein. Hervorzuheben ist insbesondere

  1. die Verjährung von Ansprüchen nach § 20 MarkenG,
  2. die Verwirkung von Ansprüchen nach § 21 MarkenG und Art. 137 I 2 UMV i.V.m. Art. 61 I, II UMV,
  3. der Ausschluss von Ansprüchen wegen Bestandskraft nach § 22 MarkenG und Art. 16 UMV,
  4. der Ausschluss von Ansprüchen wegen der Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben nach § 23 MarkenG und Art. 14 UMV,
  5. der Ausschluss infolge Erschöpfung nach § 24 MarkenG,
  6. der Ausschluss von Ansprüchen bei mangelnder Benutzung nach § 25 I MarkenG und Art. 127 III, 18 UMV,
  7. der Rechtfertigung durch entsprechende Anwendung der Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen bei Gleichgewichtslagen und
  8. der Ausschluss von Ansprüchen wegen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB.

Ausgeschlossen ist dahingegen eine analoge Anwendung der Reparaturklausel des Art. 110 I GGV, die die Rechte des Inhabers einer Unionsmarke beschränken würde.[1] Entsprechendes müsste für § 40a DesignG gelten.

I. Die Verjährung von Ansprüchen nach § 20 MarkenG

Auf die Verjährung kennzeichenrechtliche Ansprüche finden nach § 20 1 MarkenG die §§ 194 ff. BGB entsprechende Anwendung, sodass die regelmäßige Verjährung nach § 195 BGB drei Jahre beträgt und nach § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder erlangen müsste. Nach § 20 2 MarkenG ist für Bereicherungsansprüche § 852 BGB entsprechend anzuwenden.

Das UMV enthält keine Regelung zur Verjährung von Ansprüchen.

II. Die Verwirkung von Ansprüchen nach § 21 MarkenG und Art. 137 I 2 UMV i.V.m. Art. 61 I, II UMV

Neben den allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung von Ansprüchen nach § 242 BGB sind nach § 21 I, II MarkenG Ansprüche gegen die Benutzung einer Marke mit jüngerem Zeitrang ausgeschlossen, soweit der Inhaber der Marke „die Benutzung der Marke während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat, es sei denn, daß die Anmeldung der Marke mit jüngerem Zeitrang bösgläubig vorgenommen worden ist.“ Die Verwirkung von Unionsmarken richtet sich nach Art. 61 I, II UMV und nach Art. 137 I 2 UMV ist die Geltendmachung von Ansprüchen bei einer Verwirkung ausgeschlossen.

Die Verwirkung erfordert somit

  1. die Benutzung des jüngeren Zeichens i.S.v. § 21 I, II MarkenG bzw. Art. 61 I, II UMV
  2. über fünf aufeinanderfolgende Jahre
  3. in Kenntnis und unter Duldung des Inhabers der älteren Marke
  4. ohne bösgläubige Anmeldung.

Die Benutzung eines jüngeren Zeichens i.S.v. § 21 I, II MarkenG bzw. Art. 61 I, II UMV erfasst jede Verwendung innerhalb des Schutzbereichs des älteren Zeichens.[2]

Die Benutzung einer Marke erfordert somit die Kennzeichnung der vom Markenschutz erfassten Waren und Dienstleistung und die Benutzung einer geschäftlichen Kennzeichnung die Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebs.

Dies muss sowohl in positiver Kenntnis und unter der Duldung des Inhabers der älteren Marke für einen Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren geschehen.

Die Benutzung einer Marke wird geduldet, wenn der Inhaber der älteren Marke oder des sonstigen Rechts untätig bleibt, obwohl er in Kenntnis von der Benutzung keine Maßnahmen ergreift, die ihm zur Verfügung standen, um diesem Zustand abzuhelfen.[3]

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein behördlicher oder gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt wird, jedoch nicht, wenn nach einer erfolglosen Abmahnung keine rechtsverbindliche Lösung verfolgt wird.

Der Zeitraum von fünf aufeinanderfolgenden Jahren knüpft weder an die Eintragung der Marke noch an das Entstehen des verwirkten Anspruchs an. Die Verwirkungsfrist kann jedoch erst nach Eintragung der jüngeren Marke beginnen.[4]

Die Bösgläubigkeit der Anmeldung der jüngeren Mar­ke muss vom Inhaber der älteren Marke bewiesen und dargelegt werden.

III. Der Ausschluss von Ansprüchen wegen Bestandskraft nach § 22 MarkenG und Art. 16 UMV

Nach § 22 MarkenG werden in drei Konstellationen Ansprüche aus der Benutzung einer Marke mit jüngerem Zeitraum ausgeschlossen. Dies ist der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Eintragung der jüngeren Marke

  1. die ältere Marke nicht bekannt war,
  2. die Eintragung der älteren Marke wegen Verfalls oder wegen absoluter Schutzhindernisse hätte für verfallen oder für nichtig erklärt und gelöscht werden können, oder
  3. noch keine Verwechslungsgefahr bestand.

Zugleich kann jedoch nach § 22 II MarkenG der Inhaber der Marke mit jüngerem Zeitrang die Benutzung der älteren Marke nicht untersagen.

IV. Der Ausschluss von Ansprüchen wegen der Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben nach § 23 MarkenG und Art. 14 UMV

Nach § 23 MarkenG darf Dritten nicht untersagt werden den Namen oder die Anschrift einer natürlichen Person, Zeichen ohne jegliche Unterscheidungskraft sowie beschreibende Zeichen und Zeichen zur Identifizierung oder zum Verweis auf Waren zu benutzen, wenn diese Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht. Dies kann insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn bewusst eine Verwechslungsgefahr herbeigeführt oder nicht vermieden wird oder der Anwendungsbereich gezielt herbeigeführt wird. Eine Benutzung zur Identifizierung oder zum Verweis auf Waren ist nur dann zulässig, wenn dies notwendig ist.[5]

V. Der Ausschluss infolge Erschöpfung nach § 24 MarkenG

Ansprüche aus Verletzungen im Vertriebsweg werden nach § 24 MarkenG infolge Erschöpfung ausgeschlossen.

Die Erschöpfung erfordert

  1. das Inverkehrbringen in Form des Übergangs der Verfügungsgewalt einer Ware, die unter der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung
  2. vom Inhaber oder mit dessen Zustimmung
  3. innerhalb der EU bzw. der EWR und
  4. keine berechtigten Gründe sich dem zu widersetzen wie Veränderungen oder Verschlechterungen des Zustands der Ware.

Die Beweislast dafür, dass eine Ware in den Verkehr gebracht wurde, trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Erschöpfung beruft. Besteht jedoch die Gefahr einer Marktabschottung, ist in unionsrechtskonformer Auslegung unter Berücksichtigung der des Schutzes des freien Warenverkehrs nach Art. 34, 36 AEUV die Beweislast dem Anspruchssteller zuzuweisen.[6] Oder in den Worten des EuGH:

Die nationalen Modalitäten der Beweiserhebung und Beweiswürdigung hinsichtlich der Erschöpfung des Rechts aus einer Marke müssen somit den Erfordernissen des Grundsatzes des freien Warenverkehrs gerecht werden und sind daher zu modifizieren, wenn sie es dem Inhaber dieser Marke ermöglichen könnten, die nationalen Märkte abzuschotten und damit den Fortbestand von bestehenden Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern […]

EuGH GRUR 2024, 212 (215, Rn. 59) – Hewlett Packard Development Company.

Der Ausschluss von Ansprüchen infolge Erschöpfung findet nach § 24 II MarkenG keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe vorliegen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn

  1. der Zustand der Ware verändert oder verschlechtert wird,
  2. die Wertschätzung bzw. der Ruf der Marke ausgenutzt oder beeinträchtigt wird,[7] oder
  3. eine Irreführung vorliegt.[8]

Besonderheiten gelten nach der Rechtsprechung für das Umpacken von Waren. Dies ist nach den sog. BMS-Kriterien zulässig, wenn

  1. sonst eine künstliche Abschottung die Märkte zwischen den Mitgliedstaaten vorliegt,
  2. das Umpacken den Originalzustand des Arzneimittels nicht beeinträchtigt,
  3. das Umpacken den Ruf der Marke nicht schädigt,
  4. auf der Verpackung klar angegeben ist, von wem die Ware umgepackt worden ist und wer der Hersteller ist, und
  5. der Markeninhaber hiervon unterrichtet wird und auf Verlangen Muster geliefert werden.[9]

VI. Der Ausschluss von Ansprüchen bei mangelnder Benutzung nach § 25 I MarkenG und Art. 127 III, 18 UMV

Kennzeichenrechtlicher Schutz erfordert die Benutzung einer Marke. Wird eine Marke nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist nicht benutzt, sind Ansprüche gegen die Benutzung des Zeichens durch Dritte ausgeschlossen.

Die Einrede der Nichtbenutzung nach § 25 MarkenG erfordert

  1. den Ablauf der Benutzungsschonfrist,
  2. keine rechtserhaltende somit ernsthafte Benutzung im Inland für Waren oder Dienstleistungen für die die Marke eingetragen ist (§ 26 MarkenG)
  3. in den letzten fünf Jahren vor der Geltendmachung des Anspruchs

Grundvoraussetzung der Einrede der Nichtbenutzung nach § 25 MarkenG ist, dass seit fünf Jahren kein Widerspruch mehr gegen die Marke möglich war. Erforderlich ist somit zunächst die Eintragung der Marke und der Ablauf der Widerspruchsfrist von drei Monaten nach § 42 I 1 MarkenG, bevor die fünfjährige Benutzungsschonfrist beginnt.

Werden Ansprüche nach den §§ 14, 18 bis 19c MarkenG wegen der Verletzung einer eingetragenen Marke im Wege der Klage geltend gemacht, obliegt nach § 25 II MarkenG die Beweislast der Benutzung der Marke dem Kläger. Die Benutzung einer Marke wird geregelt in

§ 26 I MarkenG | Benutzung der Marke
Soweit die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer eingetragenen Marke oder die Aufrechterhaltung der Eintragung davon abhängig ist, daß die Marke benutzt worden ist, muß sie von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Inland ernsthaft benutzt worden sein, es sei denn, daß berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.

Darüber hinaus gilt

  1. die Benutzung mit Zustimmung des Inhabers nach § 26 II MarkenG als Benutzung durch den Inha-ber,
  2. die Benutzung einer abweichenden Marke nach § 26 III MarkenG als Benutzung der eingetragenen Marke soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert, was der Fall ist, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, somit in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht,[10]
  3. das Anbringen einer Marke auf für den Ausfuhr bestimmter Ware nach § 26 IV MarkenG als Benutzung im Inland, und
  4. die Benutzung einer Unionsmarke im Hoheitsgebiet eines einzelnen Mitgliedsstaats als ausreichende ernsthafte Benutzung dieser.[11]

Bei der Beurteilung, ob eine Benutzung vorliegt, ist zwischen den einzelnen Warenkategorien und Nutzungen zu differenzieren.

Zuletzt muss die Benutzung nicht in den letzten fünf Jahren vor der Geltendmachung nicht stattgefunden haben. Die beiden fünfjährigen Fristen der Einrede der Nichtbenutzung können sich decken, jedoch auch auseinanderfallen.

VII. Die Rechtfertigung durch entsprechende Anwendung der Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen bei Gleichgewichtslagen

Können zwei unterschiedliche Unternehmen den Kennzeichenschutz für dasselbe Zeichen beanspruchen und besteht zwischen den beiden Kennzeichen eine Gleichgewichtslage sind die Grundsätze des Rechts des Gleichnamigen anzuwenden.[12] Die hieraus resultierende Verwechslungsgefahr muss geduldet, wenn (1) ein schutzwürdiges Interesse an der Benutzung besteht und (2) der Benutzer alles Erforderliche und Zumutbare tut, um einer Erhöhung der Verwechslungsgefahr weitestgehend entgegenzuwirken.[13] Dies kann insbesondere durch einen leicht erkennbaren, deutlich lesbaren und inhaltlich zutreffenden Hinweis geschehen, wenn dieser geeignet ist, das unzutreffende Verkehrsverständnis ausreichend zu begegnen.[14] Es ist jedoch nicht ausreichend nur darüber aufzuklären, welchem Unternehmen die Werbung zuzurechnen ist. Stattdessen muss – auch bei Online-Werbung – über die Standorte aufgeklärt werden, entweder durch eine Aufzählung einen direkten Link.[15]

VIII. Ausschluss von Ansprüchen wegen Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB

Zuletzt kann der Geltendmachung von Ansprüchen der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegenstehen.

Nachweise

[1] EuGH GRUR 2024, 291 (294, Rn. 29) – Audi; Anmerkung hierzu und mit Bezügen zu aktuellen Entwicklungen der künftigen Design-Richtlinie Tischner GRUR 2024, 249.

[2] Vgl. BGH GRUR 2023, 332 (335, Rn. 30) – HEITEC III.

[3] Vgl. EuGH GRUR 2022, 985 (987, Rn. 49) – HEITEC zu RL 2008/95 und in der VO Nr. 207/2009.

[4] BGH GRUR 2023, 332 (335, Rn. 33) – HEITEC III.

[5] EuGH GRUR 2024, 297 – Inditex [ZARA] zu Art. 6 I lit. c der RL 2008/95/EG, was jedoch zugleich „einen der Fälle der zulässigen Benutzung darstellt, der sich der Inhaber einer Marke nach Art. 14 I Buchst. c RL 2015/2436 nicht widersetzen kann“ (Rn. 46).

[6] BGH GRUR 2012, 630 (632, Rn. 29) – CONVERSE II m.w.N.

[7] So BGH GRUR 2019, 165 (168, Rn. 27) – keine-vorwerk-vertretung zu § 23 II MarkenG, wonach ein Dritter „den berechtigten Interessen des Markeninhabers in unlauterer Weise zuwider[handelt], wenn er die Wertschätzung der bekannten Marke in unlauterer Weise ausnutzt“.

[8] Vgl. BGH GRUR 2019, 1053 (1058, Rn. 40 f.) – ORTLIEB II wonach ausreicht, „dass Kunden durch die auf diese Weise ausgebeutete Werbewirkung der Marke (auch) zum Angebot von Fremdprodukten geleitet werden“.

[9] Vgl. EuGH GRUR 2018, 736 (738, Rn. 28) – Junek Europ-Vertrieb; zuletzt z.B. EuGH GRUR 2023, 159 (161, Rn. 47 f.) – Novartis Pharma.

[10] BGH GRUR 2017, 1043 (1044, Rn. 19) – Dorzo m.w.N.; zuletzt z.B. BPatG 2023, 1541 (1541, Rn. 31) – Power Horse/Black Horse.

[11] BGH GRUR 2013, 925 (928, Rn. 38) – VOODOO m.w.N.

[12] BGH GRUR 2010, 738 (741, Rn. 16, 20) – Peek & Cloppenburg I.

[13] BGH GRUR 2013, 397 (398, Rn. 18) – Peek & Cloppenburg III

[14] BGH GRUR 2010, 738 (743, Rn. 37) – Peek & Cloppenburg I.

[15] BGH GRUR 2024, 310 – Peek & Cloppenburg V.

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