H. Exkurs: Anspruch auf Sperrung nach § 7 IV 1 TMG

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Subsidiär zu Ansprüchen aus dem Recht am geistigen Eigentum besteht nach § 7 IV 1 TMG ein Anspruch gegen Dienstanbieter auf Sperrung der Nutzung von Informationen mit dem Ziel eine Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern, sofern die Inanspruchnahme des Diensteanbieters zumutbar und verhältnismäßig ist.

Der Sperranspruch nach § 7 IV TMG kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Rechtswidrige Verletzung eines Urheberrechts oder anderen Schutzrechts des UrhG
    1. Bestand des Urheberrechts oder anderen Schutzrechts
    2. Eingriff in den Schutzbereich
    3. Keine Rechtfertigung & Schranken
  2. Aktivlegitimation: Inhaber des Rechts
  3. Passivlegitimation: Diensteanbieter nach § 8 III TMG
  4. Inanspruchnahme des Diensteanbieters zur Schutzrechtsverletzung durch Nutzer
  5. Keine andere Möglichkeit, der Verletzung abzuhelfen (Subsidiarität)
  6. Keine Unzumutbarkeit nach § 7 IV 2 TMG

§ 7 IV TMG | Allgemeine Grundsätze
1Wurde ein Telemediendienst von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach § 8 Absatz 3 die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. 2Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. 3Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des § 8 Absatz 1 Satz 3 nicht.

1. Rechtswidrige Verletzung eines Urheberrechts oder anderen Schutzrechts des UrhG

→ Hauptartikel:  IP-10.B. Urheberrechtlich geschützte Werke

→ Hauptartikel:  IP-10.C. Verwertungs- und Urheberpersönlichkeitsrechte und ihre Verletzung

→ Hauptartikel:  IP-10.D. Schranken des Urheberrechts

Grundvoraussetzung ist, dass ein Urheberrecht oder ein anderes Schutzrecht besteht, rechtswidrig verletzt wurde und keine Schranken greifen. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss der Begriff der Rechtsverletzung in Anbetracht des Ziels der Gewährleistung eines hohen Schutz­niveaus so ausgelegt werden, dass bereits die öffentliche Zugänglichmachung ohne Zustimmung des Rechtsinhabers erfasst ist.[1]

2. Aktivlegitimation

Aktivlegitimiert ist nach § 7 IV 1 TMG der „Inhaber des Rechts“, sodass neben dem Urheber der Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten aktivlegitimiert ist.

3. Passivlegitimation

Passivlegitimiert sind grundsätzlich Diensteanbieter nach

§ 8 III TMG | Durchleitung von Informationen
Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

Nach der Rechtsprechung des BGH besteht der Sperr­anspruch aus § 7 IV 1 TMG nicht nur gegenüber Internetzugangsanbietern (Access-Provider), sondern auch gegenüber Anbieter eines drahtgebundenen Internetzugangs.[2]

4. Inanspruchnahme des Diensteanbieters zur Schutzrechtsverletzung durch Nutzer

Für die Schutzrechtsverletzung muss der Verletzer als Nutzer den Diensteanbieter in Anspruch genommen ha­ben, um das Recht des Anspruchsstellers zu verletzen. Hierfür reicht in der Regel die Beteiligung des Diensteanbieters, ein Vertragsverhältnis zwischen dem Diensteanbieter und dem Verletzer ist nicht erforderlich.[3]

5. Die Subsidiarität des Sperranspruchs

Der Sperranspruch steht dem Rechtsinhaber nur dann zu, wenn für ihn keine andere Möglichkeit besteht, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen. Dies ist der Fall, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Verletzers gescheitert sind oder keine Aussicht auf Erfolg aufweisen, sodass der Internetzugangsanbieter subsidiär haftet bzw. in Anspruch genommen werden kann.[4]

Welche Maßnahmen dem Anspruchssteller zuzumuten sind, ist im Einzelfall zu ermitteln, in der Regel kann ihm jedoch zugemutet werden

  1. den Verletzer zu ermitteln oder ermitteln zu las-sen,
  2. staatliche Ermittlungsbehörden im Wege der Strafanzeige einzuschalten,
  3. außergerichtlich Drittauskunft gegenüber den Host-Betreiber geltend zu machen,
  4. außergerichtlich Entfernung gegenüber den Host-Betreiber geltend zu machen oder
  5. ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber Host-Betreiber innerhalb der Europäischen Union anzustrengen und außerhalb gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeiten zu prüfen,

sofern keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich die Erfolglosigkeit dieser Maßnahmen ergibt.[5]

  i  

Sofern die Schutzrechtsverletzung im Internet begangen wurde, beispielsweise das geschützte Werk auch von Deutschland aus öffentlich zugänglich ist, besteht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.

6. Keine Unzumutbarkeit nach § 7 IV 2 TMG

Der Sperranspruch besteht nur, wenn die Sperrung zumutbar und verhältnismäßig ist.

7. Rechtsfolgen und die Erstattung von Kosten

Der Sperranspruch kann in einer Domain-Namen-System-Sperre resultieren. Hierbei wird verhindert, dass die in der Browserzeile eingegebene Domain auf dem DNS-Server des Internetzugangsanbieter zur entsprechenden Internetseite führt. Die Seite bleibt jedoch weiterhin unter ihrer IP-Adresse erreichbar.[6]

Dahingegen besteht nach § 7 IV 3 TMG kein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Sperranspruchs, sofern der Diensteanbieter nicht absichtlich mit dem Verletzer zusammengearbeitet hat, um rechtswidrige Handlungen zu begehen (§ 8 I 3 TMG).

Nachweise

[1] EuGH GRUR 2014, 686 (470, Rn. 31) – UPC Telekabel/Constantin Film ua [kino.to].

[2] BGH GRUR 2022, 1812 (1814, Rn. 21) – DNS-Sperre.

[3] BGH GRUR 2022, 1812 (1814, Rn. 24) – DNS-Sperre.

[4] Vgl. BGH GRUR 2016, 268 (278, Rn. 83 ff.) – Störerhaftung des Access-Providers.

[5] BGH GRUR 2022, 1812 (1815, Rn. 38) – DNS-Sperre.

[6] BGH GRUR 2022, 1812 (1813 f., Rn. 19) – DNS-Sperre m.w.N.

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