11. Ansprüche und Schemata des Urheberrechts

A. Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung nach § 97 I UrhG

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Nach § 97 I UrhG besteht ein Anspruch auf Beseitigung, wenn ein Urheberrecht oder ein anderes nach dem UrhG geschütztes Recht widerrechtlich verletzt wird und auf Unterlassung, wenn Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr besteht. Die Anspruchsgrundlage ist hierbei jeweils § 97 I UrhG i.V.m. dem verletzten Schutzrecht.

Der Beseitigungsanspruch bzw. Unterlassungsanspruch nach § 97 I UrhG kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Verletzung eines Urheberrechts oder anderen Schutzrechts des UrhG
    1. Bestand des Urheberrechts oder anderen Schutzrechts
    2. Eingriff in den Schutzbereich
  2. Aktivlegitimation
  3. Keine Rechtfertigung & Schranken
  4. Passivlegitimation
  5. Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr [nur Unterlassungsanspruch]

§ 97 I UrhG | Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz
1Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

1. Verletzung eines Urheberrechts oder anderen Schutzrechts des UrhG

→ Hauptartikel:  IP-10.B. Urheberrechtlich geschützte Werke

→ Hauptartikel:  IP-10.C. Verwertungs- und Urheberpersönlichkeitsrechte und ihre Verletzung

Voraussetzung eines Anspruchs auf Beseitigung und Unterlassung ist der Bestand und die Verletzung eines Urheberrechts oder eines anderen durch das UrhG geschützten Rechts. Zu berücksichtigen ist, dass umstritten ist, ob aus der Verletzung der ergänzenden Schutzbestimmungen nach §§ 95a ff. UrhG ein Unterlassungsanspruch resultiert.

2. Aktivlegitimation

Aktivlegitimiert ist derjenige, dessen Rechte verletzt sind und wer die konkrete Rechtsverletzung geltend machen kann.

Das ist grundsätzlich der Urheber bzw. der Inhaber des verwandten Schutzrechts. Wird dieser auf dem Original oder einem Vervielfältigungsstücks als Urheber bezeichnet, kann er sich auf die Vermutung nach § 10 I UrhG berufen. Haben mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen, ist nach § 8 II 3 UrhG jeder aktivlegitimiert, kann aber nur Leistung an alle Miturheber verlangen.

Nach dem Tod des Urhebers sind die Erben nach § 28 I UrhG, § 1922 BGB aktivlegitimiert.

Statt dem Urheber (bzw. dessen Erben) ist der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts aktivlegitimiert, wenn die Verletzung in den Bereich des Nutzungsrechts fällt oder die wirtschaftliche Stellung des Inhabers betrifft. Sind schutzwürdige Interessen des Urhebers betroffen, kann auch der Urheber aktivlegitimiert sein. Nicht aktivlegitimiert ist der Inhaber eines nicht-ausschließlichen bzw. einfachen Nutzungsrechts.

Statt bzw. treuhänderisch für mehrere Urheber nehmen Verwertungsgesellschaften gesetzliche Vergütungsansprüche und teilweise Verwertungsrechte wahr. Die Vermutung ihrer Sachbefugnis nach §§ 48, 49 VVG gilt jedoch nur für Auskunfts- und Vergütungsansprüche.

3. Keine Rechtfertigung & Schranken

→ Hauptartikel:  IP-10.D. Schranken des Urheberrechts

Der durch den Verstoß indizierten Rechtswidrigkeit kann die Einwilligung des Berechtigten, die Berechtigung des Anspruchsgegners oder eine gesetzliche Schranke entgegenstehen. Hervorzuheben sind hierbei das Zitatrecht, die Karikatur, Parodie und das Pastiche und die Privatkopie. Die „Verantwortung“ von Diensteanbietern kann nach dem UrhDaG ausgeschlossen sein.

4. Passivlegitimation

Passivlegitimiert ist grundsätzlich der Täter. Daneben haften Anstifter und Gehilfen wie Täter (§ 830 II BGB), sofern sie sowohl hinsichtlich ihrer eigenen Handlung als auch der rechtswidrigen Haupttat vorsätzlich handeln, auch bezeichnet als Doppelvorsatz. Mehrere Verantwortliche haften nach §§ 830, 840 BGB gesamtschuldnerisch. Besonderheiten gelten bei der Haftung für Hilfspersonen, für Inhaber von Internetanschlüssen und der Haftung von Intermediären.

a. Haftung für Hilfspersonen

Nach § 99 UrhG haftet der Inhaber eines Unternehmens verschuldensunabhängig für Urheberrechtsverletzung durch Arbeitnehmer oder Beauftragte.

§ 99 UrhG | Haftung des Inhabers eines Unternehmens
Ist in einem Unternehmen von einem Arbeitnehmer oder Beauftragten ein nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt worden, hat der Verletzte die Ansprüche aus § 97 Abs. 1 und § 98 auch gegen den Inhaber des Unternehmens.

b. Haftung des Inhabers von Internetanschlüssen

Nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Inhaber der Täter einer über seinen Internetanschluss vorgenommenen Urheberrechtsverletzung ist. Insofern trägt der Inhaber die sekundäre Darlegungslast durch Benennung des Verletzers diese Vermutung zu erschüttern.[1]

c. Haftung von Intermediären

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann bei der Haftung von Intermediären, somit Unternehmen bzw. Personen, die urheberrechtsverletzende Handlung Dritter ermöglichen, zwischen drei verschiedenen Stufen unterschieden werden:

  1. vollständige täterschaftliche Haftung für unmittelbare Urheberrechtsverletzungen,
  2. vollständige täterschaftliche Haftung für mittelbare Urheberrechtsverletzungen bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten und
  3. keine Haftung von Zugangsvermittlern, jedoch die Verpflichtung zur Sperranordnung nach § 7 IV TMG (vgl. IP-11.H)

Daneben zu berücksichtigen sind die Privilegierungen nach dem UrhDaG und den §§ 7 – 10 TMG.

Die frühere Störerhaftung gewährte gegenüber demjenigen, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt und hierbei Verhaltens- bzw. Prüfpflichten verletzt, einen Unterlassungsanspruch. Neben der Täterhaftung kommt diese nicht in Betracht.[2]

5. Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr

Zuletzt erfordert ein Unterlassungsanspruch das Bestehen einer Wiederholungsgefahr oder Erstbegehungsgefahr.

Auch im Urheberrecht wird die Wiederholungsgefahr bei einer vorangegangenen Urheberrechtsverletzung widerleglich vermutet und kann insbesondere durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt werden.

Die Erstbegehungsgefahr erfordert den Nachweis ernsthafter und greifbarer tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruchsgegner sich in naher Zukunft konkret rechtswidrig verhalten wird.[3]

6. Rechtsfolgen

Im Fall des Unterlassungsanspruchs wird dem Anspruchsgegner unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, die konkrete Handlung vorzunehmen. Dies ist nach dem Territorialitätsprinzip beschränkt auf Deutschland.[4]

Im Fall des Beseitigungsanspruchs, die Urheberrechtsverletzung zu beseitigen. Dies kann die (Wieder-)Herstellung eines bestimmten Zustands sein, sofern dies geeignet und zumutbar ist.

Nach § 100 UrhG kann der Anspruchsgegner den Anspruchsgläubiger in Geld entschädigen, wenn

  1. der Verletzer weder vorsätzlich noch fahrlässig handelte,
  2. dem Verletzer durch die Anspruchserfüllung ein unverhältnismäßig großer Schaden entsteht und
  3. dem Anspruchsgläubiger die Abfindung in Geld zuzumuten ist.

Nachweise

[1] Vgl. zuletzt BGH GRUR 2017, 1233 – Loud.

[2] Z.B. LG Köln GRUR-RR 2024, 73 – Cannabis-Investor.

[3] Vgl. BGH GRUR 2017, 793 (796, Rn. 33) – Mart-Stam-Stuhl.

[4] Vgl. BVerfG NJW 2022, 2324.

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