07. Ansprüche und Schemata des Markenrechts

A. Kennzeichenrechtliche Unterlassungsansprüche

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Aus der Verletzung eines Kennzeichens können Unterlassungsansprüche resultieren, insbesondere nach

  1. § 14 V 1, 2, II – IV MarkenG für Marken nach § 4 MarkenG
  2. § 15 IV, II – III MarkenG für geschäftliche Bezeichnungen
  3. Art. 130 I 1 UMV i.V.m. Art. 9 II – IV UMV für Unionsmarken
  4. § 128 I 1, 2 MarkenG für geografische Herkunftsangaben
  5. § 135 I 1, 2 MarkenG für geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012.

Kennzeichenrechtliche Unterlassungsansprüche können nach folgendem vereinfachten Schema geprüft werden

  1. Bestand des Kennzeichens
  2. Aktivlegitimation des Anspruchsstellers
  3. Eingriff in den Schutzbereich des Kennzeichens
  4. Passivlegitimation des Anspruchsgegners
  5. Keine Einreden, Einwendungen und entgegenstehenden Schranken
  6. Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr

1. Bestand des Kennzeichens

→ Hauptartikel:  IP-06.B. Schutzvoraussetzungen und das Entstehen von Marken nach § 4 Nr. 1, 2 MarkenG und Unionsmarken

→ Hauptartikel:  IP-06.C. Weitere Kategorien von Register- und Benutzungsmarken und weitere Kennzeichenrechte (Überblick)

Grundvoraussetzung kennzeichenrechtlicher Ansprüche ist das Bestehen einer Marke oder eines Kennzeichens. Für eingetragene Marken ist nach dem Trennungsprinzip das Gericht an die Erteilung gebunden und die Erteilungsvoraussetzungen sind nicht zu prüfen. Für nicht eingetragene Marken sind die materiellen Schutzvoraussetzungen zu prüfen.

2. Aktivlegitimation des Anspruchsstellers

Aktivlegitimiert ist grundsätzlich der Inhaber des Kennzeichens. Dies ist

  1. für Marken nach § 4 MarkenG nach § 14 I MarkenG der Inhaber, bei dem es sich nach § 7 MarkenG um natürliche Personen, juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften handeln kann, wobei sich der im Register als Inhaber Eingetragene auf die Vermutung des § 28 I MarkenG stützen kann,
  2. für geschäftliche Bezeichnungen nach § 15 I MarkenG der Inhaber, für welchen ebenfalls die Vermutung des § 28 I MarkenG greift,
  3. für die Unionsmarke nach Art. 9 I UMV der Inhaber, bei dem es sich nach Art. 5 UMV um natürliche oder juristische Personen, einschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts handeln kann,
  4. für geografische Herkunftsangaben nach § 128 I 1 MarkenG wer nach § 8 III UWG aktivlegitimiert ist,
  5. für geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 in § 135 I 3 Nr. 1 – 3 MarkenG geregelt.

Ein Lizenznehmer, auch der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz, kann für Marken und geschäftliche Bezeichnungen nach § 30 III MarkenG nur mit der Zustimmung des Inhabers klagen.

3. Eingriff in den Schutzbereich des Kennzeichens

→ Hauptartikel:  IP-06.D. Schutzbereich und die Verletzung von Kennzeichenrechten

Erforderlich ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Kennzeichens. Dies ergibt sich für

  1. für Marken nach § 4 MarkenG aus § 14 MarkenG (vgl. IP-06.D.I),
  2. für Unionsmarken aus Art. 9 UMV (vgl. IP-06.D.I),
  3. für Unternehmenskennzeichen aus § 15 MarkenG (vgl. IP.06.D.II),
  4. für geografische Herkunftsangaben aus § 127 MarkenG und
  5. für geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 nach Art. 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012.

Insbesondere die Verletzung von Marken nach § 4 MarkenG und von Unionsmarken erfordert die markenmäßige Benutzung der Marke in der eigenen kommerziellen Kommunikation im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Markeninhabers und die Zuordnung zu einem der Kollisionstatbestände.

4. Passivlegitimation des Anspruchsgegners

Passivlegitimiert ist derjenige, der das Kennzeichen verletzt, somit

  1. der unmittelbare Verletzer, insbesondere derjenige der Handlungen entgegen §§ 14 II – III, 15 II – III, 127 I – IV MarkenG vornimmt,
  2. der mittelbare Verletzer, insbesondere derjenige, der Handlungen entgegen § 14 IV MarkenG vornimmt,
  3. der als Anstifter oder Gehilfe die Tat fördert oder ermöglicht und sowohl in Hinblick auf die rechtswidrige Haupttat als auch in Hinblick der eigenen Tat vorsätzlich handelt, somit mit doppeltem Vorsatz (§ 830 II BGB),
  4. der Inhaber eines Betriebs nach § 14 VII MarkenG für Angestellte und Beauftragte
  5. der Störer.

a. Die Passivlegitimation des Inhabers eines Betriebs nach § 14 VII MarkenG

§ 14 VII MarkenG erweitert die kennzeichenrechtliche Verantwortlichkeit auf den Inhaber eines geschäftlichen Betriebs.

§ 14 VII MarkenG | Unterlassungsanspruch 
Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch […] auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

Neben Unterlassungsansprüchen aus der Verletzung von Marken nach § 4 MarkenG, findet § 14 VII MarkenG entsprechende Anwendung für Ansprüche aus der Verletzung von

  1. geschäftlichen Bezeichnungen (§ 15 VI MarkenG),
  2. geografische Herkunftsangaben (§ 128 III MarkenG) und
  3. geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 (§ 135 II MarkenG).

b. Die Störerhaftung im Kennzeichenrecht

Nach der Rechtsprechung haften neben Tätern und Teilnehmern der Verletzung eines Kennzeichens auch Störer, somit jeder der

  1. willentlich und adäquat- kausal einen Beitrag zur Verletzung beiträgt und
  2. hierdurch zumutbare Verhaltenspflichten, wie Prüfungs- oder Überwachungspflichten verletzt.

Hierzu können insbesondere (Internet-)Plattformen wie eBay oder Amazon zählen.

Bei der Beurteilung von Verhaltenspflichten sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere zu beachten, „dass Geschäftsmodelle, die nicht in besonderer Weise die Gefahr von Rechtsverletzungen schaffen oder fördern, nicht wirtschaftlich gefährdet oder unverhältnismäßig erschwert werden dürfen“.[1]

Eine wichtige Bedeutung kommt hierbei dem sog. Notice & Stay Down-Verfahren zu. Intermediäre sind verpflichtet Hinweisen nachzugehen und im Fall von Verstößen nach der sog. Kerntheorie auch für „im Kern gleichartige Verletzungshandlungen“ Vorsorge zu treffen.[2]

Im Gegensatz zu anderen Rechten des Geistigen Eigentums, wie dem Urheberrecht, findet die Störerhaftung (noch) Anwendung, stößt in Teilen der Literatur jedoch auf Kritik.[3]

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH scheitert eine täterschaftliche Haftung von Intermediären für „indirekte“ Markenverletzungen an der Benutzung einer Mar­ke in der eigenen kommerziellen Kommunikation mangels unmittelbarer oder mittelbarer Herrschaft.[4] Dies kann jedoch im Einzelfall vorliegen, wenn „ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Nutzer dieser Plattform eine Verbindung zwischen den Dienstleistungen dieses Betreibers und dem betreffenden Zeichen herstellt [und] glauben könnte, dass dieser Betreiber derjenige ist, der die Ware, für die das fragliche Zeichen benutzt wird, im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertreibt,“ wofür insbesondere die Art und Weise der Präsentation des Zeichens als auch der Umfang der vom Betreiber erbrachten Dienstleistungen zu berücksichtigen sind.[5]

5. Keine Einreden, Einwendungen und entgegenstehenden Schranken

→ Hauptartikel:  IP-06.E. Schranken des Kennzeichenschutzes

Kennzeichenrechtlichen Ansprüchen kann insbesondere die Verjährung, Verwirkung, Erschöpfung und die Einredete der Nichtbenutzung entgegenstehen. Besonderheiten gelten für die Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben und dem Recht der Gleichnamigen.

6. Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr

Die Wiederholungsgefahr wird durch die erstmalige Verletzung des Kennzeichens widerleglich vermutet und kann insbesondere durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt werden. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr erfasst grundsätzlich alle Verwertungshandlungen, sofern sie nicht vor dem Hintergrund des Charakteristischen der konkreten Verletzungshandlung völlig fernliegend erscheint.[6] Zugleich begründet eine Verletzungshandlung in einem Mitgliedstaat eine Begehungsgefahr für das gesamte Gebiet der Europäischen Union.[7]

Wird trotz einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ein Kennzeichenrecht verletzt, begründet dies erneut die Wiederholungsgefahr, welche nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer deutlich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden kann. Dies gilt auch, wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nach „Hamburger Brauch“ abgegeben wird, somit eine Unterlassungserklärung, bei der keine feste Vertragsstrafe vereinbart wird.[8] Weiter ist zu berücksichtigten, dass dann, wenn der Gläubiger die strafbewehrte Unterlassungserklärung ablehnt, diese die erforderliche Abschreckungswirkung nicht begründet und auch den Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht rechtfertigt.[9]

Daneben besteht ein Unterlassungsanspruch, wenn der Anspruchssteller konkrete Anhaltspunkte darlegt, wonach die Zuwiderhandlung ernsthaft droht (sog. vorbeugender Unterlassungsanspruch).

7. Rechtsfolgen

Der Unterlassungstitel verpflichtet den Anspruchsgegner dazu, identische und im Kern gleichartige Handlungen (sog. Kerntheorie)[10] vorzunehmen und aktive, mögliche und zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um den Störungszustand zu beseitigen.[11]

Das ausgesprochene Verbot erstreckt sich dabei zur Gewährleistung eines einheitlichen Schutzes, auf das von der Marke erfasste Gebiet, somit für Unionsmarke auf das gesamte Gebiet der Union. Dies gilt auch, wenn sich die Verletzung oder die Bekanntheit der Marke auf ein Teil der Union beschränkt.[12]

Nachweise

[1] Vgl. BGH GRUR 2021, 730 (732, Rn. 37) – Davidoff Hot Water IV m.w.N.

[2] Vgl. BGH GRUR 2021, 730 (734 f., Rn. 61) – Davidoff Hot Water IV.

[3] Z.B. Bersem GRUR 2023, 307 (309) m.w.N.

[4] Vgl. zuletzt EuGH GRUR 2023, 250 (252, Rn. 27) – Louboutin.

[5] EuGH GRUR 2023, 250 (253 f., Rn. 43, 48 f.) – Louboutin, einordnende Anmerkung hierzu Hofmann GRUR 2023, 238 (240).

[6] OLG Nürnberg GRUR 2023, 260 (261, Rn. 14) – E-X-D Extreme Durable m.w.N.

[7] BGH GRUR 2008, 254 (257, Rn. 39) – THE HOME STORE m.w.N.

[8] BGH GRUR 2023, 255 (257, Rn. 28 ff.) – Wegfall der Wiederholungsgefahr III.

[9] BGH GRUR 2023, 255 (259, Rn. 37 ff.) – Wegfall der Wiederholungsgefahr III.

[10] Vgl. BGH GRUR 2014, 706 – Reichweite des Unterlassungsgebots m.w.N.

[11] Vgl. BGH GRUR 2018, 292 (Rn. 6) – Produkte zur Wundversorgung.

[12] EuGH GRUR 2016, 1165 (1167, Rn. 30) – combit Software/Commit Business Solutions m.w.N.

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