A. Der Betrug nach § 263 I StGB

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Der Betrug nach § 263 I StGB kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Täuschung über Tatsachen
      2. Dadurch Irrtumserregung
      3. Dadurch Vermögensverfügung
      4. Dadurch Vermögensschaden
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestands
      2. Bereicherungsabsicht
      3. Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil & eingetretenen Schaden und hierfür Vorsatz
      4. Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und hierfür Vorsatz
  2. Rechtswidrigkeit & Schuld
  3. Strafzumessungsregeln (§ 263 III StGB = Besonders schwerer Fall) & Bandenbetrug (§ 263 V StGB)
  4. Antragserfordernis (§ 263 IV StGB i.V.m. §§ 247, 248a StGB)

I. Tatbestand

Die Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs lassen sich teilweise aus dem Wortlaut der Norm schlussfolgern

§ 263 I StGB | Betrug 
Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

1. Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand erfordert eine Täuschung über Tatsachen, wodurch ein Irrtum erweckt wird, welcher wiederum zu einer Vermögensverfügung führt, welcher einen Vermögensschaden darstellt.

Die kausale Verbindung der unterschiedlichen objektiven Tatbestandsmerkmale ist unbedingt zu beachten und sofern möglich hervorzuheben.

a. Täuschung und Irrtum

Eine Täuschung kann sowohl in Form der Vorspiegelung falscher als auch in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen bestehen.

Tatsachen sind gegenwärtige oder vergangene Ereignisse oder innere und äußere Zustände, die dem Beweis zugänglich sind.[1]

Wichtig ist hierbei Tatsachen trennscharf von Werturteilen wie Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehaften Anpreisungen abzugrenzen.[2] Innere Tatsachen (wie die Zahlungsbereitschaft) sind dem (Indizien-)Beweis zugänglich und daher Tatsachen.

Eine Täuschung ist jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.[3]

Der Erklärungsgehalt bzw. Inhalt des Verhaltens, welches eine Täuschung darstellen kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont und der Erwartung der Beteiligten. Besonderheiten sind bei der Beurteilung einer konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen zu beachten. Getäuscht werden kann nur ein Mensch, weshalb mit § 263a StGB der Computerbetrug geschaffen wurde.

Aus der Täuschung muss ein Irrtum resultieren.

Ein Irrtum ist jede Fehlvorstellung über Tatsachen und kann entweder durch die Einwirkung auf die Vorstellung des Getäuschten hervorgerufen oder durch das Bestärken einer bestehenden Fehlvorstellung oder der Verhinderung der Aufklärung dieser unterhalten werden.[4]

aa. Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen

Der Begriff der Tatsache ist sowohl aus zeitlicher Sicht (Gegenwart oder Vergangenheit) als auch tatsächlicher Sicht (Beweisbarkeit) eingeschränkt. Entsprechend fallen Umstände der Zukunft und Umstände, die nicht dem Beweis zugänglich sind, nicht unter § 263 StGB.

Dies ist vor allem der Fall für Werturteile. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf eine subjektive Äußerung, Auffassung, Meinung oder Überzeugung beziehen.

Im Einzelfall kann jedoch die Möglichkeit bestehen, ein Werturteil von einem darin enthaltenen Tatsachenkern zu trennen. In diesem Fall kann die dem Tatsachenkern zugrundeliegende Tatsache Anknüpfungspunkt eines Betruges sein.

bb. Die konkludente Täuschung

Die für den Betrug erforderliche Täuschung kann auch konkludent durch ein irreführendes Verhalten vorgenommen werden, sofern dieses der Verkehrsanschauung zufolge als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. In der Regel besteht eine Täuschung dann, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis (ausdrücklich) zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt.[5]

cc. Die Täuschung durch Unterlassen

Eine Täuschung kann sich auch aus dem Unterlassen einer Handlung ergeben, wenn dem Täter eine Rechtspflicht zum Tätigwerden trifft und das Unterlassen dem Tun wertmäßig entspricht. Diese kann sich ergeben aus

  1. Ingerenz, wie durch ein unbewusstes (somit nicht vorsätzliches) Vorverhalten, dass eine objektiv rechtswidrige Täuschung darstellt,
  2. dem Gesetz, wie für Sozialleistungsempfänger hinsichtlich der Änderung von leistungsbeeinflussenden Umständen nach § 60 I StGB,
  3. vertraglichen Primär-, Neben- und Schutzpflichten sowie
  4. aus Treu und Glauben.[6]

Auch dann, wenn keine ausdrückliche gesetzliche oder vertragliche Vorschrift zur Aufklärung besteht, wird bei staatlichen Massenleistungen, wie zuletzt für Corona-Soforthilfen, eine Mitteilungspflicht gefolgert – welche auf Treu und Glauben gestützt werden könnte – sofern sich die Täuschung gerade auf die materiell rechtlichen Voraussetzungen der staatlichen Leistung bezieht.[7]

dd. Irrtum bei Zweifeln des Getäuschten

Umstritten ist, ob der strafrechtliche Schutz einzuschränken ist, wenn der Getäuschte zweifelt, aber dennoch irrt.

Möglichkeitstheorie (h.M.) Wahrscheinlichkeitstheorie Viktimodogmatische Theorie
Lehre Zweifel schließen einen Irrtum nicht aus, wenn das Opfer die Behauptung für möglich hält. Zweifel schließen einen Irrtum nicht aus, wenn das Opfer die Behauptung für hinreichend wahrscheinlich hält. Zweifel auf Grundlage konkreter Anhaltspunkte schließen einen Irrtum aus.
Begründung Wortlaut: Das Opfer zeigt gerade durch die Verfügung, dass er sich irrt. Abgrenzung zwischen schutzwürdigen Zweifelnden und risikobereit Spekulierenden. Wer konkrete Anhaltspunkte für seinen Zweifel hat, kann diesen Nachgehen und Bedarf aufgrund der Subsidiarität des Strafrechts keinen Schutz.
Kritik Schutzbereich des Betrugs wird auf jede Vermögensverfügung mit abweichender Vorstellung erweitert, auch wenn hohe Zweifel bestehen. Die Erfüllung eines Tatbestands ist nicht mit einer Unrechtsbewertung verbunden. Auch unerfahrenere oder leichtgläubige Opfer bedürfen strafrechtlichen Schutzes, vor allem wenn der Täter hierauf setzt.
ee. Irrtum juristischer Personen

Eine juristische Person kann nicht selbst einem Irrtum unterliegen. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs zulasten einer juristischen Person erfordert die Zurechnung des Irrtums einer natürlichen Person. Hierbei handelt es sich um die Person, die die Vermögensverfügung getroffen hat.

Umstritten und nicht abschließend geklärt ist, welchen Einfluss das Wissen bösgläubiger Hilfspersonen hat und ob die Zurechnung der Kenntnis möglich ist und einen vollendeten Betrug ausschließt.

b. Vermögensverfügung

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erfordert der Betrug eine Vermögensverfügung.

Eine Vermögensverfügung ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar bei diesem oder einem Dritten zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn führt.[8]

Entsprechend setzt sich der Begriff der Vermögensverfügung aus dem Element der Unmittelbarkeit, dem Bestehen eines Verfügungsbewusstseins und dem Ergebnis einer Vermögensverminderung voraus. Diese muss nicht in der Person des Getäuschten und Verfügenden liegen, sondern kann zulasten einer Dritten vorliegen.

Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Vermögensverminderung dient der Abgrenzung zwischen Sachbetrug und Trickdiebstahl und erfordert, dass kein deliktisches Dazwischentreten besteht, was insbesondere bei einem zeitlichen Auseinanderfallen der Fall sein kann.

Weiter ist erforderlich, dass der Geschädigte bewusst über die Sache oder den Wert verfügt, somit mit Verfügungsbewusstsein und freiwillig handelt.

Schließlich muss aus der Verfügung eine Vermögensminderung folgen. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen durch die Verfügung gemindert wird, somit durch die Handlung ein „Minus“ des Vermögens resultiert. Ausschlaggebend ist, wie das Vermögen definiert wird.

Eine etwaige Kompensation dieser Vermögensminderung ist hier noch unerheblich, sondern bei der Beurteilung des Vermögensschadens zu ermitteln.

Bei der Beurteilung des Vermögens ist zwischen dem juristischen, dem wirtschaftlichen und dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff zu unterscheiden.

Wirtschaftlicher Vermögensbegriff (Rspr. und h.L.) Juristischer Vermögensbegriff Juristisch-Ökonomischer Vermögensbegriff (Teile der Lit.)
Lehre Das Vermögen umfasst sämtliche geldwerten Vermögenswerte unabhängig von ihrer rechtlichen Anerkennung oder Schutzes. Das Vermögen umfasst sämtliche rechtlich anerkannten und geschützten Vermögenswerte unabhängig eines wirtschaftlichen Wertes. Das Vermögen umfasst sämtlich rechtlich anerkannten und geschützten geldwerten Vermögenswerte.
Kriterien
  1.   wirtschaftlicher Wert
  1.   rechtliche Anerkennung und Schutz
  1.    rechtliche Anerkennung und Schutz
  1.    wirtschaftlicher Wert
  1.    rechtliche Anerkennung und Schutz
  2.    wirtschaftlicher Wert
Begründung Vermeidung von rechtsfreien Räumen und strafrechtlich ungeschütztem Vermögen Einheitlichkeit der Rechtsordnung erfordert einheitlichen (strafrechtlichen und zivilrechtlichen) Schutz oder Missbilligung eines Wertes

Nachweise

[1] Vgl. LK-StGB/Kubiciel/Tiedeman, 13. Aufl. 2025, StGB § 263 Rn. 9 m.w.N.

[2] BGHSt 48, 331 (344) = NJW 2004, 375 (379, unter II.2.a.aa); zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 20).

[3] Z.B. BGHSt 49, 17 (21) = BGH NJW 2004, 454 (455, unter 2.b) m.w.N.; zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 18).

[4] Vgl. Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 20.

[5] BGHSt 51, 165 = NJW 2007, 782 (784, Rn. 20); zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 18).

[6] Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 19 ff.

[7] Ausführlich MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 Rn. 274 ff.

[8] Vgl. BeckOK StGB/Beukelmann, 64. Ed. 1.2.2025, StGB § 263 Rn. 31.

[9] x

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