A. Der Betrug nach § 263 I StGB

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Der Betrug nach § 263 I StGB kann nach folgendem Schema geprüft werden

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Täuschung über Tatsachen
      2. Dadurch Irrtumserregung
      3. Dadurch Vermögensverfügung
      4. Dadurch Vermögensschaden
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz bzgl. aller Merkmale des objektiven Tatbestands
      2. Bereicherungsabsicht
      3. Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil & eingetretenen Schaden und hierfür Vorsatz
      4. Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und hierfür Vorsatz
  2. Rechtswidrigkeit & Schuld
  3. Strafzumessungsregeln (§ 263 III StGB = Besonders schwerer Fall) & Bandenbetrug (§ 263 V StGB)
  4. Antragserfordernis (§ 263 IV StGB i.V.m. §§ 247, 248a StGB)

I. Tatbestand

Die Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs lassen sich teilweise aus dem Wortlaut der Norm schlussfolgern

§ 263 I StGB | Betrug 
Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

1. Objektiver Tatbestand

Der objektive Tatbestand erfordert eine Täuschung über Tatsachen, wodurch ein Irrtum erweckt wird, welcher wiederum zu einer Vermögensverfügung führt, welcher einen Vermögensschaden darstellt.

Die kausale Verbindung der unterschiedlichen objektiven Tatbestandsmerkmale ist unbedingt zu beachten und sofern möglich hervorzuheben.

a. Täuschung und Irrtum

Eine Täuschung kann sowohl in Form der Vorspiegelung falscher als auch in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen bestehen.

Tatsachen sind gegenwärtige oder vergangene Ereignisse oder innere und äußere Zustände, die dem Beweis zugänglich sind.[1]

Wichtig ist hierbei Tatsachen trennscharf von Werturteilen wie Rechtsauffassungen, Meinungsäußerungen oder reklamehaften Anpreisungen abzugrenzen.[2] Innere Tatsachen (wie die Zahlungsbereitschaft) sind dem (Indizien-)Beweis zugänglich und daher Tatsachen.

Eine Täuschung ist jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.[3]

Der Erklärungsgehalt bzw. Inhalt des Verhaltens, welches eine Täuschung darstellen kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont und der Erwartung der Beteiligten. Besonderheiten sind bei der Beurteilung einer konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen zu beachten. Getäuscht werden kann nur ein Mensch, weshalb mit § 263a StGB der Computerbetrug geschaffen wurde.

Aus der Täuschung muss ein Irrtum resultieren.

Ein Irrtum ist jede Fehlvorstellung über Tatsachen und kann entweder durch die Einwirkung auf die Vorstellung des Getäuschten hervorgerufen oder durch das Bestärken einer bestehenden Fehlvorstellung oder der Verhinderung der Aufklärung dieser unterhalten werden.[4]

aa. Abgrenzung zwischen Tatsachen und Werturteilen

Der Begriff der Tatsache ist sowohl aus zeitlicher Sicht (Gegenwart oder Vergangenheit) als auch tatsächlicher Sicht (Beweisbarkeit) eingeschränkt. Entsprechend fallen Umstände der Zukunft und Umstände, die nicht dem Beweis zugänglich sind, nicht unter § 263 StGB.

Dies ist vor allem der Fall für Werturteile. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf eine subjektive Äußerung, Auffassung, Meinung oder Überzeugung beziehen.

Im Einzelfall kann jedoch die Möglichkeit bestehen, ein Werturteil von einem darin enthaltenen Tatsachenkern zu trennen. In diesem Fall kann die dem Tatsachenkern zugrundeliegende Tatsache Anknüpfungspunkt eines Betruges sein.

bb. Die konkludente Täuschung

Die für den Betrug erforderliche Täuschung kann auch konkludent durch ein irreführendes Verhalten vorgenommen werden, sofern dieses der Verkehrsanschauung zufolge als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. In der Regel besteht eine Täuschung dann, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis (ausdrücklich) zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt.[5]

cc. Die Täuschung durch Unterlassen

Eine Täuschung kann sich auch aus dem Unterlassen einer Handlung ergeben, wenn dem Täter eine Rechtspflicht zum Tätigwerden trifft und das Unterlassen dem Tun wertmäßig entspricht. Diese kann sich ergeben aus

  1. Ingerenz, wie durch ein unbewusstes (somit nicht vorsätzliches) Vorverhalten, dass eine objektiv rechtswidrige Täuschung darstellt,
  2. dem Gesetz, wie für Sozialleistungsempfänger hinsichtlich der Änderung von leistungsbeeinflussenden Umständen nach § 60 I StGB,
  3. vertraglichen Primär-, Neben- und Schutzpflichten sowie
  4. aus Treu und Glauben.[6]

Auch dann, wenn keine ausdrückliche gesetzliche oder vertragliche Vorschrift zur Aufklärung besteht, wird bei staatlichen Massenleistungen, wie zuletzt für Corona-Soforthilfen, eine Mitteilungspflicht gefolgert – welche auf Treu und Glauben gestützt werden könnte – sofern sich die Täuschung gerade auf die materiell rechtlichen Voraussetzungen der staatlichen Leistung bezieht.[7]

dd. Irrtum bei Zweifeln des Getäuschten

Umstritten ist, ob der strafrechtliche Schutz einzuschränken ist, wenn der Getäuschte zweifelt, aber dennoch irrt.

Möglichkeitstheorie (h.M.) Wahrscheinlichkeitstheorie Viktimodogmatische Theorie
Lehre Zweifel schließen einen Irrtum nicht aus, wenn das Opfer die Behauptung für möglich hält. Zweifel schließen einen Irrtum nicht aus, wenn das Opfer die Behauptung für hinreichend wahrscheinlich hält. Zweifel auf Grundlage konkreter Anhaltspunkte schließen einen Irrtum aus.
Begründung Wortlaut: Das Opfer zeigt gerade durch die Verfügung, dass er sich irrt. Abgrenzung zwischen schutzwürdigen Zweifelnden und risikobereit Spekulierenden. Wer konkrete Anhaltspunkte für seinen Zweifel hat, kann diesen Nachgehen und Bedarf aufgrund der Subsidiarität des Strafrechts keinen Schutz.
Kritik Schutzbereich des Betrugs wird auf jede Vermögensverfügung mit abweichender Vorstellung erweitert, auch wenn hohe Zweifel bestehen. Die Erfüllung eines Tatbestands ist nicht mit einer Unrechtsbewertung verbunden. Auch unerfahrenere oder leichtgläubige Opfer bedürfen strafrechtlichen Schutzes, vor allem wenn der Täter hierauf setzt.
ee. Irrtum juristischer Personen

Eine juristische Person kann nicht selbst einem Irrtum unterliegen. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs zulasten einer juristischen Person erfordert die Zurechnung des Irrtums einer natürlichen Person. Hierbei handelt es sich um die Person, die die Vermögensverfügung getroffen hat.

Umstritten und nicht abschließend geklärt ist, welchen Einfluss das Wissen bösgläubiger Hilfspersonen hat und ob die Zurechnung der Kenntnis möglich ist und einen vollendeten Betrug ausschließt.

b. Vermögensverfügung

Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal erfordert der Betrug eine Vermögensverfügung.

Eine Vermögensverfügung ist jedes rechtliche oder tatsächliche Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar bei diesem oder einem Dritten zu einer Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinn führt.[8]

Entsprechend setzt sich der Begriff der Vermögensverfügung aus dem Element der Unmittelbarkeit, dem Bestehen eines Verfügungsbewusstseins und dem Ergebnis einer Vermögensverminderung voraus. Diese muss nicht in der Person des Getäuschten und Verfügenden liegen, sondern kann zulasten einer Dritten vorliegen.

Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Vermögensverminderung dient der Abgrenzung zwischen Sachbetrug und Trickdiebstahl und erfordert, dass kein deliktisches Dazwischentreten besteht, was insbesondere bei einem zeitlichen Auseinanderfallen der Fall sein kann.

Weiter ist erforderlich, dass der Geschädigte bewusst über die Sache oder den Wert verfügt, somit mit Verfügungsbewusstsein und freiwillig handelt.

Schließlich muss aus der Verfügung eine Vermögensminderung folgen. Dies ist der Fall, wenn das Vermögen durch die Verfügung gemindert wird, somit durch die Handlung ein „Minus“ des Vermögens resultiert. Ausschlaggebend ist, wie das Vermögen definiert wird.

Eine etwaige Kompensation dieser Vermögensminderung ist hier noch unerheblich, sondern bei der Beurteilung des Vermögensschadens zu ermitteln.

Bei der Beurteilung des Vermögens ist zwischen dem juristischen, dem wirtschaftlichen und dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff zu unterscheiden.

Wirtschaftlicher Vermögensbegriff (Rspr. und h.L.) Juristischer Vermögensbegriff Juristisch-Ökonomischer Vermögensbegriff (Teile der Lit.)
Lehre Das Vermögen umfasst sämtliche geldwerten Vermögenswerte unabhängig von ihrer rechtlichen Anerkennung oder Schutzes. Das Vermögen umfasst sämtliche rechtlich anerkannten und geschützten Vermögenswerte unabhängig eines wirtschaftlichen Wertes. Das Vermögen umfasst sämtlich rechtlich anerkannten und geschützten geldwerten Vermögenswerte.
Kriterien
  1.   wirtschaftlicher Wert
  1.   rechtliche Anerkennung und Schutz
  1.    rechtliche Anerkennung und Schutz
  1.    wirtschaftlicher Wert
  1.    rechtliche Anerkennung und Schutz
  2.    wirtschaftlicher Wert
Begründung Vermeidung von rechtsfreien Räumen und strafrechtlich ungeschütztem Vermögen Einheitlichkeit der Rechtsordnung erfordert einheitlichen (strafrechtlichen und zivilrechtlichen) Schutz oder Missbilligung eines Wertes
aa. Sonderfall: Sittenwidrig bzw. verboten eingesetzte Arbeitskraft als Vermögensverfügung

Eine besondere Fallgruppe ist die Einordnung der sittenwidrig oder verboten eingesetzten Arbeitskraft.

Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff ist allein ausschlaggebend, ob der sittenwidrigen oder verbotenen Arbeitskraft ein wirtschaftlicher Wert zukommen. Während dies bei „normalen“ Dienstleistungen problemlos gegeben ist, wird der sittenwidrig eingesetzten Arbeitskraft mangels messbaren Werts im wirtschaftlichen Verkehr kein Wert zugewiesen.

Sowohl nach dem juristischen Vermögensbegriff als auch nach dem juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff liegt keine Vermögensverfügung vor, da die Arbeitskraft sittenwidrigen bzw. verbotenen Zwecken dient.

bb. Sonderfall: Täuschungsbedingter Verzicht auf sittenwidrigen oder gesetzeswidrigen Anspruch

Dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff nach kann dem täuschungsbedingt verzichteten Anspruch ein wirtschaftlicher Wert zukommen und eine Vermögensverfügung bestehen.

Sowohl nach dem juristischen Vermögensbegriff als auch nach dem juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff liegt keine Vermögensverfügung vor, da der verzichtete Erlös im Widerspruch zum Zivilrecht steht und folglich keinem rechtlichen Schutz unterliegt.

cc. Sonderfall: Täuschungsbedingte Vorauszahlung mit rechtlich missbilligtem Zweck

Ebenfalls hervorzuheben ist die Situation, in der aufgrund einer Täuschung eine Vorauszahlung für eine rechtlich missbilligte Leistung oder Sache geleistet wird.

Nur nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff besteht in der Vorleistung in Geld und Arbeitskraft angesichts des wirtschaftlichen Werts eine Vermögensverfügung und scheidet nach den anderen Ansichten angesichts des Zwecks der Vorleistung aus.

dd. Sonderfall: Verfügung über rechtswidrig erlangten Besitz

Problematisch ist zudem die Situation, in der das Opfer über rechtswidrig erlangten Besitz verfügt.

Ausschlaggebend für die Beurteilung nach dem juristischen Vermögensbegriff und dem juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff ist, ob der Besitz an rechtswidrig erlangten Besitz als rechtlich missbilligt anzusehen ist. Hiergegen spricht, dass die §§ 858 ff. BGB auch dem unrechtmäßigen Besitzer (eingeschränkten) Schutz einräumen. Die §§ 858 ff. sollen jedoch gewaltsame Selbstjustiz verhindern und nicht den unrechtmäßigen Besitz dem Vermögen zuweisen oder als Teil des Vermögens schützen. Wird daher der rechtswidrig erlangte Besitz als rechtlich missbilligt eingestuft, liegt nach dem juristischen und dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff keine Vermögensverfügung vor.

c. Vermögensschaden

Die aus dem Irrtum durch Täuschung folgende Vermögensverfügung muss schließlich zu einem kausalen Vermögensschaden führen. Ein solcher Schaden kann nach der Rechtsprechung auf drei jeweils nachrangige Möglichkeiten bestehen:

  1. Schaden nach objektiv-wirtschaftlichen Kriterien (Hauptfall),
  1. Schaden nach individualisierter Betrachtung oder
  1. Schaden nach dem Gedanken der Zweckverfehlung, wie im Fall des Spenden- oder Bettelbetrugs.

Daneben sind Besonderheiten hervorzuheben in Hinblick auf

  1. den gutgläubigen Eigentumserwerb,
  1. den Eingehungsbetrug und Anstellungsbetrug,
  1. den echten und unechten Erfüllungsbetrug,
  1. der konkreten Vermögensgefährdung als Schaden und
  1. den Dreiecksbetrug.
aa. Schaden nach objektiv-wirtschaftlichen Kriterien

Ob ein Vermögensschaden besteht, ist in der Regel und vorrangig nach objektiv-wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmen.

Ein Vermögensschaden besteht, wenn die Vermögensminderung durch die Vermögensverfügung nicht zugleich und unmittelbar durch einen Vermögenszuwachs ausgeglichen wird.[9]

Hierfür ist im Wege der Differenzhypothese das Vermögen vor und unmittelbar nach der Vermögensverfügung gegenüberzustellen. Die mittelbare Kompensation des Schadens durch mögliche Rückabwicklung (Anfechtung) oder Schadensersatz-, Bereicherungs- oder Gewährleistungsansprüche ist nicht zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen sind jedoch Sicherungsmittel, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Vermögensverfügung stehen.

§ 263 StGB schützt das Vermögen, nicht jedoch die Möglichkeit einer Vermögensmehrung, sodass eine Täuschung über ein Sonderangebot zu keinem Vermögensschaden führt, vgl. auch unten zum unechten Erfüllungsbetrug.

Die Höhe des Schadens kann grundsätzlich unter Einholung eines Sachverständigengutachtens zur objektiven Wertbestimmung bestimmt werden. Bei Leistungen deren wirtschaftlicher Wert durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird, kann auch typisiert hierauf abgestellt werden. Strittig ist, ob auf die intersubjektive Wertsetzung der Parteien, somit dem von den Parteien vereinbarten Wert abgestellt werden kann. Während hiergegen das Bestehen einer Täuschung spricht, kann die Betrugsstrafbarkeit ausgeschlossen sein, wenn die Höhe des Schadens anderweitig nicht beziffert werden kann.

bb. Schaden nach individualisierter Betrachtung

Nach der Differenzhypothese ist für die Beurteilung des Schadens ausschließlich der Wert der Vermögensverfügung des Getäuschten und der Wert der erhaltenen Gegenleistung ausschlaggebend. Vom Tatbestand des Betruges wird nur das Vermögen und nicht die Dispositionsfreiheit geschützt. Nicht immer ist jedoch die reine Gegenüberstellung der beiden Leistungen verhältnismäßig, weswegen nach der Rechtsprechung (noch) drei Fallgruppen für eine individualisierte Betrachtung bestehen.

In der ersten Fallgruppe hat die Gegenleistung für den Geschädigten aus der Sicht eines objektiven Betrachters keinen oder einen unzumutbar niedrigen Wert, weil der Geschädigte die Gegenleistung gar nicht oder nicht in einer zumutbaren Weise verwenden kann.

In der zweiten Fallgruppe wird das Opfer durch die Vermögensverfügung zu einer vermögensschädigenden Maß­nahme genötigt. In der dritten Fallgruppe ist das Opfer infolge der Vermögensverfügung nicht mehr zur ordentlichen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder nach seinen persönlichen Verhältnissen angemessenen Lebensführung in der Lage.

cc. Schaden nach dem Gedanken der Zweckverfehlung und Spenden- und Bettelbetrug

Auch unter Rückgriff auf den Gedanken der Zweckverfehlung wird teilweise der Schadensbegriff erweitert, sodass die Verfehlung des Zwecks der Zuwendung den Vermögensschaden darstellt, da andernfalls in Fällen ohne oder geringerer Gegenleistung ein Schaden ausfällt. Begründet wird dies dadurch, dass durch die Erreichung des (vermeintlichen) Zwecks aus Sicht des Verfügenden der Vermögensschaden kompensiert wird. Wird der Zweck dahingegen nicht erreicht, fehlt es an einer Kompensation, die Verfügung ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und daher ein Schaden.

dd. Gutgläubiger Eigentumserwerb als Vermögens­schaden

Wird infolge einer Täuschung über die Eigentümerschaft der Getäuschte gutgläubig Eigentümer einer Sache stellt sich die Frage, ob in dem gutgläubigen Eigentumserwerb ein Vermögensschaden liegt. Während dies nach der früher vertretenen Makeltheorie daraus folge, dass ein gutgläubig erworbenes Eigentum mit einem sittlichen Mangel behaftet sei und der Gefahr eines Herausgabeprozesses des ursprünglichen Eigentümers unterliege. Nach heute herrschender Ansicht folgt aus der Gutgläubigkeit des Eigentumserwerbs kein Schaden, sofern nicht die konkrete Verpflichtung zur Herausgabe der Sache droht, da nach dem BGB vollwertiges Eigentum erworben wird.[10]

ee. Eingehungsbetrug und Anstellungsbetrug

Ein Eingehungsbetrug besteht, wenn das Opfer zum Abschluss eines Vertrages gebracht wird und der vertraglichen Leistung im Vergleich zur vom Opfer erbrachten Leistung ein geringerer Wert zukommt.

Der Eingehungsbetrug zeichnet sich dadurch aus, dass das Opfer bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein negativer Saldo erhält, da die eigene Leistung bzw. der Vermögensschaden nicht durch die vertragsgemäße Leistung kompensiert wird. Der Betrug ist mit dem Abschluss des Vertrages vollendet, kann durch die (wiederhole) Leistungsabwicklung weiter vertieft werden.

Relevant wird dies, wenn der Leistungsaustausch erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt oder zwischenzeitlich rechtliche Veränderungen eintreten, weil die Vollendung des Betrugs vorverlegt wird.

Die Möglichkeit den Vertrag anzufechten oder zu widerrufen, steht der Vollendung des Betrugs nicht entgegen, da mittelbare Kompensationen nicht zu berücksichtigen sind.

Von Eingehungsbetrug ist die Situation zu unterscheiden, in der

  1. das Opfer von vornherein keine Gegenleistung erhalten soll,
  2. die vertragsgemäßen Leistungen zwar wirtschaftlich gleichwertig sind, das Opfer jedoch bei Vertragsdurchführung weniger als vereinbart erhält, sog. echter Erfüllungsbetrug, oder
  3. die vertragsgemäßen Leistungen zwar wirtschaftlich gleichwertig sind, das Opfer jedoch täuschungsbedingt erwartet eine höherwertige Leistung zu erhalten bzw. ein „Schnäppchen“ zu machen, sog. unechter Erfüllungsbetrug.

Der Anstellungsbetrug als Sonderfall des Eingehungsbetrugs zeichnet sich dadurch aus, dass über die Qualifikation für eine Stelle getäuscht wird und dadurch ein Arbeitsverhältnis begründet und für den Getäuschten die Verpflichtung zur Zahlung des Lohns entsteht.

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich ein Schaden nur dann, wenn die geleistete Arbeit des Täuschenden nicht der Gegenleistung in Form des Lohns entspricht. Dies gilt jedoch nicht für das Erschleichen einer Beamtenstellung bzw. die Anstellung im öffentlichen Dienst, da es bei der Täuschung über die nach Gesetz oder Verwaltungsvorschrift erforderliche fachliche Qualifikation regelmäßig an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung fehlt. Zudem ist ein Vermögensschaden anzunehmen, wenn der Beamte wegen fehlender persönlicher Eignung nicht hätte eingestellt werden dürfen oder hätte entlassen werden müssen.[11]

ff. Echter und unechter Erfüllungsbetrug

Der (echte sowie unechte) Erfüllungsbetrug zeichnet sich dadurch aus, dass die gegenseitigen Leistungen des geschlossenen Vertrages an sich gleichwertig sind, aber im Rahmen der Erfüllung zulasten des Getäuschten weniger geleistet wird (echter Erfüllungsbetrug) oder der vom Täuscher erhaltene Leistung entgegen der Erwartung des Getäuschten nur Gleichwertigkeit zukommt (unechter Erfüllungsbetrug).

Während bei einem echten Erfüllungsbetrag unbestritten ein Vermögensschaden besteht – der bei Vertragserfüllung erhalte Vermögensvorteil kompensiert nicht den eigenen Vermögensnachteil – ist dies für den unechten Erfüllungsbetrug umstritten, weil bei strikter Anwendung der Differenzhypothese die Vermögensverfügung des Getäuschten vollständig kompensiert wird. Nach der h.M. und der Rechtsprechung des BGH ist daher im Fall des unechten Erfüllungsbetrugs ein Vermögensschaden zu verneinen und die Täuschung bzw. die Erwartung des Getäuschten an ein „gutes Geschäft“ oder „Schnäppchen“ betrifft nur dessen Dispositionsfreiheit, die nicht durch § 263 StGB geschützt wird.[12] Einer anderen in der Literatur vertretenen Ansicht zufolge ist der Schaden abweichend von der Differenzhypothese normativ zu ermitteln und erfasst auch den Gewährleistungsanspruch bzw. die aus der Nichtgeldendmachung resultierende Vermögensschmälerung.

gg. Konkrete Vermögensgefährdung als Schaden

Nach der h.M. und der Rechtsprechung des BGH genügt für einen Vermögensschaden bereits, dass der endgültige Verlust des Vermögensbestandteils so konkret zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung droht, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine objektiv wirtschaftlich messbare Minderung des Gesamtvermögens vorliegt. Durch diese (kritisierte) Auslegung des Vermögensschadens tritt die Vollendung früher ein und die Versuchsstrafbarkeit wird vorgelagert. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist erforderlich, dass die Gefährdung so konkret ist, dass sie im Wirtschaftsverkehr als weniger werthaltig gesehen wird und konkret bezifferbar ist, da sonst die Voraussetzung des Schadens seine tatbestandseinschränkende Funktion verliert.[13]

hh. Dreiecksbetrug

Der Betrug zeichnet sich dadurch aus, dass Getäuschter und Verfügender ein und dieselbe Person sein müssen, der Geschädigte jedoch ein Dritter sein kann. Hieraus folgt die problematische Abgrenzung zwischen dem Betrug zulasten des Dritten und dem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, wenn die Leistung des Verfügenden in der Verfügung über bzw. der Wegnahme einer Sache liegt.

Für die Abgrenzung zwischen dem Betrug zulasten eines Dritten und dem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft durch Täuschung des Tatmittlers wird übereinstimmend auf die Beziehung zwischen dem Dritten bzw. Tatmittler und dem Geschädigten abgestellt.[14]

AnsichtLehreKritik
Nähetheorie (Rspr.)Eine Vermögensverfügung liegt vor, wenn der Dritte bereits vor der Täuschung kraft Sachherrschaft über die Sache verfügen kann.Jeder beliebige Dritte mit Gewahrsam kann Verfügungen mit Wirkung zulasten des Geschädigten vornehmen ohne das eine Zurechnung an den Geschädigten erforderlich ist.
Lagertheorie (h.M.)Eine Vermögensverfügung liegt vor, wenn der Dritte normativ dem „Lager“ des Dritten zuzuordnen ist und daher in einem besonderen Näheverhältnis zu dessen Vermögen steht.Rechtlich fragwürdige Konstruktion abseits der rechtlichen oder faktischen Zuordnung von Sachen, deren Kriterien mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 II GG) zu unbestimmt sind
Objektive Befugnistheorie bzw. ErmächtigungstheorieEine Vermögensverfügung (und ein Betrug) besteht nur dann, wenn dem Dritten eine rechtliche Befugnis zur Verfügung zusteht.Streng zivilrechtliche Betrachtung ermöglicht Betrugsstrafbarkeit nur bei hoheitlichem Handeln und bei einem Handeln aufgrund privater Ermächtigungen und schränkt Strafbarkeit zu sehr ein.
Subjektive
Befugnistheorie
Eine Vermögensverfügung (und ein Betrug) besteht, wenn der Dritte nach seiner irrtumsbedingten Vorstellung zur Verfügung befugt ist.Die subjektive Vorstellung des Verfügenden kann nicht zur objektiven Zurechnung der Handlung an den Geschädigten maßgeblich sein.

2. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand des Betrugs setzt sich zusammen aus dem Vorsatz bzgl. allen Merkmalen des objektiven Tatbestands, der Bereicherungsabsicht, der Stoff­gleichheit zwischen erstrebtem Vermögensvorteil und des eingetretenen Schadens sowie Vorsatz hierfür und der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils sowie Vorsatz hierfür.

a. Bereicherungsabsicht

Nach § 263 I StGB erfordert der Betrug die „Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Als „Gegenteil“ des Vermögensnachteils ist der Vermögensvorteil ebenfalls im Wege der Differenzhypothese und mit demselben Vermögensbegriff zu ermitteln.

b. Stoffgleichheit zwischen erstrebtem Vermögens­vor­­teil & eingetretenen Schaden und hierfür Vorsatz

Ergänzend und als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist zunächst objektiv die Stoffgleichheit zwischen dem erstrebtem Vermögensvorteil und dem eingetretenen Schaden und schließlich der Vorsatz hierzu erforderlich.

Die Stoffgleichheit liegt vor, wenn der Vorteil die Kehrseite des Schadens, somit die unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Vermögensverfügung ist und dem Täter direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließt.[15]

Vereinfacht formuliert ist erforderlich, dass die Vermögensverfügung, aus der der Schaden resultiert mit der Vermögensverfügung, aus der der Vorteil folgt, dieselbe ist. Hierfür muss zusätzlich Vorsatz bestehen.

c. Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils und hierfür Vorsatz

Zuletzt muss der erstrebte Vermögensvorteil objektiv rechtswidrig sein, was der Fall ist, wenn der Begünstigte keinen einredefreien und fälligen Anspruch hat. Auch hierfür muss Vorsatz bestehen.

II. Die Strafzumessungsregeln nach § 263 III StGB und der Bandenbetrug nach § 263 V StGB

Der Strafrahmen des § 263 I StGB als Grunddelikt des Betrugs wird nach § 263 III Nr. 1 – 5 StGB in fünf „besonders schweren Fällen“ verschärft. Der Ausschluss des besonders schweren Falls nach § 243 II StGB findet nach § 263 IV StGB entsprechende Anwendung.

Zudem ist der Bandenbetrug in § 263 V StGB als Qualifikation normiert.

Die einzelnen Voraussetzungen des besonders schweren Falls des Betrugs und des Bandenbetrugs sind unter B und C dargestellt und können im Einzelfall entweder als eigenständige Prüfung oder gemeinsam mit den Voraussetzungen des Betrugs geprüft werden.

III. Das Antragserfordernis nach § 263 IV StGB i.V.m. §§ 247, 248a StGB

Nach § 263 IV StGB gelten die §§ 247 und 248a StGB entsprechend, sodass sowohl beim Haus- und Familienbetrug, somit dann, wenn durch den Betrug ein Angehöriger, Vormund oder Betreuer geschädigt wird oder das Opfer mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft lebt, als auch beim Bagetellbetrug, somit dann, wenn eingetretener Vermögensschaden als auch erstrebter Vermögensvorteil i.S.d. § 248a StGB geringwertig sind, die Tat nur auf Antrag verfolgt wird, wenn beschränkt auf den Bagetellbetrug kein öffentliches Interesse an einem Einschreiten der Strafverfolgungsbehörde vorliegt.

Nachweise

[1] Vgl. LK-StGB/Kubiciel/Tiedeman, 13. Aufl. 2025, StGB § 263 Rn. 9 m.w.N.

[2] BGHSt 48, 331 (344) = NJW 2004, 375 (379, unter II.2.a.aa); zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 20).

[3] Z.B. BGHSt 49, 17 (21) = BGH NJW 2004, 454 (455, unter 2.b) m.w.N.; zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 18).

[4] Vgl. Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 20.

[5] BGHSt 51, 165 = NJW 2007, 782 (784, Rn. 20); zuletzt BGHSt 67, 55 = BGH NJW 2022, 3165 (Rn. 18).

[6] Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 19 ff.

[7] Ausführlich MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 Rn. 274 ff.

[8] Vgl. BeckOK StGB/Beukelmann, 64. Ed. 1.2.2025, StGB § 263 Rn. 31.

[9] Vgl. BeckOK StGB/Beukelmann, 64. Ed. 1.2.2025, StGB § 263 Rn. 51 m.w.N.

[10] Ausführlich zu den Ansichten und ihrer Entwicklung MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 Rn. 939 ff. m.w.N.

[11] Vgl. zuletzt BGH NStZ 2020, 291 (293 f., Rn. 28 ff.) m.w.N.

[12] So z.B. BGH NStZ 2012, 629 zu Plagiatsfelgen.

[13] Vgl. BVerfG NJW 2012, 907 (915 ff., Rn. 162 ff.) m.w.N.

[14] Ausführlich NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 212 ff. m.w.N.

[15] Vgl. BeckOK StGB/Beukelmann, 65. Ed. 1.5.2025, StGB § 263 Rn. 78 m.w.N

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