02. Besonderheiten polizei- und sicherheitsrechtlicher Klagen & Anträge

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Bei Klagen und Anträgen im Polizei- und Sicherheitsrecht und somit auch in Gutachten mit Schwerpunkten im Polizei- und Sicherheitsrecht sind ergänzend zum allgemeinen Verwaltungsprozessrecht einzelne Besonderheiten und Konstellationen hervorzuheben.

Die Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage mit Schwerpunkten im Polizei- und Sicherheitsrecht kann nach folgendem (komprimierten) Schema geprüft werden:

  1. Sachentscheidungskompetenz des Gerichts & Zulässigkeit der Klage
    1. Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit
    2. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I 1 VwGO
    3. Die statthafte Verfahrensart
    4. Verfahrensartabhängige Sachentscheidungsvoraussetzungen
    5. Klagebefugnis
    6. Zuständigkeit des Gerichts
    7. Beteiligten-, Prozess- und Postulationsfähigkeit
    8. Ordnungsgemäße Klageerhebung bzw. Antragstellung
    9. Allgemeines RechtsschutzbedürfnisX
    10. Keine andere Rechtshängigkeit oder entgegenstehende Rechtskraft
  2. Objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO
  3. Beiladung nach § 65 VwGO
  4. Begründetheit der Klage bzw. des Antrags

A. Sachentscheidungskompetenz des Gerichts & Zulässigkeit einer Klage bzw. eines Antrags

I. Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

II. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich grundsätzlich nach § 40 I 1 VwGO, sofern keine abdrängende Sonderzuweisung besteht und erfordert das Bestehen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art, was bei streitentscheidenden Geschehnissen der Polizei oder einer Sicherheitsbehörde der Fall ist.

Nach § 23 I 1 EGGVG i.V.m. Art. 12 I POG kann jedoch eine abdrängende Sonderzuweisung gegeben sein.

§ 23 I 1 EGGVG
Über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte.

Art. 12 I POG | Rechtsbehelfe
Für Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Polizei gelten die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, soweit eine Zuständigkeit nach § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz nicht gegeben ist.

Dies ist der Fall, wenn die Polizei im Bereich der Strafrechtspflege, beispielsweise nach § 163 I StPO im Bereich der Aufklärung und Verfolgung begangener Straftaten als Justizbehörde i.S.d. § 23 I 1 EGGVG tätig ist.

Erforderlich ist daher die Abgrenzung zwischen repressivem und präventivem Handeln bzw. der Strafrechtspflege und der Gefahrenabwehr. Für die Abgrenzung ist maßgeblich, wie sich der konkrete Sachverhalt aus der Sicht eines verständigen Bürgers in der Lage des Betroffen darstellt.[1] Hierbei kann in der Regel auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abgestellt werden.

Für Handlungen, die nicht ohne weiteres als Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung eingeordnet werden können, bezeichnet als doppelfunktionale Maßnahmen, ist nach der überwiegenden Rechtsprechung der Rechtsweg danach zu bestimmen, ob der Grund oder das Ziel des polizeilichen Einschreitens und gegebenenfalls dessen Schwerpunkt der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienen sollte. Dabei muss der Sachverhalt im Allgemeinen einheitlich betrachtet werden, es sei denn, dass einzelne Teile des Geschehensablaufs objektiv abtrennbar sind.[2]

Besteht eine doppelfunktionale Maßnahme, die als präventive Handlung bestimmt wird, sodass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, stellt sich als Folgefrage, ob sich die verwaltungsgerichtliche Prüfungskompetenz der Rechtmäßigkeit des Handelns nur auf die PAG begrenzt, oder auch Vorschriften der StPO in die Prüfung einzubeziehen sind.

Zugunsten einer weiten Prüfungskompetenz werden die Gebotenheit einer einheitlichen Beurteilung des Geschehens ohne künstliche Aufspaltung in zwei Gerichtsbarkeiten und verfassungsrechtliche Bedenken in Hinblick auf Art. 19 IV GG entgegengehalten.

Eine Einschränkung des Prüfungsmaßstabs wird insbesondere unter Berücksichtigung des umgekehrten Falls der Prüfung präventiven Handelns vor den ordentlichen Gerichten hergeleitet. Eine unterschiedliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes „wäre vom Gesetzgeber gewollt und gäbe für die Auslegung der Rechtswegregelung nichts Entscheidendes her. […] Weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug.“[3]

Klausurtaktisch ist zu empfehlen den Prüfungsmaßstab nicht zu begrenzen, um alle in der Klausur angelegten Inhalte zu prüfen.

Eine weitere abdrängende Sonderzuweisung kann nach Art. 97 V, 98 II Nr. 2 PAG für Freiheitsentziehungen bestehen.

Art. 97 V PAG | Richterliche Entscheidung bei Freiheitsentziehung; anwaltlicher Vertreter
1Ist die Freiheitsentziehung vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung beendet, kann die festgehaltene Person, bei Minderjährigkeit auch ihr gesetzlicher Vertreter, innerhalb eines Monats nach Beendigung der Freiheitsentziehung die Feststellung beantragen, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen ist, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. 2Der Antrag kann bei dem zuständigen Gericht schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle dieses Gerichts gestellt werden.

Art. 98 II Nr. 2 PAG | Zuständigkeit für gerichtliche Entscheidungen
Abweichend von Abs. 1 ist zuständig für die Entschei-dung nach Art. 97 Abs. 5 das Amtsgericht, in dessen Be-zirk die Person von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde.

III. Die statthafte Verfahrensart

Die statthafte Verfahrensart richtet sich nach dem Klagebegehren bzw. Antragsbegehren (§ 88 VwGO). Bei der Ermittlung der statthaften Verfahrensart ist neben dem grundsätzlichen „Ziel“ des Klägers oder Antragstellers auch die Dringlichkeit (Eilverfahren) zu berücksichtigten.

In der Regel wird sich die polizei- oder sicherheitsrechtliche Klage bzw. der Antrag gegen eine Handlung der Polizei oder der Sicherheitsbehörde richten. Die statthafte Verfahrensart richtet sich nach der angegriffenen Handlung. Grundsätzlich ist zwischen einem Verwaltungsakt und einem Realakt ohne Rechtsfolgen als tatsächlich wirkende Handlung zu unterscheiden. Im Rahmen der Abgrenzung ist jedoch zu beachten, dass allein die Vornahme einer Handlung nicht zur Einordnung als Realakt genügt, da hierin zugleich eine konkludente Verfügung und folglich ein Verwaltungsakt liegen kann.

Je nachdem, ob ein Verwaltungsakt besteht, dieser sich erledigt hat oder nicht oder ein Realakt anzunehmen ist, kommt als statthafte Verfahrensart in Betracht:

  1. Anfechtungsklage gegen einen sich nicht erledigten Verwaltungsakt nach § 42 I Alt. 1 VwGO,
  2. Fortsetzungsfeststellungsklage gegen einen sich nach der Klageerhebung erledigten Verwaltungsakt nach § 113 I 4 VwGO,
  3. Fortsetzungsfeststellungsklage gegen einen sich vor der Klageerhebung erledigten Verwaltungsakt nach § 113 I 4 analog (str., h.M.) ODER allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I VwGO (a.A.),
  4. Allgemeine Feststellungsklage nach § 43 I VwGO oder allgemeine Leistungsklage gegen Realakte,

Hervorzuheben ist die Rechtsprechung des BVerwG wonach die „Erledigung eines Verwaltungsaktes […] vielmehr erst ein[tritt], wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist [und zudem] von einem Verwaltungsakt, mit dem Handlungspflichten auferlegt werden, die im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt wurden, auch weiterhin rechtliche Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren aus[geht, da dieser] zugleich die Grundlage für den Kostenbescheid [bildet].“[4]

Zugleich kann die Erledigung eines auf polizeilichen Befugnisnormen beruhenden Verwaltungsakts durch den zwangsweisen Vollzug und der faktischen Beendigung durch Beseitigung der Gefahr eintreten.

IV. Verfahrensartabhängige Sachentscheidungs­vor­aus­setzungen

Sowohl im Rahmen der allgemeinen Feststellungsklage als auch nach der Fortsetzungsfeststellungsklage ist ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich.

V. Klagebefugnis und Antragsbefugnis

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

VI. Zuständigkeit des Gerichts

Sachlich zuständig ist nach § 45 VwGO das Verwaltungsgericht. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO

VII. Beteiligten-, Prozess- und Postulationsfähigkeit

Die Beteiligten-, Prozess- und Postulationsfähigkeit natürlicher und juristischer Personen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

1. Der Kläger oder Antragssteller

BeteiligtenfähigkeitProzessfähigkeit
Natürliche Personen (§ 1 BGB)§ 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO§ 62 I Nr. 1 VwGO
Aktiengesellschaften (AG)§§ 63 Nr. 1, 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO i.V.m. § 1 I AktGvertreten durch ihrem Vorstand nach §§ 62 III VwGO, 78 I 1 AktG

[Die obere Auflistung wird noch ergänzt und ist in Vorbereitung]

2. Der Beklagte oder Antragsgegner

Die Bestimmung des Beklagten bzw. Antragsgegners ist mit der (zumindest in Bayern) im Rahmen der Begründetheit zu bestimmenden Passivlegitimation zu ermitteln.

Als Rechtsträgerin der Polizei und folglich als Beklagter ist der Freistaat Bayern als juristische Person nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO beteiligtenfähig und muss nach § 62 III VwGO vom zuständigen Polizeipräsidium (§ 3 I Nr. 1, II 1, 6 LABV, Art. 4 II 1 Nr. 2 POG) vertreten werden.

VIII. Ordnungsgemäße Klageerhebung bzw. Antragstellung

Die ordnungsgemäße Klageerhebung erfordert die Wahrung der Formvorgaben nach §§ 81 f. VwGO.

Die geltende Frist richtet sich nach der statthaften Klageart und beträgt

  1. für Anfechtungsklagen nach § 74 I 2 VwGO einen Monat nach Zustellung bzw. Bekanntgabe,
  2. für die Fortsetzungsfeststellungsklage entweder analog nach § 74 I 2 VwGO einen Monat oder ist ohne eine Befristung (str.)

IX. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

X. Keine andere Rechtshängigkeit oder entgegenstehende Rechtskraft

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

B. Objektive Klagehäufung nach § 44 VwGO

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

C. Beiladung nach § 65 VwGO

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

D. Begründetheit der Klage bzw. des Antrags

Dieser Abschnitt ist noch in Vorbereitung.

Nachweise

[1] VGH München, Beschl. v. 29.09.2022 – 10 C 22.556 (Rn. 8).

[2] VGH München, Beschl. v. 29.09.2022 – 10 C 22.556 (Rn. 8) m.w.N.

[3] BVerwG NJW 1975, 893 (894).

[4] BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 – 7 C 5.08 (Rn. 13).

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