Recht vertieft

2 – Entscheidungsvertiefung: Strafrecht – Der Rücktritt vom fehlgeschlagenen (?) Versuch des schweren Raubes

verfasst von Ali Tahir Sen


Der Rücktritt vom Versuch und der Raub stellen höchst klausurrelevante Bereiche des Strafrechts dar. Anhand des Beschlusses des BGH vom 24.11.2021 (4 StR 345/21) zum Urteil des LG Münster vom 26.05.2021 (22 KLs-61 Js 3088/20-5/21) vertiefen wir sowohl (1) den versuchten Raub und schließlich (2) den Rücktritt, wobei hier der Schwerpunkt auf dem Fehlschlag des Versuchs liegt.



A. Sachverhalt

Um seinen täglichen Drogenkonsum zu finanzieren, entschließt sich T eines Abends nach dem Konsum von acht oder neun Flaschen Bier sowie bis zu maximal zwei Gramm Kokain, sich zum 82 Jahre alten O zu begeben, diesen durch Vorhalten eines 30 Zentimeter langen Messers zu einzuschüchtern und hierdurch ohne Gegenwehr Geld und Wertgegenstände abzunehmen. Da er O bereits seit seiner Kindheit kennt, möchte er das Messer über eine bloße Drohung hinausgehend nicht einsetzen und maskiert sich, um unerkannt zu bleiben, mit einem schwarzen Schlauchschal sowie einer schwarzen Mütze. Nur seine Augen sind sichtbar.

Gegen 23 Uhr erreicht T das etwa 150 Meter entfernte Haus des O und klingelt mit dem Messer in der Hand unmittelbar vor der Haustür stehend. O öffnet die Tür und ergreift das etwa zwanzig Zentimeter von ihm entfernte Messer mit der rechten Hand, bevor T sprechen oder handeln kann. Hierdurch erleidet O eine blutende, etwa zwei Zentimeter lange Schnittverletzung in der Handinnenfläche zwischen Daumen und Zeigefinger.

Obwohl O den T aufgrund dessen Maskierung nicht erkennt, ruft er laut „Ich kenne Dich! Hier gibt es nichts zu holen!“ und versucht T zu entmaskieren. T weicht zurück, wobei es ihm gelingt Mütze und Schal zu richten und dem O das Messer ohne weitere Verletzung zu entziehen.

Spätestens hier erkennt T die Verletzung des O. Er hatte es zwar für möglich gehalten, dass O sich während der Tat verletzt, aber nicht gewollt und möglicherweise darauf vertraut, dass dies nicht geschehen würde. Ihm ist bewusst, dass er dem wesentlichen älteren O körperlich überlegen ist und ihn, auch unter Zuhilfenahme des Messers, weiterhin körperlich hätte überwältigen können. Ihm ist jedoch ebenfalls bewusst, dass er infolge der entschlossenen Gegenwehr des O sein Ziel – den Erhalt von Geld oder Wertgegenständen – nicht ohne den Einsatz weiterer, über eine Drohung hinausgehende Nötigungsmittel erreichen kann. Die spontane und entschlossene Gegenwehr des O hat ihn überrascht und er hat von vornherein darauf vertraut, dass der deutlich ältere O sich aus Panik und Angst gefügig zeigt. Eine Gewaltanwendung zum Nachteil des O mit der möglichen Folge einer Verletzung ist für T jedoch weiterhin ausgeschlossen. Dies ist ihm „definitiv zu krass“. Das Messer will er nicht aktiv verletzend einsetzen, um die Wegnahme von Geld oder Wertgegenständen zu ermöglichen. Den ihm seit Jahren bekannten O durch einen gezielten Stich oder Schnitt zu verletzten, kommt für ihn nicht in Betracht. Zudem hält er es in diesem Moment angesichts des entsprechenden Ausrufs des O zumindest für möglich, dass dieser ihn aufgrund der erfolgten Enttarnung auch erkannt hat. T flüchtet.

Anmerkung: Die Schuldfähigkeit des T wurde anhand eines Gutachtens bejaht. Das Gutachten stellte zwar eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, diese erfülle jedoch nicht das Kriterium einer „schweren anderen seelischen Störung“. Für die Kriterien der „krankhaften seelischen Störung“ und der „Intelligenzminderung“ bestünden keinerlei Anhaltspunkte. Insgesamt sei mangels Vorliegens eines Eingangskriteriums im Sinne der §§ 2021 StGB von einer zur Tatzeit voll erhaltenen Schuldfähigkeit auszugehen.


B. Verfahrensgang

Das LG Münster verurteilte T mit Urteil vom 26.05.2021 (22 KLs-61 Js 3088/20-5/21) wegen eines versuchten besonders schweren Raubes (§§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB) und fahrlässiger Körperverletzung (§§ 223 I, 229230 StGB) in Tateinheit (§ 52 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Mit seiner Revision rügte T die Verletzung des materiellen Rechts. Mit Beschluss vom 24.11.2021 (4 StR 345/21) wurde (a) das Urteil des Landgerichts aufgehoben und (b) die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückgewiesen. Ein weiteres Urteil steht noch aus.


C. Strafbarkeit des T nach §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB

Die Strafbarkeit nach §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB kann nach folgendem Schema geprüft werden:

  1. Vorprüfung
    1. Nichtvollendung
    2. Strafbarkeit des Versuchs
  2. Tatentschluss
    1. Fremde, bewegliche Sache
    2. Wegnahme
      1. Abgrenzung zur räuberischen Erpressung (§§ 253, 255 StGB)
    3. Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels
      1. Gewalt gegen eine Person oder
      2. Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben
    4. Finalzusammenhang
    5. Qualifikation: § 250 II Nr. 1 StGB
      1. Waffe & gefährliches Werkzeug
      2. Verwenden
    6. Absicht der rechtswidrigen Zueignung
      1. Enteignungsvorsatz
      2. Aneignungsvorsatz
      3. Rechtswidrigkeit
      4. Vorsatz bzgl. Rechtswidrigkeit
    7. Zwischenergebnis
  3. Unmittelbares Ansetzen
    1. Unmittelbares Ansetzen in „Haustür-Fällen“
  4. Rechtswidrigkeit
  5. Schuld
  6. Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (hier: Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB)
    1. Kein fehlgeschlagener Versuch
      1. Maßgeblicher Zeitpunkt und Horizont der Ermittlung des Fehlschlags
    2. Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch (hier: unbeendeter Versuch)
    3. Freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung
  7. Strafantrag, weitere Strafverfolgungsvoraussetzungen/-hindernisse (ggbf.)
0. Vorprüfung

Die Tat ist nicht vollendet, wenn ein Tatbestandsmerkmal des objektiven Tatbestands nicht erfüllt ist. Vorliegend konnte T das Geld und die Wertsachen nicht an sich nehmen, alle Tatbestandsmerkmale nicht erfüllen und somit die Tat nicht vollenden. Der Versuch des schweren Raubes ist nach §§ 250 I, 12 I, 23 I StGB strafbar.

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Klausurhinweis
Da hier offensichtlich keine Probleme vorliegen, sollte die Vorprüfung knapp ausfallen. Dies gilt insbesondere, wenn zuvor bereits das vollendete Delikt geprüft worden ist, dann reicht ein Hinweis auf die vorangegangene Prüfung. Beginnt die Fallprüfung direkt mit dem Versuch, dann sollte dennoch kurz darauf eingegangen werden, weshalb der Versuch fehlgeschlagen ist – bestenfalls, ohne Tatbestände der nachfolgenden Prüfung vorwegzunehmen. Die Strafbarkeit des Versuchs sollte in der Regel kurz ausfallen.

I. Tatentschluss
1. Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache

Um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, wollte T dem O Geld und Wertgegenstände abnehmen. Hierbei müsste es sich um eine fremde, bewegliche Sache handeln und T müsste den Tatentschluss haben, diese wegzunehmen. Sowohl das Geld verkörpert in Geldscheinen als auch die Wertgegenstände sind körperliche Gegenstände und somit Sachen im Sinne des § 90 BGB.

Exkurs: Was sind eigentlich keine körperlichen Gegenstände?

Forderungen und sonstige Rechte (z.B. Buch- und Girageld, Patente, Marken) sind mangels Körperlichkeit keine Sachen. Aus diesem Grund werden sie spezialgesetzlich geschützt (z.B. Urheberrechtsschutz). Wird das immaterielle Recht jedoch durch einen körperlichen Gegenstand verkörpert, beispielsweise in Form eines Sparbuchs oder einer Urkunde, handelt es sich um Sachen.[1] Elektronische, magnetische oder in sonstiger Weise gespeicherte Daten, wie beispielsweise virtuelle Gutscheine,[2] und Computerprogramme sind keine Sachen. Dahingegen werden Tiere trotz § 90a BGB als Sachen im strafrechtlichen Sinne behandelt, nicht dahingegen der geborene lebende Mensch und Embryonen als Träger der Menschenwürde. Der Leichnam und dauerhaft vom Körper abgetrennte Teile des (lebendigen) menschlichen Körpers[3] stellen Sachen dar. Die Einordnung von Implantaten ist umstritten.

Sachen sind beweglich, wenn sie tatsächlich fortbewegt werden können. Dies ist bei Geldscheinen und Münzen der Fall. Vorliegend ist nicht näher angegeben, welche Wertgegenstände T an sich nehmen wollte, jedoch ist – bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung – davon auszugehen, dass die Gegenstände, die er an sich nehmen und fortschaffen wollte, beweglich sind.

Eine Sache ist dem Täter fremd, wenn sie sich im Zeitpunkt der Tatbegehung im Allein-, Mit- oder Gesamthandseigentum einer anderen natürlichen oder juristischen Person befindet und der Täter nicht hierdurch Eigentum erwirbt, nicht jedoch dann, wenn sie herrenlos oder eigentumsunfähig ist. Sowohl das Geld als auch die Wertgegenstände befinden sich nicht im Eigentum des T, sodass sie für ihn fremd sind.

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Klausurhinweis
Die Ermittlung des Eigentums richtet sich nach dem Zivilrecht, jedoch wird vom Bearbeiter einer strafrechtlichen Klausur im Studium keine tiefgehende, problematische Subsumtion erwartet (z.B. im Falle der Nichtigkeit nach § 134 BGB oder einer Anfechtung der Willenserklärung gerichtet auf die Einigung im Rahmen der Eigentumsübertragung nach § 929 1 BGB).

Exkurs: Ist Kraftstoff, der zunächst zahlungswillig getankt wurde, bei anschließender Zahlungsunwilligkeit „noch“ fremd?

Beispiel: A betankt sein Kraftfahrzeug an der Selbstbedienungstankstelle mit 32 Liter Dieselkraftstoff. Nach Abschluss des Tankvorgangs bemerkt er, dann seiner Meinung nach „unakzeptablen“ Preis von 2,259 € je Liter und fährt mit Vollgas davon. Handelt es sich bei dem Kraftstoff um eine fremde, bewegliche Sache?

Bei Kraftstoff handelt es sich trotz der liquiden Form um einen körperlichen Gegenstand. Dieser ist – wie insbesondere das Tatgeschehen zeigt – beweglich. Fraglich und umstritten ist allein die Fremdheit des Kraftstoffs.

Einer Ansicht (mM) nach handelt es sich um keine fremde Sache. Begründet wird dies damit, dass der getankte Kraftstoff durch Vermischung bzw. Verbindung mit dem bereits im Tank enthaltenen Kraftstoff nach §§ 947, 948 BGB zu einer einheitlichen Sache werden. Gegen diese Ansicht spricht jedoch bereits der Gesetzeswortlaut des § 947 I BGB, wonach „die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache“ werden und somit kein Alleineigentum des A vorliegt. Gleiches gilt nach § 948 I BGB. Zudem lässt sich gegen diese Ansicht einwenden, dass es vom Zufall abhängt, ob sich im Tank noch weiterer Kraftstoff befindet und es so zu einer Vermischung bzw. Verbindung kommt oder nicht.

Einer anderen Ansicht (mM) handelt es sich ebenfalls nicht um eine fremde Sache. Diese Ansicht geht von einer Eigentumseinigung zwischen dem Tankstellenbetreiber und dem Tanker nach § 929 1 BGB aus, sodass A während dem Tanken (Wegnahme) Eigentümer des Kraftstoffes wird und somit keine fremde Sache mehr vorliegt. Zu Recht wird diese Ansicht abgelehnt, da es offensichtlich nicht dem Willen des Tankstellenbetreibers entspricht, bedingungslos Eigentum am Kraftstoff zu übertragen.

Aus diesem Grund bejaht die herrschende Meinung die Fremdheit des getankten Benzins unter Annahme einer nach §§ 929 1, 158 BGB aufschiebend und auflösend bedingten Eigentumsübertragung.[4]

Es handelt sich bei den Geldscheinen, Münzen und Wertgegenständen somit um fremde, bewegliche Sachen.

T müsste den Tatentschluss gehabt haben, diese wegzunehmen. Wegnahme bedeutet den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams ohne oder gegen den Willen des bisherigen Gewahrsaminhabers.

Gewahrsam ist die tatsächliche Herrschaft unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung über eine Sache, die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragen wird. Eine tatsächliche Sachherrschaft liegt grundsätzlich vor, wenn der unmittelbaren Verwirklichung des Einwirkungswillens auf die Sache keine Hindernisse entgegenstehen. Für Sachen in der räumlichen Herrschaftssphäre einer Person besteht ein genereller Gewahrsamswille. Zu Beachten sind die Wertungen der Verkehrsauffassung. Bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung befinden sich das Geld und die Wertgegenstände am Körper des O (z.B. in der Geldbörse, Wertgegenstand in der Form einer Uhr am Handgelenk) oder in dessen Haus, somit zumindest in der räumlichen Herrschaftssphäre des O und folglich in dessen tatsächlichen Herrschaft.

Die tatsächliche Sachherrschaft muss von dem natürlichen Herrschaftswillen getragen werden, mit der Sache nach eigenem Willen zu verfahren. Dies liegt unzweifelhaft für alle Sachen vor, die O an seinem Körper trägt. Der natürliche Herrschaftswille muss sich weder auf eine konkrete Sache beziehen, noch stets aktuell sein. Auch ein genereller Herrschaftswille auf sämtliche Gegenstände in dem eigenen räumlichen Machtbereich begründet Gewahrsam, sodass O zur tatsächlichen Sachherrschaft an allen Gegenständen im Haus – somit auch dem Geld und den Wertgegenständen – einen natürlichen Herrschaftswillen aufweist.

Der Gewahrsam endet, wenn die tatsächliche Sachherrschaft endet oder der Herrschaftswille aufgegeben wird, z.B. die Sache unbemerkt verloren oder vergessen wird. Dies ist vorliegend nicht der Fall, sodass der Gewahrsam des O an dem Geld und Wertgegenständen besteht.

Neuer Gewahrsam ist unter Wertung der Verkehrsanschauung begründet, sobald der Täter oder ein Dritter die Sachherrschaft derart erlangt hat, dass er sie ohne wesentliche Hindernisse ausüben kann und der vorherige Gewahrsamsinhaber auf die Sache nicht mehr einwirken kann, ohne die nunmehr vorliegende Verfügungsgewalt des Täters bzw. des Dritten beseitigen zu müssen. Vorliegend wollte T dem O das Geld und die Wertgegenstände abnehmen, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, ein Tatentschluss zur Begründung neuen, eigenen Gewahrsams liegt vor.

Fremder Gewahrsam wird gebrochen, wenn die Sachherrschaft des bisherigen Gewahrsamsinhabers gegen oder ohne dessen Willen aufgehoben wird. T wollte dem O Geld und Wertgegenstände abnehmen, während er ihn mit dem Messer bedroht. Bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung (das Urt. des LG Münster geht hierauf nicht ein) ist davon auszugehen, dass nicht T dem O aktiv das Geld und die Wertgegenstände wegnehmen wollte, in dem er z.B. die Geldbörse raussucht, das Geld entnimmt und einsteckt, das Uhrband einer Uhr löst und diese einsteckt oder die Wohnung durchsucht, sondern, dass er O mit dem Messer bedrohen wollte, während dieser das Geld und die Wertsachen hervorholt und dem T überreicht. Da jedoch O dem T entsprechend dieser Auslegung das Geld und die Wertgegenstände übergeben hätte, ist fraglich und umstritten, ob die Sachherrschaft gegen den Willen des O aufgehoben worden wäre.

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Möglich erscheint auch eine Auslegung des Sachverhalts, wonach nicht O das Geld und die Wertgegenstände dem T übergibt, sondern lediglich duldet, dass dieser (z.B. in der Wohnung verstreut liegende Gegenstände parallel zum Bedrohen mit dem Messer) an sich nimmt [vgl. hierzu Abwandlung A].

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Klausurhinweis
Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung ist ein Klassiker und muss bekannt sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass der dazugehörige Meinungsstreit in jeder Prüfung des Raubes relevant ist und geführt werden muss. Ganz im Gegenteil: Liegt der Raub entweder direkt unzweifelhaft oder nach allen Ansichten unzweifelhaft vor, ist der Meinungsstreit bzw. die Entscheidung des Meinungsstreits verfehlt.
Wird dahingegen der Streitentscheid geführt und letztendlich der Raub bejaht, scheidet eine Prüfung der räuberischen Erpressung entweder mangels Subsidiarität oder Exklusivität des § 249 StGB aus.

Einer Ansicht nach (Rechtsprechung[5] & Teile der Literatur[6] ) ist das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers nach dem äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen. Nimmt der Täter die Sache an sich, handelt es sich um einen Gewahrsamsbruch gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers, überreicht bzw. gibt das Opfer dem Täter die Sache dahingegen, dann nicht. Unter der Annahme, dass O die Wertgegenstände hervorholt und dem T überreicht, wäre kein Nehmen, sondern ein Geben einschlägig, sodass mangels Gewahrsamsbruchs gegen den Willen des O eine Wegnahme und folglich der Raub ausgeschlossen wäre.

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Klausurhinweis
Das LG Münster bejaht eine Strafbarkeit wegen Raub, jedoch ohne Äußerung zur Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mangels näherer Feststellung das LG Münster im konkreten Fall von einem Raub ausging. Im Rahmen der Revision befasst sich der BGH mit dem Rücktritt und nicht dem Tatbestand des Raubes. In Klausuren (bis und im 1. Staatsexamen) ist dahingegen ein klarer und subsumierbarer Sachverhalt gegeben.

Einer anderen Ansicht nach (wohl herrschende Meinung in der Literatur[7] ) wird dies ausschließlich anhand der inneren Willensrichtung des Opfers beurteilt, da die räuberische Erpressung im Unterschied zum Raub ein Selbstschädigungsdelikt des Opfers sei und erfordere, dass dieser sich maßgeblich selbst schädigt. Eine Selbstschädigung liegt nach dieser Ansicht vor, wenn das Opfer sich in einer sog. Schlüsselstellung befindet. Kann der Täter – der Vorstellung des Opfers nach – ohne die Mitwirkung des Opfers den Gegenstand nicht an sich nehmen, befindet sich das Opfer in einer Schlüsselstellung, sodass im Ergebnis keine Wegnahme, sondern eine Vermögensverfügung gegeben ist und somit eine räuberische Erpressung und kein Raub einschlägig ist. Geht das Opfer davon aus, dass der Täter auch ohne sein Mitwirken das Tatobjekt an sich nehmen kann, liegt eine solche Schlüsselstellung nicht vor und es ist ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers gegeben.

Vorliegend liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass T nicht ohne eine Mitwirkung des O an das Geld und die Wertsachen gelangt (Tresor, Versteck, …), sodass davon auszugehen ist, dass O keine Schlüsselstellung zukommt und nach dieser Ansicht ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers gegeben wäre.

Exkurs: Weitere Ansichten
Abgesehen von diesen beiden großen und wichtigen Meinungen werden noch weitere „Modifikationen“ vertreten, wonach z.B. ein Gewahrsamsbruch mit Willen des Gewahrsamsinhabers vorliegt, sofern ein faktisches durch Nötigung abgenötigtes Einverständnis gegeben ist (hier eher vorliegend) oder (aus der Sicht des § 253 StGB) darauf abgestellt wird, um was erpresst wird (Forderung vs. Sache).

Da die Ansichten zu abweichenden Ergebnissen gelangen, ist ein Streitentscheid erforderlich.

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Klausurhinweis
Auch, wenn dem Klausurbearbeiter bereits die wichtigsten Argumente bekannt sind, empfehlt es sich chronologisch nach den verschiedenen Auslegungsmethoden vorzugehen und zeigt, dass der Klausurbearbeiter nicht nur den Streit auswendig gelernt hat, sondern auch mit der juristischen Methodenlehre vertraut ist – wobei im folgenden bewusst nicht auf die historische Auslegung eingegangen wird.

Die grammatikalische Auslegung (der Wortlaut) von § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB ergibt, dass in keiner Norm das Wort „Vermögensverfügung“ enthalten ist, was nach Ansicht von Teilen der Literatur erforderlich ist, insbesondere nicht aus dem Wort „Vermögensnachteil“ geschlussfolgert werden kann, da dies keine „Vermögensverfügung“ voraussetzt. Einzig das Wort „dulden“ könnte im Rahmen der grammatikalischen Auslegung für das Erfordernis einer Vermögensverfügung sprechen, während jedoch ein „Verfügen“ eine aktiv vorgenommene Handlung beschreibt, handelt es sich beim „Dulden“ einer Handlung um das passive – möglicherweise zwar willentliche – Akzeptieren einer von jemand anderen vorgenommenen Handlung. Die grammatikalische Auslegung spricht somit gegen das Erfordernis einer Vermögensverfügung und für die von der Rechtsprechung und Teilen der Literatur vertretene Ansicht.

Eine andere Ansicht ist selbstverständlich vertretbar, z.B. mit der Argumentation, dass ein „Dulden“ Wissen über die vorgenommene Handlung und einen eigenen Entschluss fordert – den Entschluss trotz Kenntnis nicht einzugreifen und somit eine Vermögensverfügung durch Unterlassen.

Im Rahmen der systematischen Auslegung spricht grundsätzlich für die Ansicht der Literatur, dass der Betrug ebenfalls nicht im Wortlaut eine „Vermögensverfügung“ als Voraussetzung enthält, aber dieses Tatbestandsmerkmal von der Rechtsprechung als erforderlich angesehen wird. Dies wird auf Parallelen zwischen dem Betrug und der Erpressung sowie dem Diebstahl und dem Raub gestützt. Die Rechtsprechung wendet hiergegen ein, dass vielmehr Parallelen zwischen der Nötigung und der Erpressung statt zwischen dem Betrug und der Erpressung bestehen, doch kann dies angesichts der Verbindung des Betrugs und der Erpressung mit dem Erfordernis eines Vermögensschadens bzw. Vermögensnachteils nicht überzeugen. Gegen die Ansicht der Rechtsprechung und Literatur spricht zudem, dass der Raub als lex speziales vor dem allgemeinen, immer verwirklichten Delikt der räuberischen Erpressung steht und §§ 253, 255 sowohl im Strafmaß als auch für die Qualifikationen auf die speziellere Regel verweisen. Die systematische Auslegung spricht somit für die Ansicht, vertreten von Teilen der Literatur.

Andere Ansicht beispielsweise, mit der Argumentation vertretbar, dass ein Vermögensschaden & ein Vermögensnachteil nicht identisch sind und somit keine Parallele zwischen dem Betrug und der Erpressung besteht oder, dass die Unterschlagung (wie nach Ansicht der Rechtsprechung die Erpressung) mit jedem Diebstahl (wie nach dieser Ansicht der Raub) erfüllt ist und ebenfalls die Unterschlagung nicht als erstes normiert wird.

Im Rahmen der teleologischen Auslegung (Sinn und Zweck) können sowohl Wertungswidersprüche als auch ungerechtfertigte Schutzlücken angesprochen werden.

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Klausurhinweis
Es darf jedoch keinesfalls von Schutzlücken auf eine bestimmte Auffassung geschlussfolgert werden, da das Strafrecht selbst grundsätzlich lückenhaft ist.

Gegen die Ansicht vertreten von Teilen der Literatur wird angeführt, dass dies zu ungerechtfertigten Schutzlücken führt, wenn der Täter mit willensbrechender Gewalt (vis absoluta) vorgeht und mangels freier Willensbetätigung bzw. Willensbildung das Opfer keine Möglichkeit hat nach seinem eigenen Willen zu handeln, die räuberische Erpressung ausgeschlossen ist und – beispielsweise beim Fehlen einer Zueignungsabsicht – auch der Raub nicht erfüllt ist.

Gegen die Ansicht der Rechtsprechung und Literatur spricht jedoch, dass ohne das Erfordernis einer Vermögensverfügung im Tatbestand der räuberischen Erpressung die Abgrenzung zwischen dem Diebstahl und seinen Privilegierungen (§§ 243 II, 248a, 247 StGB), der grundsätzlichen Privilegierung der Gebrauchsanmaßung und dem Raub unterlaufen wird, wenn jede Nötigung in Kombination mit einem Vermögensnachteil in Form einer Wegnahme oder Gebrauchsanmaßung zum Strafmaß des Raubes führt, welches eine qualifizierte Nötigungshandlung erfordert.

Hiergegen kann z.B. ein gleichwertiges Unrecht zwischen der Erpressung und dem Diebstahl entgegengehalten werden. Darüber, ob es sich bei den §§ 247,248a StGB um „Privilegierungen“ handelt, kann diskutiert und dies verneint werden.

Mangels systematischen Widersprüchen und Wertungswidersprüchen ist somit im Ergebnis der Ansicht der Literatur trotz verbleibender Schutzlücken der Vorzug zu geben, sodass das Vorliegen eines Gewahrsamsbruchs gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers anhand der inneren Willensrichtung des O zu beurteilen ist und vorliegend mangels Schlüsselposition des O (vgl. oben) von einem Gewahrsamsumbruch gegen den Willen des O auszugehen ist.

T hatte somit den Tatentschluss den Gewahrsam des O an dem Geld und den Wertgegenständen zu brechen und gegen den Willen des O neuen, eigenen Gewahrsam zu begründen, sodass der Tatentschluss für eine Wegnahme vorliegt.

Abwandlung A: Nach der Vorstellung des T soll O nicht dem T die Wertgegenstände übergeben, sondern T möchte die Wohnung betreten und während der Bedrohung mit dem Messer so schnell wie nur möglich offen liegende Wertgegenstände an sich nehmen.

Nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wäre nach dem äußeren Erscheinungsbild dann von einem „Nehmen“ des T auszugehen, sodass ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O vorliegen würde.
Nach Ansicht der Literatur hätte O weiterhin keine Schlüsselposition inne, sodass ebenfalls ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O vorliegen würde.
Ein Streitentscheid ist somit nicht notwendig!

Abwandlung B: Vor der Haustür des O stehend, bekommt T Zweifel, dass O sich von seinem Messer einschüchtern lassen wird und sieht ein, dass sein Plan zum Scheitern verurteilt ist. Gerade, als er das Grundstück des O verlassen will, bemerkt er, dass die Garage der Nachbarn des O offensteht und erkennt mehrere Zylinder Distickstoffmonoxid (ein medizinisches Sedativum, auch bekannt als Lachgas). Kurzerhand schnappt sich T einen der Zylinder und klingelt. Kaum hat O die Tür geöffnet, trifft ihn ein Stoß Distickstoffmonoxid und lässt ihn kurz benommen zusammenbrechen. T nutzt die Zeit, um O ordentlich zu fesseln.

Nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wäre nach dem äußeren Erscheinungsbild auch in Abwandlung B ein „Nehmen“ anzunehmen, da O zu einem „Geben“ nicht mehr in der Lage ist, sodass ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O vorliegen würde.
Nach Ansicht der Literatur hätte O weiterhin keine Schlüsselposition inne, sodass ebenfalls ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O vorliegen würde.
Ein Streitentscheid ist somit auch in Abwandlung B nicht notwendig!

Aber: Schlägt die Prüfung des Raubes fehl, z.B. weil T keinen dauerhaften Enteignungsvorsatz aufweist, dann wird der Streit im Rahmen der Prüfung der (räuberischen) Erpressung relevant. Nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur steht dem – sofern sonst tatbestandsmäßig einschlägig – nichts entgegen, da die räuberische Erpressung nur subsidiär ist, wenn der Raub erfüllt ist. Wird jedoch mit Teilen der Literatur eine Vermögensverfügung gefordert, liegt dies nicht vor, sodass sich T weder des Raubes noch der räuberischen Erpressung strafbar gemacht hat.

Abwandlung C: T geht vor wie im Ausgangsfall, weiß jedoch, dass O seine Wertsachen in einem Tresor versteckt, der mit einem zehnstelligen Code geschützt ist, der nur dem O bekannt ist. Bedroht mit dem Messer soll O den Code nennen, damit T den Inhalt des Tresors an sich nehmen kann.

Nach Ansicht der Rechtsprechung und Teilen der Literatur wäre auch in dieser Abwandlung nach dem äußeren Erscheinungsbild von einem „Nehmen“ des T auszugehen, sodass ein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O vorliegen würde.
Nach Ansicht der Literatur hat O jedoch eine Schlüsselposition inne. Verrät O nicht den Code, hat T keine (bei 10.000.000.000 Möglichkeiten) realistische Chance, an den Inhalt des Tresors zu gelangen. Aufgrund dieser Schlüsselposition liegt nach dieser Ansicht kein Gewahrsamsbruch gegen den Willen des O, somit kein Raub sondern möglicherweise nur eine räuberische Erpressung vor. Ein Streitentscheid ist erforderlich.

2. Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels

Zudem müsste T den Vorsatz gehabt haben, ein qualifiziertes Nötigungsmittel, Gewalt gegen eine Person oder eine Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, einzusetzen.

Gewalt ist ein durch mittelbare oder unmittelbare Einwirkung ausgelöster körperlich wirkender Zwang, der nach der Vorstellung des Täters bestimmt und geeignet ist, den tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand des Opfers zu unterbinden und dessen freie Willensentschließung oder Willensbildung zu beeinträchtigen.

Vorliegend wollte T jedoch den O lediglich bedrohen. Die verletzende = körperlich und zwanghaft wirkende Nutzung des Messers ist ihm „definitiv zu krass“, sodass kein Vorsatz zum Einsatz von Gewalt gegen eine Person vorlag.

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Klausurhinweis
Wird ein Gutachten geschrieben, sollte, selbst wenn offensichtlich nicht einschlägig, auch die Gewalt gegen eine Person definiert und knapp subsumiert werden.

Exkurs: Kann Gewalt gegen Dritte und Sachen begangen werden?

Beispiel: Entgegen der Erwartung des T öffnet nicht O die Tür, sondern seine zehnjährige Nichte N, die beim Anblick des maskierten T und des Messers loskreischt. Kurzerhand legt T ihr das Messer an den Hals und fordert O auf, sein Geld und seine Wertsachen zu übergeben.

Im Verhalten des T liegt angesichts des Festhaltens eine Gewaltanwendung gegenüber N vor. Nach h.M. ist zumindest eine mittelbare Einwirkung auf den O erforderlich – rein psychische Einwirkungen reichen nicht aus. Kommt es aufgrund der Gewaltanwendung beispielsweise zu einer körperlich wirkenden Schreckreaktion bzw. allgemein zu einem körperlich wirkenden Zwang, liegt ebenfalls eine Gewaltanwendung gegenüber O vor. Anderer Ansicht nach ist eine unmittelbare Einwirkung auf den Körper notwendig. Liegt nur eine mittelbare oder psychische Einwirkung vor, kommt nur die zweite Alternative – das Drohen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben – in Betracht.

Drohen ist das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss zu haben vorgibt. Adressat der Drohung kann jeder sein, der nach der Vorstellung des Täters zum Schutz des Gewahrsams bereit oder verpflichtet ist.

Bereits nach dem Sachverhalt möchte T das Messer (nur) für eine Drohung einsetzen, sodass das Drohen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gegenüber O unzweifelhaft vorliegt. Diese müsste auch gegenwärtig sein. Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn sie entweder unmittelbar bevorsteht oder jederzeit in eine Schädigung umschlagen kann und ohne sofortige Maßnahmen zur Abwehr nicht mehr abgewendet werden kann. Dies liegt spätestens mit dem Öffnen der Tür vor.

Somit hat T ein qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt.

3. Finalzusammenhang

Zwischen der Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache und dem Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels muss ein Finalzusammenhang bestehen. Dieser liegt vor, wenn die Nötigung zur Wegnahme der Sache erfolgt ist.

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Klausurhinweis
In der Prüfung des vollenden Delikts empfiehlt es sich, den Finalzusammenhang trotz einer subjektiven Komponente im objektiven Tatbestand zu prüfen.

Vorliegend wollte T durch die Drohung mit dem Messer erreichen, dass er O das Geld und die Wertsachen abnehmen kann, sodass ein Finalzusammenhang besteht.

Exkurs: Problemfälle des Finalzusammenhangs
Der Finalzusammenhang ist problematisch, wenn zunächst das Nötigungsmittel eingesetzt wird und erst dann Vorsatz zur Wegnahme besteht. Der Finalzusammenhang wird bejaht, wenn aufgrund eines neuen Entschlusses das Nötigungsmittel aufrechterhalten wird (z.B. weiteres Festhalten) oder wiederholt angewendet (z.B. erneute Schläge) wird, nicht dahingegen, wenn die Wirkung des Nötigungsmittels ausgenutzt wird (z.B. Bewusstlosigkeit des Opfers).

Umstritten ist, ob ein Finalzusammenhang vorliegen soll, wenn der Täter die Wirkung des vorherigen Nötigungsmittels ausnutzt, obwohl die Möglichkeit besteht, diese zu beseitigen (z.B. das gefesselte Opfer zu befreien). Nach der sog. Unterlassungslösung der h.M. ist der Täter aus Ingerenz hierzu verpflichtet und ein Finalzusammenhang besteht aufgrund einer Gewaltanwendung durch nachfolgendes Unterlassen. Nach der sog. Lösung der fehlenden Modalitätenäquivalenz liegt kein Finalzusammenhang vor, da das Ausnutzen der Wirkung des Nötigungsmittels nicht wie nach § 13 I StGB erforderlich einem Tun entspricht.

Kein Finalzusammenhang besteht, wenn der Vorsatz zur Wegnahme einer Sache aufgegeben und stattdessen ein anderer, neuer Vorsatz zur Wegnahme einer anderen Sache ohne einen entsprechenden neuen Nötigungsvorsatzes begründet wird, sowie wenn der Einsatz des Nötigungsmittels lediglich der Vorbereitung der Wegnahme diente.

4. Qualifikation: § 250 II Nr. 1 StGB

Zudem könnte T Vorsatz zur Erfüllung der Qualifikation des § 250 II Nr. 1 StGB gehabt haben. Dies erfordert, dass T bei der Tat (a) eine Waffe oder (b) ein gefährliches Werkzeug verwendet hat.

Eine Waffe ist jeder Gegenstand, mit dem man nach seiner Beschaffenheit und Zweckbestimmung bei der Herstellung oder Umgestaltung beim Einsatz gegen Menschen erhebliche Verletzung zufügen kann. Zwar ist ein Messer seiner Beschaffenheit und bei entsprechendem Einsatz gegenüber einem Menschen zur Zufügung erheblichen Verletzungen fähig, es fehlt jedoch bei einem Haushaltsmesser an einer entsprechenden Zweckbestimmung. T hatte nicht den Vorsatz zur Verwendung einer Waffe.

Er könnte jedoch bei der Tat Vorsatz zur Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs aufgewiesen haben. Die Definition eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB ist umstritten.

Nach einer Ansicht ist der Begriff des gefährlichen Werkzeugs innerhalb des § 250 StGB einheitlich auszulegen, sodass sich die Definition nach der des § 250 I Nr. 1 Alt. 1 StGB richtet. Diese ist wiederum umstritten, wobei drei verschiedene Ansichten unterschieden werden können:

Nach der sog. subjektiven Zwecklösung ist die subjektive Zweckbestimmung durch den Täter bestimmend, sodass ein Gegenstand dann gefährlich ist, wenn der Täter ihn im Bedarfsfall so verwenden will, sodass er im Falle seines tatsächlichen Einsatzes die Voraussetzungen des § 224 I Nr. 2 StGB erfüllen würde. Nach § 224 I Nr. 2 StGB ist jeder Gegenstand ein gefährliches Werkzeug, der unter Berücksichtigung seiner Beschaffenheit und Nutzung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche körperliche Verletzungen hervorzurufen. Bei einem Messer, das lediglich zur Drohung verwendet wird, ist dies nicht gegeben, sodass nach der subjektiven Zwecklösung kein gefährliches Werkzeug vorliegt.

Nach der sog. objektiven Beschaffenheitslösung der Rechtsprechung ist das abstrakte Verletzungspotenzial des Gegen­stands ausschlaggebend, sodass jeder Gegen­stand, der aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit wie eine Waffe geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, ein gefährliches Werkzeug darstellt. Ein Messer ist unabhängig von seiner Länge durch seine Härte und die scharfe Klinge oder Spitze zur Beifügung erheblicher Verletzungen geeignet, sodass nach dieser Ansicht ein gefährliches Werkzeug nach § 250 I Nr. 1 Alt. 1 StGB und bei einheitlicher Auslegung auch nach § 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB vorliegt.

Die sog. objektive Kombinationslösung der herrschenden Lehre erfordert, dass der Gegenstand nicht nur aufgrund der objektiven Beschaffenheit wie eine Waffe geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, sondern dieser auch aus der Sicht eines objektiven Dritten nach den Umständen des Einzelfalls nur zur gefährlichen Verwendung bestimmt sein kann. Aus der Sicht eines Dritten, dem der Vorbehalt nicht bekannt ist, das Messer nur zur Drohung zu verwenden, liegt ein zur gefährlichen Verwendung bestimmter Gegenstand vor, wenn das Messer als Drohmittel verwendet wird, da bei Ankündigung eines Übels auch von der Ausübung ausgegangen werden kann bzw. diese Vorstellung die Wirkung der Drohung begründet.

Somit liegt sowohl nach der objektiven Beschaffenheitslösung als auch nach der objektiven Kombinationslösung ein gefährliches Werkzeug vor, nicht jedoch nach der subjektiven Zwecklösung. Gegen diese spricht, dass nach § 250 I Nr. 1a StGB keine Verwendungsabsicht erforderlich ist, sodass die Gefährlichkeit eines Gegenstandes nicht subjektiv ermittelt werden kann, sodass im Ergebnis bei einer einheitlichen Auslegung des § 250 StGB ein gefährliches Werkzeug vorliegt.

Andere Ansicht beispielsweise vertretbar mit der Argumentation, dass die objektive Beschaffenheitslösung zu weit ausufernden Auslegungen führt, da nahezu jeder alltägliche Gegenstand bei bestimmter Anwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen (z.B. Stift ins Auge), sowie, dass die objektive Kombinationslösung zu „diffusen Spekulationen“ über die Sicht eines objektiven Dritten führt.

Nach der Ansicht der Rechtsprechung liegt dahingegen ein gefährliches Werkzeug nach § 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB abweichend von § 250 I Nr. 1 Alt. 2 StGB bei jedem Werkzeug vor, das nach der Art der konkreten Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, was bei einem als Drohungsmittel verwendeten Messer gegeben ist.

Sollten beide Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen und ist ein Meinungsstreit erforderlich, ist zu beachten, dass die für die einheitliche Auslegung des Begriffs des gefährlichen Werkzeugs die Systematik des Gesetzes, insbesondere die Einordnung des § 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB als Steigerungsform des § 250 I Nr. 1a Alt. 2 StGB spricht, damit jedoch ein Widerspruch zu § 224 I Nr. 1 Alt. 2 StGB begründet wird.

Dieses gefährliche Werkzeug müsste T verwendet haben. Ein Täter verwendet eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 II Nr. 1 StGB, wenn er es als Mittel der Gewaltanwendung oder unter Wahrnehmung des Opfers zur Drohung gebraucht, wie vorliegend von T vorgehabt.

  !  

Klausurhinweis
Ob O das Messer wahrnimmt oder ob T das Messer verwendet hat, ist in der Prüfung des Tatentschlusses nicht von Belang. Es geht lediglich, um den Vorsatz, das Messer hierfür zu verwenden.

Somit hatte T den Tatentschluss für die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs und somit für die Qualifikation des § 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB.

5. Absicht der rechtswidrige Zueignung

Zudem müsste T die Absicht gehabt haben, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Dies setzt voraus, dass er sich die Sache zumindest vorübergehend aneignen und mit mindestens Eventualvorsatz die dauerhafte Enteignung des Eigentümers erreichen wollte.

Die Aneignung ist die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Herrschaftsmacht, gerichtet darauf, die Sache zumindest vorübergehend dem eigenen Vermögen einzuverleiben. T wollte durch die Tat seinen weiteren Drogenkonsum finanzieren, was erfordert, dass er das Geld und die Wertgegenstände zumindest vorübergehend in sein Vermögen einverleibt.

  !  

Klausurhinweis
An einer Aneignungsabsicht fehlt es, wenn die Sache direkt zerstört oder weggeworfen wird (z.B. eine leere oder geleerte Brieftasche).

Enteignung ist die dauerhafte, faktische Verdrängung des Eigentümers aus seiner Eigentümerstellung, die vom Täter mit mindestens Eventualvorsatz gewollt ist. Um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, musste T zwangsläufig den O aus seiner Eigentümerstellung verdrängen und handelte zumindest mit Eventualvorsatz diesbezüglich.

Darüber hinaus müsste die beabsichtigte Zueignung objektiv rechtswidrig gewesen sein, sowie T auch Vorsatz gehabt haben. Zur Zueignung des Geldes und der Wertsachen besteht kein fälliger, einredefreier Anspruch auf Übereignung, sodass die Zueignung im Widerspruch zur rechtlichen Eigentumsordnung steht und somit objektiv rechtswidrig ist. Auch ein Vorsatz diesbezüglich besteht.

  !  

Klausurhinweis
Besteht ein fälliger, einredefreier Anspruch auf Übereignung, ist zu beachten, dass sich dieser nicht mehr auf eine Gattungsschuld beziehen darf, sondern bereits auf eine Stückschuld konkretisiert haben muss.

6. Zwischenergebnis

Der Tatentschluss zum schweren Raub nach §§ 249 I, 250 II Nr. 1 Alt. 2 StGB liegt vor.

II. Unmittelbares Ansetzen

Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten hat und objektiv eine Gefährdung oder Verletzung des Rechtsguts unmittelbar bevorsteht.

  !  

Klausurhinweis
Es gibt mehrere Ansichten (z.B. die vorliegend angewendete) subjektiv-objektive Theorie, die formell-objektive Theorie (mind. 1 Tatbestandsmerkmal erfüllt) oder die subjektive Theorie sowie zahlreiche Abwandlungen bzw. zwischengelagerte Abgrenzungen.
Die nachfolgende Darstellung wendet die subjektiv-objektive Theorie an und vertieft das Ansetzen in „Haustür“-Fällen.

Vorliegend hat T nicht nur (maskiert und mit dem Messer in der Hand) an der Tür geklopft, somit die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten, sondern auch durch die Verletzung des O das Rechtsgut dessen körperlichen Unversehrtheit verletzt.

Ein unmittelbares Ansetzen liegt daher vor.

Exkurs: Unmittelbares Ansetzen in „Haustür“-Fällen
Abwandlung: O sieht durch seinen Türspion das Messer des T und öffnet die Tür nicht.
Nach Ansicht des BGH liegt beim Klingeln an der Tür, mit der Absicht einen Raub zu begehen, ein unmittelbares Ansetzen vor,[8] nicht dahingegen, wenn ein Diebstahl begangen werden soll.[9]

III. Rechtswidrigkeit & IV. Schuld

Es sind weder Rechtfertigungs-, noch Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe ersichtlich, sodass T rechtswidrig und schuldhaft handelt.

IV. Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe (hier: Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB)

Eine Strafbarkeit des T könnte jedoch aufgrund eines Rücktritts vom unbeendeten Versuch nach § 24 I 1 Alt. 1 StGB ausgeschlossen sein. Erforderlich ist hierfür ein (1) nicht fehlgeschlagener, (2) unbeendeter Versuch und (3) die freiwillige Aufgabe der Tatausführung.

1. Kein fehlgeschlagener Versuch

Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach seiner subjektiven Vorstellung die Tat mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden kann.

Ausschlaggebend ist hierfür die Vorstellung des Täters nach Abschluss der letzten Handlung, dem ursprünglichen Tatplan kommt lediglich eine Indizwirkung zu.

Anders als das LG Münster verneint der BGH einen Fehlschlag des Versuchs und stellt fest:

Ein Fehlschlag liegt nicht bereits darin, dass der Täter die Vorstellung hat, er müsse von seinem Tatplan abweichen, um den Erfolg herbeizuführen. Hält er die Vollendung der Tat im unmittelbaren Handlungsfortgang noch für möglich, wenn auch mit anderen Mitteln, so ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten […]
Die Urteilsausführungen lassen besorgen, dass das [LG] entgegen diesen Vorgaben dem Tatplan des Angeklagten nicht nur indizielle Bedeutung für dessen Vorstellungsbild zum sog. Rücktrittshorizont beigemessen, sondern den angenommenen Fehlschlag maßgeblich auf die vom Angeklagten erkannte Notwendigkeit gestützt hat, zur Erreichung seines Ziels andere als die ursprünglich geplanten Mittel anzuwenden.
Für die weitere Erwägung der Strafkammer, der An­geklagte sei nach seiner erfolglos gebliebenen Drohung nicht nur nicht willens, sondern auch nicht „in der Lage“ gewesen, die „innere Hürde“ zur Anwendung von Gewalt als Nötigungsmittel zu überwinden, fehlt es an einem tragfähigen Beleg.
Die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch erweist sich auf der Grundlage der Urteilsfest­stellungen auch nicht aus anderen Gründen als tragfä­hig. Dass der Angeklagte nach Ausführung seiner er­folglos gebliebenen Drohung annahm, es gebe bei dem Geschädigten „nichts zu holen“, er sein Vorhaben also aus tatsächlichen Gründen für gescheitert hielt und deshalb von weiteren Ausführungshandlungen Ab­stand nahm, hat das Landgericht zwar erwogen, aber nicht sicher festgestellt. Ebenfalls offengelassen hat die Strafkammer, ob der Angeklagte, der für möglich hielt, von dem Geschädigten erkannt worden zu sein, das Entdeckungsrisiko für unvertretbar gestiegen hielt und deshalb nicht freiwillig von der weiteren Tatausführung Abstand nahm.

BGH, Beschl. v. 24.11.2021 – 4 StR 345/21 Rn. 8 ff.

  !  

Klausurhinweis
Der BGH geht entsprechend seiner Rechtsprechung nicht auf die von Teilen der Literatur vertretene Einzelaktstheorie, wonach jede Handlung einen eigenen Versuch darstellt und Tatplantheorie, die auf den Planungshorizont abstellt, ein.
Sowohl nach der Einzelaktstheorie als auch nach der Tatplantheorie wäre der Versuch fehlgeschlagen.
Gegen die Einzelaktstheorie spricht, dass sie einen einheitlichen Lebensvorgang (z.B. ein zweiter Ansatz des Drohens) auseinanderreißt und die Möglichkeit des straffreien Rücktritts im Übermaß einschränkt.
Gegen die Tatplantheorie spricht die Bevorzugung eines Täters, der mehr(ere) Tatalternativen in seinen Tatplan einbezieht.

2. Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch

Das Vorliegen eines nicht fehlgeschlagenen Versuchs ermöglicht es dem Täter, von diesem zurückzutreten. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen richten sich danach, ob es sich um einen beendeten oder unbeendeten Versuch handelt.

Ein Versuch ist unbeendet, wenn der Täter noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Vollendung notwendig ist. Dahingegen handelt es sich um einen beendeten Versuch, wenn der Täter glaubt, alles Notwendige zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolgs vorgenommen zu haben.

3. Freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung

Nach der stRspr. und h.M. ist die Aufgabe der weiteren Tatausführung freiwillig, wenn

der Täter „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und er die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich hält, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert, noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen […] Erst wenn durch von außen kommende Ereignisse aus Sicht des Täters ein Hindernis geschaffen worden ist, das der Tatvollendung zwingend entgegensteht, ist er nicht mehr Herr seiner Entschlüsse und eine daraufhin erfolgte Abstandnahme von der weiteren Tatausführung ist als unfreiwillig anzusehen.

So z.B. BGH, Beschl. v. 15.04.2020 – 5 StR 75/20, Rn. 11.

Nach diesen Maßstäben handelte T freiwillig.

V. Ergebnis

T ist vom Versuch des schweren Raubs nach §§ 249 I, 250 II Nr. 1, 22, 23 I StGB zurückgetreten.


D. Fahrlässige Körperverletzung (§§ 223 I, 229, 230 StGB)

Das LG Münster verurteilt T auch wegen fahrlässiger Körperverletzung nach §§ 223 I, 229, 230 StGB. Obwohl der BGH hierin keine Rechtsfehler erkennt, hebt das Urteil aufgrund des tateinheitlichen Zusammentreffens auch in Hinblick auf diesen Schuldspruch auf.


E. Weiterführende Literaturhinweise:

Abgrenzung von Raub und räuberischer (Sach-)Erpressung (Grundwissen): Rönnau, JuS 2012, 888.

Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch: Mermann, JuS 2021, 1001.

Der Rücktritt vom Versuch in der Fallbearbeitung: Ho­ven, JuS 2013, 305, 403. Praktische Fälle: Hirsch/Weigel, ZJS 2022, 587 (Fortgeschrittenenklausur); Mitsch, ZJS 2020, 634 (Fortgeschrittenen- und Referendarexamensklausur); Mitsch, ZJS 2014, 192 (Referendarexamensklausur).


F. Fußnoten

[1] So bereits das RG mit Urt. v. 06.01.1927 – III 917/26 zum Sparkassenbuch.

[2] LG Gießen, Beschl. v. 29.05.2013 – 7 Qs 88/13: „Für eine Strafbarkeit wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) fehlt es an einer beweglichen Sache, da es sich lediglich um einen ‚virtuellen‘ Gutschein handelt“.

[3] BGH, Urt. v. 09.11.1993 – VI ZR 62/93: „Anders liegen die Dinge, wenn die ausgegliederten Körperbestandteile nicht nach dem Willen des Rechtsträgers dazu bestimmt sind, seinem Körper wieder eingegliedert zu werden. Für solche Fälle der endgültigen Trennung bleibt es dabei, daß die abgetrennten Körperbestandteile mit der Abtrennung ihre Zuordnung zum Schutzgut Körper verlieren und zu Sachen im Rechtssinn werden; dies deshalb, weil hier der Gedanke, nach dem das Selbstbestimmungsrecht des Rechtsträgers den Körper und seine ausgegliederten Bestandteile weiterhin als eine funktionale Einheit erscheinen läßt, nicht zum Tragen gelangt. Das gilt insbesondere für gespendete Organe, die nach dem Willen des Spenders dazu bestimmt sind, einer anderen Person implantiert zu werden, oder für fremdbestimmte Blutspenden.“

[4] Grundlegend zum „Schwarztanken“ an Selbstbedienungstankstellen Ernst, JURA 2013, 454 ff., der dies im Fall eines von Anfang an zum Schwarztanken entschlossenen Täters (BGH NJW 2012, 1092) nicht unter der Fremdheit, sondern in der Wegnahme subsumiert.

[5] So bereits das RG in RGSt 4, 429 (432): „Es muß anerkannt werden, daß im §. 235 StGB’s das Wort „Gewalt“ in demselben Sinne aufzufassen ist, wie im §. 240. Denn der Thatbestand der Erpressung (§. 253) unterscheidet sich von dem der Nötigung (§. 240) nur dadurch, dass einerseits die Erpressung eine auf der Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils gerichtete Absicht voraussetzt, andererseits bei der Nötigung die „Drohung“ auf bestimmte Mittel beschränkt ist, im übrigen stimmt die Fassung der Vorschriften in den §§. 240 und 253 überein …“; bestätigt in BGHSt 7, 252 (255), sowie z.B. NStZ-RR 2011, 80 ff.

[6] Z.B. NK-Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 253 Rn. 16 ff.: „[J]edes erzwungene Verhalten des Genötigten – Handlung, Duldung oder Unterlassung –, das zu der Vermögensminderung führt, [kann] tatbestandsmäßig sein. Das Verhalten muss nicht den Charakter einer Vermögensverfügung haben“.

[7] Z.B. Lackner/Kühl-Kühl, 29. Aufl. 2018, § 253 Rn 3: „Die abgenötigte Handlung, Duldung oder Unterlassung muss die Voraussetzungen einer Vermögensverfügung erfüllen“.

[8] So z.B. BGH NJW 1976, 58 und stellt fest: „Die Mitangekl. gingen davon aus, daß auf das Läuten hin eine Person erscheinen werde, gegen die sofort die Nötigungsmittel des Raubes eingesetzt werden können. In dieser Annahme standen sie maskiert und mit der Waffe in der Hand „auf dem Sprung”. Sie hatten subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los” […] überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung angesetzt, weil ihr Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung (der Bedrohung des Erscheinenden mit der Pistole) einmünden sollte“.

[9] Z.B. BGH NStZ 2018, 616 (617, unter 2.b.aa.1), wonach „die Ausführung des Diebstahls voraus[setzt], dass [das Opfer] die Sicherheitskette abnehmen, die Tür öffnen, die beiden Angeklagten einlassen und sich vom Angeklagten D. ablenken lassen würde. Erst dann hätten die anderen Täter die Wohnung durchsuchen und Gegenstände entwenden können. Damit sollte ihr Tun noch nicht unmittelbar in Wegnahmehandlungen einmünden“.


verfasst von Ali Tahir Sen


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