Recht vertieft

News: Schuldrecht – Nichtigkeit Allgemeiner Geschäfts­bedin­gun­gen bei einer Verjährungs­frist­verkürzung auf ein Jahr bei Gesundheitsschäden

verfasst von Ali Tahir Sen


Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche den „Lauf der Verjährungsfrist für Sachmängel“ vorverlegen, halten einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB nicht stand, wenn hierdurch die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden oder die einfach fahrlässige Haftung für sonstige Schäden ausgeschlossen oder begrenzt werden.


News: BGH - Nichtigkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen bei Verjährungsfristverkürzung

Im Rahmen seines Urteils vom 24.03.2022 (III ZR 263/20) beurteilte der BGH die Zulässigkeit von AGB, nach welcher die Verjährungsfrist ab­weichend von § 438 II BGB vor der Ab­liefer­ung des Fahrzeugs vorgezogen wurde. Der Kläger ist Eigentümer eines gebrauchten Diesel­kraft­fahr­zeugs, welches er im Januar 2016 vom Be­klag­ten erwarb und welches ihm am 14. Januar 2016 übergeben wurde. Der hierbei ge­schlos­sene Kaufvertrag enthielt folgende Klausel:

Bei Vorführ- und Geschäftsfahrzeugen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist für Sachmängel – in Abänderung der in Ziffer VII 1 der Neu­fahr­zeug-Verkaufsbedingungen ent­haltenen Regelung – mit der Erstzulassung lt. Eintrag im Fahrzeugbrief. In jedem Fall bleibt aber eine Verjährungsfrist von einem Jahr erhalten.

Laut Fahrzeugbrief wurde das Fahrzeug am 07. Mai 2015 erstmals zugelassen. In dem Fahrzeug wurde ein Dieselmotor des Typs OM 642 ein­ge­baut, in welchem aufgrund einer temperatur­abhängigen Steuerung des Emissions­kontroll­systems („Thermofenster“), die Abgas­rück­führ­ung bei geringeren Außen­temperaturen zurückgefahren wird. Mit anderen Worten: Das Fahrzeug des Klägers „war vom Dieselskandal umfasst.“

Mit Schreiben vom 5. Januar 2018 rügte der Kläger die Verwendung des Thermofensters als Mangel und forderte den Beklagten auf, einen Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs anzuerkennen und schließlich erklärte er – nach einer ablehnenden Antwort des Beklagten – am 12. Januar 2018 den Rück­tritt vom Kaufvertrag.

Im Rahmen seiner Klage begehrt der Kläger – soweit hier relevant – die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungs­entschädigung in Höhe von insg. 48.853,33 Euro und Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Nach Abweisung der Klage vor dem Landgericht und Rückweisung der Berufung vor dem Oberlandesgericht führte die Revision vor dem BGH zu Erfolg.


Nach Bejahung der Zulässigkeit der Revision widmete sich der BGH einem Schadens­ersatz­anspruch gegen den Beklagten aus

  • §§ 826, 31 BGB
  • § 823 II BGB i.V.m. § 6 I, § 27 I EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 oder
  • § 823 II BGB i.V.m. § 263 I StGB, § 31 BGB wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einem Thermofenster

und verneinte diese – wie auch die vorherige Instanz – seiner gefestigten Rechtsprechung folgend.

Abweichend von der Feststellung des Ober­landes­gerichts, bejahte der BGH jedoch einen Anspruch des Klägers auf Rück­ab­wick­lung des Kaufvertrags nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 I, 440, 323 I, 346, 348 BGB.

Bei der (oben wiedergegebenen) Klausel handelt es sich um Allgemeine Geschäfts­be­dingungen des Beklagten zur Verjährung der Haftung wegen Sachmängel, welcher einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zugänglich sind. Mit der Unterstellung, beim Kläger habe den Kaufvertrag als Verbraucher geschlossen, finden die Klausel­verbote des § 309 BGB unmittelbare Anwendung und somit auch § 309 Nr. 7a & b BGB, wonach in Allgemeinen Geschäfts­be­dingungen die Ver­schuldens­haftung für Körper- und Gesund­heits­schäden nicht, für sonstige Schäden nur im Falle einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden können. Zu den AGB des Beklagten führt der BGH aus:

Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt verstößt die oben beschriebene Klausel zur Verjährungsfrist gegen diese Vorgaben. Sie führt hiernach dazu, dass der Beginn der Verjährung von sämtlichen Ansprüchen des Käufers wegen Sachmängeln bei gebrauchten Fahrzeugen abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 438 Abs. 2 BGB, wonach die Verjährung mit Ablieferung des Fahrzeugs beginnt, vor­ge­zogen und auf diese Weise die gesetzliche Ver­jährungs­frist von zwei Jahren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf bis zu ein Jahr verkürzt wird. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klausel nach ihrem Wortlaut auf den „Lauf der Ver­jährungs­frist für Sach­mängel“ bezieht. Sie ist – zumindest gemäß § 305c Abs. 2 BGB – so auszulegen, dass damit die Ver­jährung von Ansprüchen wegen Sachmängeln nicht nur im engeren Sinne gemeint ist und die zeitliche Haftungs­be­grenzung auch (Folge-)Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 aaO Rn. 16 f). In diesem Sinne hat auch das Berufungsgericht die Klausel verstanden. Ihren An­wend­ungs­bereich einschränkende Bestimmungen hat es nicht festgestellt.

BGH, 24.03.2022 – III ZR 263/20 Rn. 41.

Infolge der verbots­widrigen Begrenzung der Haftung ist diese nichtig und die gesetz­liche Regelung (hier: § 438 I Nr. 3, II BGB) findet nach § 306 II BGB Anwendung. Mangels Fest­stellung des Berufungs­gerichts, ob das Rück­tritts­schreiben des Klägers dem Beklagten vor Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist zugegangen ist, hebt der BGH das angefochtene Urteil in Hinblick auf einen Anspruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­vertrags nach §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 434 I, 440, 323 I, 346, 348 BGB auf und weist die Sache zur neuen Ver­handlung und Ent­scheid­ung nach §§ 562 I, 563 I 1 ZPO an das Berufungs­gericht zurück.


verfasst von Ali Tahir Sen


Über die Tags kannst du verwandte Artikel finden:

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
1
0
Would love your thoughts, please comment.x
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner